Alan & Arno
vom Krimiblogger
Andree Hesse: Der Judaslohn
Wenn rechte Dumpfbacken eins auf die Mütze kriegen – selbst wenn es „nur“ im Kriminalroman geschieht – dann ist das ein Anlass zur Freude. Wahrscheinlich passiert es in der Fiktion eh’ öfter als im wirklichen Leben. In Andree Hesses Krimi „Der Judaslohn“ gibt es eine solche Szene. Durch die Ermittlungen in zwei Mordfällen kommt die Polizei einer braunen Truppe auf die Spur, die, als Heimatverein getarnt, in Celle und Umgebung ihr Unwesen treibt und die – auch die Rechtsextremen beherrschen das Einmaleins der Globalisierung – Kontakte bis nach England und Polen unterhält. Kopf dieser braunen Bagage ist Eckhardt Köhler, Wirt der Dorfkneipe im kleinen Eichendorf. Nach der Razzia in seiner Kneipe wird Köhler für einige Jahre in den Knast wandern – doch der gesuchte Mörder ist er nicht.
Dessen Spuren führen Kommissar Arno Hennings noch tiefer in den braunen Sumpf und in die düstere, deutsche Geschichte. Als die Nazis 1936 in der Heide viele alt eingesessene Bauern durch Enteignung von ihren Höfen vertreiben wollen, spielen diese nicht mit. Wehrhaft schwören sie den braunen Machthabern Rache und fällen in einer Nacht- und Nebelaktion die örtliche Hitlereiche. Der Verrat am Führer hat für einen der Beteiligten, den Knecht Ludger Owerhaide, furchtbare Folgen. Er wird von jemanden verraten und ins KZ geworfen, wo er unter erbärmlichen Umständen stirbt. Ein Verrat, der siebzig Jahre später zwei weitere Opfer fordert: Einen englischen Soldaten, der während einer Übung auf dem nahegelegenen Truppenübungsplatz, erschlagen wird und Knut Harms, schmieriger und erfolgloser Autohändler und wie sein Freund Köhler Mitglied des rechten Heimatvereins. Harms Leiche wird auf einem der enteigneten Höfe entdeckt. Sein Mörder hat ihn gefesselt und verdursten lassen. Kommissar Hennings und seine britische Kollegin Emma Fuller, die aufgrund des toten Soldaten an den Ermittlungen beteiligt ist, stehen vor einem Rätsel.
Arno Hennings ist mit der Gegend vertraut, schließlich ist er selbst in Eichendorf aufgewachsen und nun, nach Jahren bei der Berliner Polizei, in seine alte Heimat zurückgekehrt. Hennings, der seinen Vorname dem in Celle verstorbenen Autor Arno Schmidt verdankt, plagen – wie kann es im heutigen Kriminalroman auch anders sein – private Sorgen. Seine Freundin verunglückt während seiner Abwesenheit in Berlin, er soll das Haus seiner verstorbenen Eltern verkaufen und mit seinen neuen Kollegen bei der Celler Polizei kommt er auch nicht so recht klar.
So bitte nicht!
Interessant jedoch wird die ansonsten eher blasse Figur, wenn man einmal auf seinen Erfinder Andree Hesse schaut. Der hat als Übersetzter gearbeitet und unter anderem Romane von Peter Robinson ins Deutsche übertragen. Ein Blinder, wem da nicht die Ähnlichkeiten zwischen Hesses Arno Hennings und Robinsons Alan Banks ins Auge fallen: Beide kehren der Großstadt desillusioniert den Rücken und flüchten ins – nicht wirklich idyllische – Landleben, beide lieben Musik und hören diese bevorzugt während Autofahrten. Beide Kommissare haben eine Kollegin an ihrer Seite, zu der sie eine schwierige Beziehung unterhalten. Bei beiden Kommissaren spielt die ländliche, rauhe Landschaft eine wichtige Rolle. Natürlich gibt es auch Unterschiede, aber gerade diese sehr beherrschenden Merkmale hinterlassen bei mir ein ungutes Gefühl: Möchte Andree Hesse als deutscher Peter Robinson entdeckt werden? Dazu sind die auffälligen Ähnlichkeiten allerdings zu platt. Nein, so bitte nicht, lieber Herr Hesse!
Sieht man einmal davon ab, hat Hesse einen brav erzählten, politisch voll korrekten und ziemlich humorfreien Kriminalroman geschrieben, der sich nicht von den gängigen Regionalkrimis abhebt. Ein paar lebendige Landschaftsbeschreibungen hier, ein paar flache Figuren mit den üblichen Problemen dort und eine vorhersehbare Geschichte. Nur das mit dem Denkzettel für die rechten Dumpfbacken, das hat mir gefallen.
Andree Hesse: Der Judaslohn : Roman. – Reinbek bei Hamburg : Wunderlich, 2005
ISBN 3-8052-0800-6
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Kommentare
Hallo Ludger,
du erwähnst, der Polizist trage seinen Namen nach Arno Schmidt, der ja in der Nähe (Bargfeld) gelebt hat. Gibt es dafür irgend welche konkreten Hinweise im Text? Frag nur, weil mich die Wirkungsgeschichte A.Schmidts immer noch recht interessiert.
Bis morgen in aller Frische in der Crime School!
dpr
Hallo,
ja, im Text gibt es eine Szene, in der Arno Hennings das Krankenhaus in Celle aufsucht und sich erinnert, dass in diesem Krankenhaus Arno Schmidt gestorben ist. Dies erinnert ihn wiederum daran, dass seine Mutter aus Verehrung zu Arno Schmidt ihm diesen Vornamen gegeben hat. Sonst gibt es aber keine Berühung zu Arno Schmidt, also eher eine Nebensächlichkeit.
Bis morgen in der Crime-School
Ludger
[…] mpfte und schon mehr als eine Dekade auf dem Buckel hat? Wieso gerade Andree Hesse, dessen → Roman doch sehr an Peter Robinson erinnert, der wiederum auch schon seit ein paar Jahren erfol […]
Ich fand Hesses Krimi „Judaslohn“ sehr lesenswert, hervorragend recherchiert, recht ordentlich geschrieben und recht unterhaltsam. Zugegeben, der Kommissar war ein wenig blass, gegen Ende die Handlung ein wenig holprig, insgesamt fuer einen deutschen krimi eines jungen Autors doch eine bemerkenswerte Leistung!
Hallo Christina,
mich haben die großen Ähnlichkeiten oder Anklänge an Peter Robinsons Alan Banks sehr gestört, zumal Hesse ihn übersetzt hat. Kennst Du die Krimis von Peter Robinson? Falls nicht, kann ich sie Dir empfehlen. Sicherlich kann sich Hesse entwickeln, wenn er zum Beispiel die arg ausgetrampelten Pfade des deutschen Regionl-Who-Donit verlässt.
Viele Grüße
Ludger