Flaches Schattenspiel

vom Krimiblogger

Der Wald ist Schweigen
Gisa Klönne: Der Wald ist Schweigen

Schon als Kind lernte ich bei den Gebrüdern Grimm, dass im Wald das Böse lauert. Gefräßige Wölfe und garstige Hexen hausen zwischen den Bäumen und führen nichts Gutes im Schilde. Ein idealer Handlungsort für einen Kriminalroman, in dem es doch auch um das Böse und Schlechte in dieser Welt gehen soll. Das mag sich Gisa Klönne gedacht haben, als sie über den Schauplatz ihres Debütkrimis „Der Wald ist Schweigen“ sinniert hat. Allein: Ein finsterer Forst mit finsteren Figuren macht noch keinen guten Krimi aus.

In diesem Fall liegt der unheimliche Wald im Bergischen Land. Auf einem Hochsitz wird eine nackte und entstellte Männerleiche gefunden. Rund um diesen Toten gruppiert Klönne ein weibliches Dreigestirn. Die junge Försterin Diana Westermann, die seit kurzer Zeit für das Revier zuständig ist und die Leiche entdeckt hat. Aus Köln kommt Kriminalhauptkommissarin Judith Krieger zum Tatort geeilt. Dritte im Bunde ist die junge Laura, die im nahegelegenen Aschram „Sonnenhof“ lebt. Gemeinsam ist allen drei Frauen, dass sie – ein Muss im Kriminalroman – einige Probleme haben. Kommissarin Krieger ist seit dem gewaltsamen Tod eines Kollegen psychisch stark angeschlagen. Ihr guter Freund und Kollege Patrick starb bei einem Einsatz, bei dem sie eigentlich vor Ort hätte sein sollen, wegen einer Erkrankung aber das Bett hütete. Nun plagen sie Schuldgefühle, die dazu führen, dass sie sich im aktuellen Fall einige Schnitzer leistet. Sie wird von dem Fall abgezogen und – wer hätte es gedacht – von einem tumben Mann ersetzt. Krieger aber ermittelt – auch das kennt man aus vielen Krimis – auf eigene Faust weiter.

Diese privaten Ermittlungen führen Krieger in den Aschram „Sonnenhof“, in dem einige Aussteiger abgeschieden von der Welt vor sich hin meditieren. Hierhin wurde die 17-jährige Laura von ihrer Mutter abgeschoben, nachdem Lauras Verhältnis mit einem Lehrer aufgeflogen war. Dieser Lehrer ist, wie sich bald herausstellt, der Tote vom Hochsitz. Um dem strengen Alltag des Aschrams zu entfliehen, freundet sich Laura mit der Försterin Diana Westermann an. Die wiederum ist eher genervt von Lauras Besuchen. Sie hat eigene Probleme: Drohanrufe, Einschüchterungen und Mobbing durch andere Grünjacken machen Diana zu schaffen. Immer wieder wird sie zu Wildunfällen gerufen, die aber gar nicht stattgefunden haben. Alleine im Wald fühlt sich die junge Försterin beobachtet. Offenbar ist jemand – natürlich ein Mann – neidisch auf ihren neuen Job. Dann wird eine zweite Leiche im Wald entdeckt.

Sprachliche Trickkiste

Spannung und Atmosphäre bietet Gisa Klönne durchaus in ihrem Roman. Der Wald ist dunkel und voller Geheimnisse, das Seelenleben der Figuren wird nach und nach offengelegt, die Verbrechen sind schauderhaft. Der Plot ist einfach und – für reine Spannungsleser – sehr effektiv. Doch leider sieht man in diesem Roman den Krimi vor lauter Klischees nicht. Ob stereotype Männer- und Frauenbilder und der immerwährende Geschlechterkampf bei der Polizei, ob übliche Versatzstücke, wie etwa die suspendierte Kommissarin, die verbotenerweise ermittelt, ob das Spiel mit Urängsten gegenüber dem bedrohlichen Wald – bei Klönne findet sich alles und reichlich. Dazu kommen schwache Figurenporträts ihrer drei Hauptprotagonistinnen, wobei die Beschreibung der Kommissarin besonders kraftlos ausgefallen ist.

Da Klönne kaum mit wirklichen neuen Ideen aufwartet, greift sie in die sprachliche Trickkiste: Bis auf zwei kurze Rückblenden erzählt sie ihren Roman durchgängig im Präsens. Ein Kunstgriff, über dessen Anwendung man gerne streiten kann. Zeitliche Nähe und Unmittelbarkeit dürfte ein Argument sein. Das erzählte Geschehen läuft direkt vor den Augen des Lesers ab. Verstärkt wird dies noch durch die Verwendung von Daten als Kapitelüberschriften. Der Roman ist wie das Tagebuch eines allwissenden Erzählers aufgebaut, die Handlung setzt am 26. November ein und endet am 16. November. Stilistisch geht Gisa Klönne somit zwar nicht neue, aber doch wenig benutzte Wege. Interessanter wird der Roman dadurch aber auch nicht.

Besonders peinlich wirken die wiederholten Vergleiche, die Komissarin Krieger mit TV-Krimiserien zieht. Ständig lässt Klönne ihre Polizistin betonen, dass eine bestimmte Situation an einen „Tatort“ oder an „Derrick“ erinnere, dennoch sei dies hier ja die harte Realität. Echte Polizeiarbeit versus Fiktion in der Fiktion. Ein lustiges Spielchen, das aber in dem ansonsten humorfreien Umfeld von Gisa Klönnes Roman albern und deplaziert ist. Kurzum: Ein Krimimärchen aus deutschen Landen, das versucht, ein dunkler Spannungsroman zu sein, letztlich aber nur ein flaches Schattenspiel bleibt. Grimms Märchen sind da tiefgründiger und interessanter.

Gisa Klönne: Der Wald ist Schweigen : Kriminalroman. – Berlin : Ullstein, 2005
ISBN 3-550-08633-4
ISBN-13 978-3-550-08633-5

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