Criminale in Farbe – Folge 6 – Ich liebe dich, ich töte dich.

vom Krimiblogger

Michael Molsner Silvia Kaffkei
Was macht eine gute Krimilesung aus? Autorinnen und Autoren, die eine gute Geschichte zu erzählen haben? Professionelle Sprecherinnen und Sprecher, die den Geschichten den richtigen Ton verleihen? Ein kompetenter Moderator, der interessante Fragen stellt? Wohlklingende Intermezzi, bei denen die Zuhörer das gerade Gehörte sacken lassen können? Eine Mischung aus all dem gab es bei der WDR 5 Kriminacht in der Kulturschmiede Arnsberg am 28. April. Im Rahmen der Criminale 2005 zeichnete der Sender seine berühmt-berüchtigte „Telefonische Mordsberatung“ auf, die erst im August gesendet wird. Motto des Abends: „Ich liebe dich, ich töte dich. Krimiautoren und ihre Figuren“. Die verantwortliche Redakteurin Petra Brandl-Kirsch zeigte schon bei der Auswahl der Autorinnen und Autoren ein sicheres Gespür für Spannung: Sabine Deitmer, Silvia Kaffke, Michael Molsner und Oliver Bottini – unterschiedlicher konnten die Besetzung nicht sein.

Da war die „Mutter aller Mörderinnen“ Sabine Deitmer, die mit ihrem letzten Roman „Scharfe Stiche“ für den Glauser nominiert ist und im Gespräch immer wieder mit einer selbstironischen Note überraschte. Silvia Kaffke, die in ihrem dritten Roman „Totenstill“ einmal mehr die Geschichte eines Serienmörders erzählt, diesmal in der Variante des „Copycat“, also eines Serienmörders, der Morde kopiert. Michael Molsner, gelernter Journalist und schon lange eine feste Größe in der deutschen Krimiszene. In seinem aktuellen Roman „Starker Zauber“ thematisiert er ein merkwürdiges, rechtliches Problem. Darf man in den USA einen verurteilten Mörder hinrichten, in dessen Brust das transplantierte Herz eines unschuldigen Deutschen schlägt? Schließlich Oliver Bottini, der mit seinem Debütroman „Mord im Zeichen des Zen“ die Krimiüberraschung des letzten Winters war.

Thomas Hackenberg„Jede Geschichte hat ihre eigene Logik“

Zusammen mit dem Moderator Thomas Hackenberg gaben die Autorinnen und Autoren Einblicke in ihre Arbeit. Wie entstehen Figuren? Welche Beziehung bauen ihre Erfinder zu ihnen auf? Gibt es reale Vorbilder? Um diese Fragen kreisten die Gespräche. Zunächst klärte Sabine Deitmer darüber auf, warum in ihrem Krimi „Scharfe Stiche“, in dem es um den Mord an einem Schönheitschirurgen geht und mit dem sie auf die negativen Seiten des Schönheitswahn aufmerksam machen möchte, ein Schweinekopf auseinander genommen wird. Die Autorin selbst hat es ausprobiert und gab den anwesenden Hausfrauen den wohlgemeinten Tipp „Verarbeiten Sie einen Schweinekopf frisch!“. Doch trotz aller Kuriosität, Deitmer sieht sich durchaus als eine Autorin, die neben einer spannenden Geschichte auch etwas vermitteln will, ohne erhobenen Zeigefinger. Sie findet es skandalös, wie verharmlosend mit dem Thema Schönheitschirurgie umgegangen wird, ohne, dass auf die Gefahren und Folgen eines solchen operativen Eingriffs eingegangen wird. Das sie ihren Roman deshalb in zwei Perspektiven erzählt – aus der Sicht der Mörderin und der Kommissarin – paßt ebenso dazu wie die Sympathie, die sie für ihre Mörderin entwickelt. Wer ist Opfer, wer ist Täter – eine Frage, die Deitmer in ihrem Roman auszuloten versucht.

Wesentlich nüchterner geht Michael Molsner an seine Geschichten heran. Distanz zu seinen Figuren sei ihm wichtig, wenn ihm dies auch nicht immer gelänge, wie der Autor einräumt. Seine Vorlagen findet er in realen Kriminalfällen. Dabei geht er von den Figuren aus. „Jede Geschichte hat ihre eigene Logik und kann während des Schreibens eine Bedeutung annehmen, die ich gar nicht will“ – so Molsner, der nicht, wie zum Beispiel Agatha Christie, seine Romane zunächst am Plot aufhängt. Es sind die Figuren und wenn er reale Menschen trifft, die zu einem Plot passen könnten, arbeitet er sie in seine Geschichten ein. Das seine Figuren dabei eine eigene Dynamik, eine eigene Integrität entwickeln, sei nicht von der Hand zu weisen.

Wesentlich rabiater zeigt sich Silvia Kaffke, die sich in ihren Krimis auch schon mal an unsympathischen Menschen rächt und sie – fiktiv – um die Ecke bringt. Allerdings so verfremdet, dass wohl nur die unmittelbar Betroffenen dies erkennen könnten. Ihre Hauptfigur Barbara entstand bereits 1996 und wurzelt aus einer Begegnung einer völlig „fertigen“ Frau mit einem Polizisten in einer Kneipe. Seitdem hat sie sich intensiv mit den Profilern beschäftigt, die bei der deutschen Polizei Fallanalytiker heißen. Barbara habe, bis zu der Verfilmung von „Messerscharf“ eigentlich keinen festgeschriebenen Lebenslauf gehabt – sie habe die Autorin einfach gepackt und sich so entwickelt. Erst in Vorbereitung zum Film habe sie, während langer Gespräche mit dem Drehbuchautor, der Figur eine längere Biografie verpaßt. Ob Frauen blutrünstiger schreiben als Männer, kann Kaffke auch nicht endgültig beantworten. Sie selbst sieht aber, dass wir in der Realität nicht weit von Gewalt, Verbrechen und Abgründen entfernt sind. Wer kennt nicht jemanden, der jemanden kennt, der Opfer eines Verbrechens geworden ist?

Sabine Deitmer Oliver Bottini
„Die Problemlöser der Nation“

Oliver Bottini, als jüngster Autor in der Runde, wird vom Moderator natürlich mit der Frage konfrontiert, die er schön öfters beantworten musste: Warum wählte er als Mann eine alkoholkranke, mit zahlreichen Problemen belastete Frau als Protagonistin? Der Autor sieht seine Louise Bonì als eine Alternative zu den zahlreichen, männlichen Helden in Kriminalromanen. Er kenne so viele Krimis, in denen Männer eine Rolle spielten, dass ein weiterer Mann sicher nicht sehr originell gewesen wäre. Zudem beschäftigt ihn auch die Geschlechterproblematik, die im Buch „Mord im Zeichen des Zen“ behandelt wird. Ob er seine Hauptfigur wirklich von Anfang an als Alkoholikerin angelegt habe, könne er gar nicht so direkt beantworten. Bottini betont aber, dass seine Recherche bei der Polizei zu einer ernüchternden Bilanz geführt habe. Einer der befragten Kommissar bei der Polizei sagte zu ihm: „Wir werden von allen als Problemlöser der Nation gesehen. Dabei haben wir alle selbst Probleme, wie jeder andere auch.“ Auf die Nachfrage, ob seine so stark angelegte Figur Bonì vielleicht auch eine Gefahr für den Krimi ist – weil sie alleine eine Geschichte tragen würde – verneint Bottini dies.

Zum Gelingen des Abends trugen aber nicht nur die befragten Autorinnen und Autoren bei. Die Abwechslung aus Musik – gespielt von dem vortrefflichen Trio „The Art of Jazz“ – Werkstattgespräch und professioneller Lesung – vorgetragen von Gudrun Schachtschneider und Detlef Dickmann – sorgte für kurzweilige zwei Stunden. Das Publikum selbst wurde nicht in die Diskussion einbezogen, was allerdings nicht weiter tragisch war, denn im Anschluß hatte man genügend Zeit, die Autorinnen und Autoren direkt zu befragen. Einziger Wehrmutstropfen war, dass unter den Autorinnen und Autoren nur wenig Gespräch, wenig Interaktion aufkam. Dennoch: Solche profunden und klugen Krimilesungen wünsche ich mir mehr.