Jenseits der Banalität

vom Krimiblogger

Im Sommer der Mörder
Oliver Bottini: Im Sommer der Mörder

Wenn in Kriminalromanen Geheimdienste und nationale Polizeiorgane wie CIA, BND oder BKA am Werke sind, dann geht es oft um das ganz Große, Weltverschwörung und Weltrettung. Die Autoren – in der Tat meistens Männer – phantasieren dann oft ein beeindruckende Kulisse zusammen, große Gesten, große Technik und oft auch großes Geballer. Es kracht, donnert und poltert und entsprechend laut werden wir am Ende alle wieder einmal gerettet. Bei dem in München lebenden Autor Oliver Bottini hört sich dies alles anders und differenzierter an. In seinem zweiten Kriminalroman „Im Sommer der Mörder“ haben zwar auch BKA, BND und vielleicht auch der CIA ihre Finger im Spiel, aber Bottini ist ein Autor der leisen, aber deutlichen Zwischentöne.

Schon in der Eröffnungsszene zeigt Bottini, dass er es versteht, mit kurzen Sätzen, Halbsätzen und Dialogen den Leser gefangen zu nehmen und eine enorme Spannung aufzubauen. Im kleinen Ort Kirchzarten, in der Nähe von Freiburg, steht an einem Sommermorgen ein Schuppen in Brand. Die Feuerwehr rückt an, um das Feuer zu löschen. Ein harmloser Einsatz, Menschen und Tiere waren nicht in dem Schuppen, der Brand scheint gelöscht. Doch dann kommt der Besitzer des Schuppens, Hannes Riedinger, zum Brandort und sagt lapidar: „Sah aus, als hätte einer die Pforte zur Hölle geöffnet.“ Minuten später bricht der Boden des Schuppens zusammen und heftige Explosionen erschüttern den Ort. Ein Feuerwehrmann stirbt im Flammenmeer. Eine grandiose Eröffnungsszene, die wie in Zeitlupe abläuft.

Der Keller unter dem abgebrannten Schuppen diente als illegales Lager für Waffen. Für wen waren sie bestimmt? Die Freiburger Polizei soll die Frage klären und Hauptkommissarin Louise Bonì darf bei den Ermittlungen „assistieren“. Sie ist, wie aus dem ersten Fall bekannt, Alkoholikerin. Vier Monate hat sie gerade in einem Zen-Kloster mit einer Entziehungskur verbracht. Sie ist „trocken“, doch die Dämonen stehen immer noch in ihrer Wohnung: Wodka und Bourbon. Aber Louise ist eine Kämpferin, privat und dienstlich. Sie versucht einen Rückfall zu verhindern, was angesichts der Ermittlungen über das illegale Waffenlager nicht immer einfach ist. Bei ihren Kollegen ist sie gebrandmarkt, die trockene Alkoholikerin, die auf’s Abstellgleis gehört, die „assistieren“ darf. Doch Louise gibt sich damit nicht zufrieden.

Die ersten Spuren führen in Richtung des ehemaligen Jugoslawien. Die Waffen, so hört man, könnten für den Balkan bestimmt gewesen sein. Das BKA streut das Gerücht, deutsche und kroatische Faschisten könnten sich für einen neuen Krieg rüsten. Louise, die so gut wie nichts über die Kriege im ehemaligen Jugoslawien weiß, macht sich schlau. Dann wird der Besitzer des Schuppen ermordet und Louise entdeckt eine Spur, die zu pakistanischen Islamisten führt und die mit Hilfe aus Deutschland ein Attentat auf den pakistanischen Herrscher Pervez Musharraf planen.

Viele Fragen – viele Antworten

In kleinen Schritten führt Bottini seine Leser an die ungelösten Konflikte auf dem Balkan und in Pakistan heran. Seine Louise, aus deren Perspektive der Roman fast ausschließlich erzählt wird, stellt Fragen. Worum ging es eigentlich bei den Kriegen auf dem Balkan? Welches Ansehen hat Musharraf in seinem Land und welche Rolle spielt er im sogenannten „Anti-Terror-Krieg“ der Amerikaner? Fragen, die sie von unterschiedlichen Menschen im Laufe des Romans unterschiedlich beantwortet bekommt. Ein hoch politischer Kriminalroman also, der – und das ist erstaunlich – hauptsächlich in und um Freiburg spielt.

Bottinis zentrale Figur Louise wirkt wie ein Brennglas, in der sich die großen und die kleinen, die privaten und die politischen Konflikte brechen und unterschiedliche Perspektiven zwar sichtbar, aber nicht immer begreifbar werden. Die Lügen der üblichen Verschwörungs- und Geheimdienstschmonzetten, mit ihren klaren Grenzen, ihren klaren Fragen und ihren klaren Antworten, sind Bottinis Sache nicht. So wie seine Louise am Ende verunsichert und verletzt zurückbleibt, nach einem eindringlichen Schluss, der stilistisch der Eröffnungsszene in nichts nach steht, so blickt man auch als Leser verunsichert und fragend auf die Lektüre zurück. Keine platten Botschaften, kein alles-wird-gut-Geschwafel, dafür Weitsicht und Mut, mit dem sich Louise den großen und kleinen Problemen stellt.

Das dies deutsche Kriminalliteratur immer noch kann, dazu in einer wunderbaren, eindringlichen Sprache, die mit knappen Sätzen, geschliffenen Dialogen und exakt gearbeiteten Wiederholungen arbeitet, ist bemerkenswert. Ein Roman, der ohne große Knalleffekte herausfordert und auf die Gegenwart reagiert, dessen vielstimmige Zwischentöne nachdenklich stimmen, und der die Banalität vieler deutscher und internationaler Kriminalromane weit, weit hinter sich lässt. Ein Roman, der das große Weltgeschehen in spannender Weise auf die Menschen herunter bricht und etwas in Erinnerung ruft, das bei den sonst üblichen Krimigemetzel oft auf der Strecke bleibt: Humanität.

Oliver Bottini: Im Sommer der Mörder : Kriminalroman. – Frankfurt am Main : Scherz, 2006
ISBN-13: 978-3-502-11000-2
ISBN-10: 3-502-11000-X

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Links:

Oliver Bottini: Mord im Zeichen des Zen – Besprechung des ersten Romans
Oliver Bottini auf der Criminale 2005 in Arnsberg
Homepage von Oliver Bottini