Platzpatrone – Folge 3: Krimi to go

vom Krimiblogger

Der Duft des Kaffees
Gerhard J. Rekel: Der Duft des Kaffees : Die Geschichte einer Verschwörung

Kaffee ist Kult. Überall in deutschen Städten schießen Coffeebars und Coffeeshops wie Pilze aus dem Boden. Gute alte Stehcafés werden durch trendige Starbucks oder Balzac-Shops verdrängt. Die kredenzen dann „Vanilla Latte“ oder „White Chocolate Mocha“: Heißgetränke, bei denen die Geschmacksknospen der Kaffeepuristen rebellieren. Schließlich beschränkt sich ein Kaffeekenner vor allem auf einen frischen Espresso mit einer leckeren Crema. Das zumeist junge Publikum sieht das alles nicht so eng, schnappt sich noch schnell einen „Coffee to go“ mit Karamellgeschmack in einem Plastikbecher und fühlt sich hip.

Unter den Produkten der Krimiindustrie finden sich auch solche grauslichen Geschmacksverirrungen, die aber en vogue sind: schicke Verschwörungsthriller zum Beispiel. Mal sind es christliche Männerbünde, mal islamische Terroristen, die im Geheimen operieren, um irgendwann die Welt zu beherrschen oder unsere Erde dem Untergang zu zuführen. Geradezu raffiniert erscheint da der Thrillerversuch des österreichischen Autors Gerhard J. Rekel, der beide Modeerscheinungen einfach kombiniert: Kaffee und Verschwörung gleich in einem Buch. Kult im Doppelpack zum Sonderpreis! Dieser „Krimi to go“ mit Plastikgeschmack nennt sich „Der Duft des Kaffees“ und bietet eine Melange aus Kulturgeschichte, Kaffee, Komplott und Krimi.

Häppchenweise erzählt Rekel die Geschichte des schwarzen Getränks: Woher kommt Kaffee, welche Entwicklung nahm er, wie tricksen die großen Kaffeekonzerne ihre Kunden aus und warum ist fairer Kaffeehandel lebenswichtig für die Kaffeebauern in der sogenannten „Dritten Welt“? Fragen, die leidlich im Buch beantwortet werden. Rekel hat aber auch noch eine ganz wichtige These parat: Kaffee ist das Getränk der Revolution! Ohne Kaffee hätte es die französische Revolution vielleicht nie gegeben. Die USA haben ihre Unabhängigkeitserklärung vor allem dem Kaffee zu verdanken. Interessante These also, die in einem kulturhistorischen Aufsatz sicher spannend zu lesen wäre.

Rekel schreibt aber auch einen Verschwörungsthriller und da wird es dann unsäglich schlecht. Kurz vor Weihnachten verübt ein Unbekannter Anschläge auf den Kaffee der Kette „Drachus“. Viele Menschen leiden nach dem Trinken des Kaffees unter lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen. Der Kaffee ist vergiftet worden. Unter den Opfern ist auch Jakob, der Sohn des kleinen Kaffeehändlers Hans Brioni. Brioni kämpft schon lange gegen die Machenschaften der großen Konzerne und wittert natürlich eine Verschwörung. Doch Brioni könnte nicht nur Opfer sein, er kommt auch als Täter ins Frage. So sieht es zumindest Agathe, eine junge Frau, die als Praktikantin bei einem privaten Nachrichtensender arbeitet.

Kanzler ohne Kaffee

Sie will Brioni interviewen, der zeigt sich allerdings zunächst zugeknöpft. Agathe läßt nicht locker und innerhalb weniger Tage entwickelt sich eine Beziehung, die immer wieder zwischen Ver- und Misstrauen schwankt. Als Brioni schließlich von der Polizei ins Visier genommen wird, tauchen Hans und Agathe unter. Sie unternehmen eine abenteuerliche Flucht durch Deutschland und Österreich. Natürlich versuchen sie dabei die wahren Hintermänner der Kaffeeverschwörung zu finden. Abenteuerlich ist allerdings auch, wie schnell die Beiden die räumlichen Distanzen – von Berlin nach Wien, von Wien nach Hamburg, von Hamburg nach Berlin und zurück – innerhalb von wenigen Tagen zurücklegen. Das alles mit einem alten Lada und bei winterlichen Straßenverhältnissen. Ein kleiner Schönheitsfehler, doch Rekel kann es noch viel schlechter.

Da sind die Figuren, die frisch abgestaubt aus der Klamottenkiste der Krimiklischees entsprungen sind. Natürlich muss die weibliche Schnüffelnase „Agathe“ (!) heißen und der kleine Kaffeeröster ist mit dem Besitzer des berühmten Wiener Cafés Brioni verwandt. Über die Beschreibung der Arbeit bei einem privaten Nachrichtensender rege ich mich schon gar nicht mehr auf. Das Chefredakteure durchweg schwanzgesteuert sind und es besonders auf junge, weibliche Praktikantinnen abgesehen haben, wissen wir doch alle aus eigener (Lese-)Erfahrung.

Da sind die Dialoge, die zäh vor sich hin blubbern und die nur dazu dienen, dass Kaffeekenner Brioni sein Wissen über die Geschichte des schwarzen Getränks so richtig aufschäumen kann. Da ist schließlich die Lösung des Falles, bei der so manche Verschwörungstheoretiker richtig neidisch werden. Hinter all dem vergifteten Kaffee steckt nämlich – Achtung! Spoiler! – die Wirtschaftslobby, die unbedingt die „große Reform“ durchgedrückt haben will und deshalb die Nation auf Koffeinentzug setzt. Ohne Koffein keine Revolution, ohne Kaffee keine Reformproteste – so einfach ist das. Hätte das doch mal einer dem Schröder bei seiner „Aganda 2010″ gesteckt – er wäre heute noch Kanzler.

„Der Duft des Kaffees“ ist so sinnfrei wie der → „Coffee Song“ von Hildegard Knef, in dem sie behauptet „… denn in Brasilien gibt’s nichts andres als Kaffee.“ Doch im Gegensatz zu Rekels Machwerk ist der „Coffee Song“ nur knapp zwei Minuten lang und lustig.

Gerhard J. Rekel: Der Duft des Kaffees : Die Geschichte einer Verschwörung. – München : dtv, 2005
(dtv premium; 24505)
ISBN 3-423-24505-0

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→ Text „Coffee Song“ von Hildegard Knef