Du sollst nicht langweilen!

vom Krimiblogger

Ein kleiner Ansatz zur der Hausaufgabe in der Crime-School. Was habe ich in den Tiefen des Archivs entdeckt? Zum Beispiel einen Artikel zur Geschichte des Detektivromans


Was eigentlich ein Detektivroman ist, hat viele Autoren und Literaturkritiker beschäftigt. Einige Autoren haben sich „Spielregeln“ für den Detetivroman ausgedacht. So etwa Ronald Knox, der 1924 in seinem „Detective Story Decalogue“ zehn Regeln aufstellte, oder S.S. Van Dine (Pseudonym für W.H. Wright), der 1928 in seinen „Twenty Rules for Writing Detective Stories“ zwanzig Regeln für das Verfassen von Detektivgeschichten aufstellte. Das Problem der „Regeln“,die sich besonders im „Goldenen Zeitalter“ verbreitet haben, ist nur, dass sich Schriftsteller selten an Regeln halten wollen und Schreiben „ein Beruf ist, in dem es keine Regeln gibt“ wie Agatha Christie bemerkte.

→ Der Detektivroman hat außerdem im Laufe der Zeit eine Entwicklung erfahren, die es gar nicht erlaubt, von einer bestimmten Definition des Detektivromans zu sprechen.

So grenzt etwa Richard Alewyn in seinem Aufsatz „Anatomie des Detektivromans“ den Detektivroman vom Kriminalroman ab. Für Alewyn ist der Detektivroman eine Geschichte, die gegen die Zeit erzählt wird, das heißt am Anfang steht die Entdeckung der bereits geschehen Tat (der Mord), ein Mordopfer wird gefunden, die ungeklärten Umstände der Tat werden im Laufe der Erzählung geschildert, das Tatmotiv wird gesucht und gefunden, schließlich wird am Ende das Verbrechen aufgeklärt.

Beim Kriminalroman hingegen wird, nach der Auffassung von Richard Alewyn, parallel zur Handlung erzählt: Die Figuren werden eingeführt, es gibt zwischen ihnen Motive und Beweggründe (Eifersucht, Neid, Haß etc.), die zu einer Mordtat führen. Obwohl ich diese strenge Abgrenzung von Detektiv- und Kriminalroman durch Alewyn nicht teilen kann (ich persönlich würde den Detektivroman als eine Unterart des Kriminalromans sehen, die neben anderen Arten wie zum Beispiel dem Thriller, Hard-boiled-Krimi etc. steht, die sich zum Teil aus dem Detektivroman abgespaltet haben), zeigt er doch wichtige Elemente eines Detektivromans auf. Um weitere Erzählelemente heraus zu arbeiten ist es sinnvoll, einmal auf die Geschichte und die Entwicklung des Genre zu schauen.

„The Murders in the Rue Morgue“ (dt. „Die Morde in der Rue Morgue“, erstmals erschienen 1841) von Edgar Allan Poe (1809-1849) wird in der Literatur oft als die erste „richtige“ Detektivgeschichte gesehen. Natürlich weisen einige frühere Romane, Erzählungen und Berichte einzelne Merkmale einer Detektivgeschichte auf, nämlich die Darstellung eines Mordes oder eines Verbrechens, ein Detektiv oder Polizist, der diesen Fall untersucht und schließlich den Täter überführen kann, aber in Poes Erzählung sind diese und andere wichtige Elemente erstmals zusammengefaßt.

So gibt es natürlich schon in der Bibel Mord und Totschlag (Kain und Abel), in den Erzählungen aus „Tausendundeiner Nacht“ finden sich Verbrechen und erwähnt wird immer wieder die Sammlung von Gerichtsfällen von Francois Gayot de Pitaval – kurz „Pitaval“ genannt, den man als Vorläufer unsere heutigen „True-Crime-Stories“ sehen könnte.

Aber Poes Geschichte enthält die wichtigsten Zutaten, die eine Detektivgeschichte ausmachen. Was aber sind nun diese Elemente, die sich bei Poe finden?

Ein Mord hat sich ereignet, zudem in einem verschlossenen Raum (somit ist dies auch der erste Fall eines sogenannten „locked room mystery“). Der Mord geschah, bevor die eigentliche Handlung einsetzt – der Detektiv Dupin erfährt aus zweiter Hand (in diesem Beispiel aus der Zeitung) von dem Verbrechen. Alle wichtigen „clues“ (Hinweise) werden dem Leser präsentiert, wodurch das „fair play“ zwischen Detektiv und Leser gegeben ist. Weiterhin wird der Leser durch „red herrings“ (falsche Fährten) in die Irre geführt, dadurch wird das Lösen des Rätsels zu einer intellektuellen Herausforderung (Denksportaufgabe). Der Täter wird mit Hilfe einer Falle, die der Detektiv stellt, überführt. Die Lösung des Falls wird dem Leser erst am Ende der Geschichte präsentiert. Und sollte der Leser den falschen Fährten gefolgt sein, ist die Lösung eine Überraschung für ihn. Weiteres wichtiges Element der Erzählung ist der Assistent oder Helfer, den Dupin hat, und dem er seine Schlußfolgerungen berichten kann.

Zusammengefaßt sind die wichtigsten Elemente der Detektivgeschichte:

  • Verbrechen: In der Regel ein Mord, der vor dem eigentlichen Einsetzen der Handlung begangen wird.
  • Detektiv: Es gibt einen (Amateur-)Detektiv, der – mehr oder weniger zufällig – auf den Fall stößt und ihn lösen will und dazu oft einen Helfer braucht, dem er seine intellektuellen Schlußfolgerungen schildern kann.
  • Distanz: Der Detektiv hat ein rein intellektuelles Interesse an dem Fall, er ist nicht persönlich betroffen.
  • Hinweise: Alle Hinweise (clues) werden dem Leser mitgeteilt, wodurch er in die Lage versetzt wird, den Täter zu überführen – das „fair play“ zwischen Detektiv und Leser.
  • Falsche Fährten: Der Leser wird auf falsche Fährten (red herrings) gelockt, die ihn verwirren sollen.
  • Zusammenführung der Hinweise: Der Detektiv löst den Fall, in dem er alle „clues“ zusammenführt und dem Täter eine Falle stellt.
  • Auflösung am Ende: Die Auflösung erfolgt am Ende der Geschichte, oftmals als ein Überraschungsmoment.

Daran läßt sich auch der zeitliche Verlauf einer Detektivgeschichte erkennen, wie sie auch Alewyn aufzeigt: Das Verbrechen ist bereits geschehen (Vergangenheit), Einzelheiten der Tat werden im Laufe der Erzählung Stück für Stück berichtet, die clues werden durch den Detektiv zusammengeführt, es folgt ein Höhepunkt, bei dem der Täter in eine Falle gelockt wird und der Detektiv, dank seiner intellektuellen Überlegenheit, den Täter entlarven kann. Somit gibt es einen linearen Spannungsverlauf:


Entdeckung der Tat → Ermittlung → Rekonstruktion der Tat → Zusammenführung der clues → Falle → Überführung des Täters

Weiterhin gibt es bestimmte Figuren, die ein Detektivroman enthält: Einen Täter, eine möglichst geschlossene Gruppe von möglichen Tatverdächtigen und Zeugen, einen Detektiv sowie seinen Helfer. Wenn man sich heutige Krimis anschaut, so fallen natürlich sofort Unterschiede auf: Es gibt manchmal mehrere Täter, oft bleibt es nicht bei einem Mord und der Detektiv kann durchaus auch ein Polizist, Kriminalbeamter, Psychologe oder Gerichtsmediziner sein und er muss nicht unbedingt einen Helfer haben – und wenn er einen oder mehrere Helfer hat, so können diese im Team zusammen einen Fall lösen. Regelrecht entgegen konstruiert sind zum Beispiel Krimis, in denen der Täter gleich zu Anfang bekannt ist, wo der Leser den Täter bei seinen Taten begleitet und wo er mit dem Täter gegen dessen Aufdeckung „mitfürchtet“. Ein schönes und gelungenes Beispiel sind etwa die Ripley-Romane von Patrica Highsmith (1921-1995). Auch das „fair play“ ist nicht immer gegeben, die Figur des Täters oder auch des Ermittlers wird psychologisch ausgemalt etc.

Eine Ausweitung einer Detektivgeschichte zu einem Detektivroman zeigt sich etwa bei Wilkie Collins (1824-1889) in seinen Romanen „The Moonstone“ (1868, dt. „Der Monddiamant“) und „The Woman in White“ (1860, dt. „Die Frau in Weiß“). So gibt es zwar in „The Moonstone“ einen kriminellen Fall (der Diebstahl des Monddiamanten) und auch ein Detektiv tritt auf (Sergeant Cuff), allerdings ist der Anteil der eigentlichen Kriminalgeschichte eher gering, um den Krimiplot herum wird eine Liebesgeschichte erzählt. Bei Collins „Monddiamant“ handelt es sich eher um eine geheimnisvolle Liebesgeschichte. Zum ersten Mal in der Geschichte des Detektivromans finden sich bei Collins subjektive Berichte des Geschehen: In beiden erwähnten Romanen lässt Collins die Geschichte durch Berichte der beteiligten Figuren schildern. Durch das Fehlen eines allwissenden Erzählers schafft Collins Nähe aber auch Verwirrung beim Leser. Welcher Schilderung kann man glauben?

Weiterentwickelt wurde die Detektivgeschichte durch Arthur Conan Doyle (1859-1930) mit seinen bekannten „Sherlock Holmes“-Geschichten und -Romanen (etwa „A Study in Scarlet“, 1887, dt. „Eine Studie in Scharlachrot“; „The Sign of the Four“, 1890, dt. „Das Zeichen der Vier“; „The Hound of the Baskervilles“, 1901/1902, dt. „Der Hund der Baskervilles“, sowie diverse Erzählungen, die ursprünglich im „Strand Magazin“ erschienen sind und anschließend in Anthologien zusammengefaßt wurden, wie etwa „The Adventures of Sherlock Holmes“, 1892, dt. „Die Abenteuer des Sherlock Holmes“ etc.)

Arthur Conan Doyle, eigentlich Arzt, vertrieb sich die Zeit mit Schreiben von Detektivgeschichten – und erlangte damit Weltruhm. Ihm selber wurde sein Held Sherlock Holmes immer mehr zur Last, so dass er ihn in „The Final Problem“ (1894, dt. „Das letzte Problem“) in die Reichenbachfälle stürzen ließ – doch die Empörung der Leser war so groß, dass Doyle seinen Held wiederbeleben mußte und zwar in „The Empty House“ (1894, dt. „Das leere Haus“).

Während Poes Dupin recht spröde seine Fälle vom Sessel aus analysiert und den Täter überführt, ist Doyles Sherlock Holmes eine unterhaltsame Figur, nicht zuletzt durch seinen Gehilfen Dr. Watson, mit dem er zusammen die Fälle löst. Und Holmes ist auch kein „Armchair Detective“ mehr – er agiert, er bewegt sich, belauscht und ergreift den Täter. Aber auch er schlußfolgert aus den gegebenen „clues“ und setzt seine Logik ein. Holmes strahlt die Stärke und Sicherheit eines Experten aus, der genau weiß, wie er an einen Fall heranzugehen hat. Zudem ist er ein aristokratischer Held, der sich die Frage nach dem „Warum?“ eigentlich nie stellt – Fragen der Moral oder die Hintergründe einer Tat interessieren in nicht.

Quasi als Antwort auf den „Helden“ Holmes erschuf Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) seinen Pater Brown („The Innocence of Father Brown“, 1911, dt. „Father Browns Einfalt“; „The Wisdom of Father Brown“, 1914, dt. „Father Browns Weisheit“; „The Incredulity of Father Brown, 1926, dt. „Father Browns Ungläubigkeit“; „The Secret of Father Brown“, 1927, dt. „Father Browns Geheimnis“ sowie „The Scandal of Father Brown“, 1935, dt. „Father Browns Skandale“). Pater Brown ist ein unscheinbarer Geistlicher, der die Kriminalfälle aus der Sicht des Geistlichen und Seelsorgers löst. Zwar ermittelt er auch den Täter, aber für ihn sind die Täter Sünder, das Seelenheil seiner Schäfchen ist im wichtiger. Oft entgehen sie der weltlichen Gerechtigkeit – Pater Brown vertraut auf die Bestrafung durch Gott.

Weitere Gegenentwürfe zum Helden Sherlock Holmes finden sich etwa bei Edmund C. Bentley (1875-1956) in „Trent’s Last Case“ (1912), in dem er seinen Detektiv, der mit der gleichen Vorgehensweise wie Holmes arbeitet, scheitern läßt. Und auch Maurice Leblancs (1864-1941) Held Arsène Lupin ist eine Karikatur von Holmes (etwa in „Arsène Lupin contre Sherlock Holmes, 1908)

Nachdem Ersten Weltkrieg befindet sich der Detektivroman im Umbruch, die oben erwähnten Regeln werden aufgestellt und Schriftsteller gründen 1929 in London den „Detection Club“. 1920 erscheint der Roman „The Mysterious Affair at Styles“ (dt. „Das fehlende Glied in der Kette“) von Agatha Chistie (1890-1976) und damit wird das „Goldene Zeitalter“ des Krimis eingeläutet. Christies Krimis (über 100 Titel) weisen in der Regel die gleiche Struktur auf. Es geschieht ein Verbrechen, meistens ein Mord, es folgt die Fahndung nach dem Verbrecher (den Verbrechern), die Rekonstruktion des Tathergangs, die Suche und Aufklärung des (Mord-)motives, die Lösung des Falls und Überführung des Täters. Christies Romane sind somit „Rätselkrimis“ und „Cozies“, in denen die durch das Verbrechen verursachte Unordnung durch den Detektiv wieder in Ordnung gebracht wird. Ihre Detektive wie etwa Hercule Poirot oder Miss Marple verfügen über analytisches Denken, tragen die „clues“ gewissenhaft zusammen, kommen aber auch manchmal an Grenzen. Dabei sind sie als skurrile Gestalten angelegt, die das Interesse des Lesers wecken. Weitere Roman von Agatha Christe sind etwa „The Murder of Roger Ackroyd“ (1926, dt. „Alibi“), „The Murder in the Vicarage“ (1930, dt. „Mord im Pfarrhaus“), „Murder on the Orient Express“ (1934, dt. „Der rote Kimono“ bzw. „Mord im Orient Express“) und „The ABC Murders“ (1936, dt. „Die Morde des Herrn ABC“). Während die englischen Originalausgaben bereits in den 20er und 30er Jahren erschienen, kam die erste deutsche Übersetzung „Rächende Geister“ erst 1947 heraus und die eigentliche Rezeption von Agatha Christie in Deutschland erfolgte in den 50er Jahren(!).

Eine weitere wichtige Autorin des „Goldenen Zeitalters“ ist Dorothy L. Sayers (1893-1957), die mit ihrem Lord Peter Wimsey eine Paradefigur des Dandys als Detektivs geschaffen hat. Wimsey gehört der obersten Schicht an und da er dort keine Funktion erfüllen muss, widmet er sich aus reinem Vergnügen der Verbrecherjagd. Wichtige Romane sind „Clouds of Witness“ (1926, dt. „Diskrete Zeugen“), „The Unpleasentness at the Bellona Club“ (1928, dt. „Ärger im Bellona-Club“), „Whose Body?“ (1930, dt. „Ein Toter zuwenig“) „Have His Carcase“ (1932, dt. „Zur fraglichen Stunde“) „Murder must Advertise“ (1933, dt. „Mord braucht Reklame“) und „Gaudy Night“ (1935, dt. „Aufruhr in Oxford“). „Gaudy Night“ ist ein besonderer Detektivroman – zählt er doch zu den sogenannten „Oxfordkrimis“ und einige Kritiker sehen in ihm gar keinen richtigen Krimi. So gibt es keinen Mord, das Verbrechen besteht hier in Drohbriefen und Verleumdungen, welche die Studentinnen und Dozentinnen eines Oxforder Colleges bekommen bzw. ausgesetzt sind. Harriet Vane, eine Freundin von Wimsey und ehemalige Studentin in Oxford, ermittelt im College ohne Erfolg, so dass Lord Wimsey zur Hilfe gerufen wird und Harriet Vane vor einem Mordanschlag retten kann. Entscheidend bei „Gaudy Night“ ist, dass die beiden Detektive nicht mehr von außen die Täterermittlung durchführen, sie sind derart in die Handlung verstrickt und persönlich davon betroffen, dass sie die Überführung des Täters als beteiligte Figuren erleben und diese auch für sie lebensnotwendig ist. „Gaudy Night“ zählt weiterhin zu den Krimis mit gehobenen literarischen Ansprüchen, viele Elemente im Krimi sind romanhaft, die Darstellung des Lebens im College nimmt sehr viel Raum ein.

Ein weiterer Vertreter des „Goldenen Zeitalters“ ist John Dickson Carr (1906-1977), der mit seinem Roman „The Hollow Man“ (1935, dt. „Der verschlossene Raum“) ein Paradebeispiel für ein „locked-room-mystery“ liefert. Es gibt eine Reihe von Autoren die noch zu nennen wären, wie etwa Ellery Queen (wohinter sich die Autoren Frederic Dannay (1905-1982) und Manfred B. Lee (1905-1971) verbergen), Josephine Tey (1897-1951), S.S. van Dine (Pseudonym für Williard Huntington Wright, 1888-1939), Margery Allingham (1904-1966) oder Rex Stout (1886-1975), der mit seinem Nero Wolfe einen klassischen „Armchair Detective“ erschuf.

Das Ende des „Goldenen Zeitalters“ wird oft mit dem Jahr 1939, also dem Beginn des zweiten Weltkriegs, datiert. Trotzdem wurde die Tradition des Detektivromans auch bis in unsere Zeit fortgeführt, zum Teil mit Varianten, aber der Kern (Mord, Mordermittlung, Aufklärung, Täterüberführung) blieb bestehen. Zu den wichtigen Autorinnen, die der Tradition des Detektivromans verpflichtet sind, gehören unter anderem Margaret Millar, P.D. James oder aber Martha Grimes .

Eine weitere Variante des Detektivromans liefert Georges Simenon (1903-1989) mit seinen „Maigret“-Romanen. Maigret ist kein überheblicher Detektiv, er ist tief verbunden mit dem kleinbürgerlichen Milieu, in dem er ermittelt. Die Opfer erscheinen bei Simenon oft als schlechte Charaktere, so dass der Leser mit dem Täter sympathisieren kann. Maigret ist kein Superheld wie etwa Sherlock Holmes, er ist sehr menschlich, hat Launen und kann sehr kurz angebunden sein. Ihn interessiert bei seiner Ermittlungsarbeit nicht so sehr das „Wer war es?“ (Whodunit?) – sondern das „Warum?“, das Motiv der Tat und die psychologischen Hintergründe. Ähnliche Strukturen lassen auch die Krimis von Friedrich Glauser (1896-1938) erkennen, der mit Wachmeister Studer ebenfalls einen kleinbürgerlichen Detektiv erfunden hat.

Und die Entwicklung des Detektivromans ging weiter: So kann man heute etwa zwischen Frauenkrimis, Kinderkrimis, Gerichtskrimis, Katzenkrimis, historischen Krimis oder Krimis unterscheiden, die in einem bestimmten Milieu spielen, wie etwa in Bibliotheken oder Universitäten, im Milieu des Pferdesports oder in schwulen Kreisen. Ob dies alles sinnvoll ist, sei einmal dahin gestellt.

Doch neben all diesen Varianten, die mehr oder weniger dem Detektivroman nahe stehen, entwickelten sich auch eigene Unterarten des Kriminalromans, die mit dem Detektivroman nicht mehr viel gemeinsam haben. So etwa der Thriller, die Hard-boiled-Krimis oder etwa die Spionage- und Agententhriller.


Nun, was soll der – sehr verkürzte – Ausflug in die Geschichte? Zeigt er doch, dass am Anfang der Mord war, der aufgeklärt werden musste, eine Ordnung, die kurzzeitig ins Chaos stürzte, wurde am Ende wieder hergestellt, es war alles wieder heile. So simpel sind heute Kriminalromane glücklicherweise nicht mehr.

Was aber erwarte ich als Leser von einem Kriminalroman?
Spannung, überraschende Wendungen, glaubhafte Figuren, glaubhafter Plot, passende, gelungene Sprache, Verwirrung, surreales Erzählen, Reflexionen zur Zeit, Gesellschaftskritik, Statement, Denkanreiz, fremde Welten, die glaubhaft dargestellt werden, Sex, Erotik, Exotik, Liebesgeschichte, Unterhaltung….??? Wie stellt dpr im Hinternet-Weblog fest:

Well, that’s fucking Hochliteratur indeed, wie man es in früheren, besseren Zeiten nennen durfte, als nicht anämische Ich-Forscher, Befindlichkeitshanseln und Icke-hab-ne-Botschaft-Posaunisten die stolze Galeere enterten, auf der sich die Meister keuchend in die Riemen legten. Heutzutage segelt das Schiffchen harmlos über die Meere des Flachsinns, die Ozeane der geistigen Untiefe, vom schwindsüchtigen Atem der Literaturkritik in die Segel gepustet. Doch lassen wir das.


Nee, genau das sollten wir nicht lassen, enthält dieser Auszug, wenn auch ex negativo, einen guten Ansatz, wie Kriminalliteratur nicht sein sollte. Sach ich jetzt mal so….

Entwickelt sich der Krimi weiter?
Hoffentlich tut er das. Der Blick über den deutschen Tellerrand hinaus zeigt, dass es durchaus spannende Entwicklungen gibt – siehe etwa Lateinamerika, siehe Asien, siehe Afrika. Selbst im trüben, deutschen Krimieinerlei, zwischen Plagiaten, Abgekupfertem, Ausgelutschtem, regionalem-Hund-Katze-Klosett-Krimi, finden sich Perlen. Wir werden sehen, wie es weiter geht. Wenn zur Entwicklung das Spiel mit dem Genre und seinen Regeln nötig ist (es ist nötig), dann bitte: Ich lasse mich überraschen. But that’s not my business – ich schreibe keine Krimis, ich lese sie nur. Warum zerbreche ich mir eigentlich mein zartes Köpfchen mit Dingen, über die sich ganz andere Damen und Herren mal verstärkt Gedanken machen sollten? Dennoch, eine Regel gilt für Krimiautor/innen auf jeden Fall, ob traditionell, modern, postmodern oder wie auch immer:

DU SOLLST NICHT LANGWEILEN!


Und jetzt geh‘ ich Krimi lesen – hab‘ ich mir verdient….

P.S.: Gaaaaanz wichtiger Link: A Guide to Classic Mystery and Detection. Immer einen Klick wert.