Diskussionskultur

vom Krimiblogger

Die Zeiten werden härter, der Wind wird rauer. Besonders kräftiger weht er derzeit durch die deutsche Krimiblog- und Krimikritik-„Szene“. Beliebt in diesen stürmischen Zeiten: Leser beschimpfen und Kollegen herunter putzen. Was mancher vielleicht als „Diskussionskultur“ sieht, löst bei mir eher Erschrecken aus. Der Ton, der da mittlerweile angeschlagen wird, schwankt zwischen Aggressivität und Beleidigung.

So erstaunt es mich schon, dass Dieter Paul Rudolph, bekannt auch unter seinem Kürzel dpr, immer wieder auf die Leser eindrischt. Seit vergangenem Samstag können wir etwa beim → “Titel-Magazin“ folgende Feststellung lesen:

“Der Patient, der da seinen Verstand aushaucht und auf gröbste Wiederherstellung hofft, ist der Leser.“


dpr verkauft seinen Text zu Stieg Larson als Polemik. In seinem Blog „watching the detectives“ → lesen wir:

„LeserInnen folgen nicht nur gerne der großen Herde und vertrauen darauf, dass wer im Fernsehen Bücher anpreist über einen absolut guten Geschmack verfügen muss (sonst wäre der oder die ja nicht im Fernsehen!), sie lieben es auch, im eigenen Saft zu schmoren.“

Schon im Oktober konnten wir unter dem Titel → „Warum ich Krimis hasse“ ein besonderes Schmankerl des “scharfen“ Kritikers aus dem Saarland genießen:

“Wer Krimis zum bloßen Amüsement liest, fügt sich fröhlich in die große Volksverdummung, ohne die eine Demokratie überhaupt nicht funktionieren kann. (…) Krimis werden notorisch von Mördern gelesen. Das ist so. Mörder, die sich als Opfer fühlen. Sie suhlen sich pudelwohl in der Diktatur der Hirnerweichung, sie fressen ihren Spargel, ihre Lendchen, sie saufen ihren Wein, ihren Cognac, während um sie herum Krimi gespielt wird, während das große Abschlachten endlich jenen Eventcharakter erreicht hat, der auch von Analphabeten, Nichtdenkern und sonstigen Großkotzen „verstanden“ werden kann, weil man keinen Verstand dazu braucht. “

In diesem letzten Text geht es um die – in der Tat furchtbare – Krimikombinatorik: Mord + Wein, Leiche + lecker Essen, usw. Das sind ekelhafte Auswüchse und Kritik ist mehr als angebracht. Ebenso schlimm sind die „lustigen“ Events, mit denen diese „Kriminalliteratur“ unters Volk gebracht werden soll. Ja, das ist furchtbar – aber es ist auch nicht neu. Berechtigt dies einen Kritiker dazu, das Publikum zu beschimpfen? Eine Publikumsbeschimpfung, die sich vermutlich selbst ganz toll findet, die aber auf den “verdummten“ und verdutzten Leser einfach nur abschreckend wirkt. Niemand will so beschimpft werden und niemand wird sich diesen Schuh anziehen. Aufrütteln – ja, unbedingt. Beleidigen – nein, danke!

Man mag ja als Kritiker oft genervt und enttäuscht sein über das, was „das Publikum“ (wie auch immer das genau aussieht) in der breiten Masse liest. Ja, ich finde es zum Beispiel auch furchtbar, dass eine Elizabeth George mit ihren Krimischmonzetten regelmäßig die Bestsellerliste erklimmt. Dass dieser Unsinn in Foren wie der Krimi-Couch auch noch in aller Breite diskutiert wird – bei mir löst es Kopfschütteln aus. Aber: Das alles gibt mir noch lange nicht das Recht, die Leser und Leserinnen dieser Literatur pauschal als Nichtdenker oder gar “Mörder“ zu beschimpfen. Von oben herab. Das ist nicht nur eitel und selbstverliebt, das ist schlichtweg unverschämt.

Noch dreister wirkt eine solche Beschimpfung, wenn man sieht, dass Dieter Paul Rudolph seit einiger Zeit auch hoch gelobter Krimiautor und Mitherausgeber des Krimijahrbuchs ist. Keine Frage: Der Mann hat sich durch seine “alten Krimis“, durch die „Criminalbibliothek“ und durch das “Krimijahrbuch“ um die Kriminalliteratur und die Krimikultur verdient gemacht. Doch seine aktuellen Entgleisungen, die womöglich als Polemik oder Kritik verstanden werden wollen, letztlich aber einfach nur unbefriedigte Eitelkeit offenbaren, beeinträchtigen diesen guten Ruf – egal, ob als Kritiker, Herausgeber oder Krimischaffender.

Schreien, Stampfen oder Pöbeln

Nun kann man recht schadlos gegen eine anonyme Masse poltern und draufschlagen. Doch es sind nicht nur “die Leser“, die die dpr’sche Verachtung trifft. Auch auf Kollegen wird neuerdings von dpr aus einer – vermeintlichen – erhobenen Position eingedroschen. Die immer wiederkehrenden Sticheleien gegen mich („frustierter Gelegenheitsblogger“, „… und der „Ripper Award“ ist wohl nur für ihn erfunden worden, um Stoff für die Menke’sche Entrüstung zu liefern.“) haben nichts mit inhaltlicher Auseinandersetzung zu tun. Woher sie rühren, weiß ich nicht. Auch wenn er es immer wieder betont und verzweifelt “Auseinandersetzung“ ruft und um Reaktionen bettelt: Um eine sachliche Auseinandersetzung geht es dpr offensichtlich schon längst nicht mehr.

Um es klar zu sagen: Wer austeilt, muss auch einstecken können. Daher ringen mir diese Seitenhiebe nur ein müdes Lächeln ab. Genauso, wie die dann doch eher bescheidenen Reaktionen auf seine Aufrufe nach “Diskussion“. Wer solche Sätze, wie die oben zitierten, schreibt und bloggt, der darf sich nicht wundern, dass den meisten Leuten die Lust an einer Auseinandersetzung vergeht. Kommunikation – eines der Zauberwörter aus der dpr’schen Denkfabrik – funktioniert nicht durch Schreien, Stampfen oder Pöbeln.

Doch das Repertoire des dpr umfasst noch eine härtere Gangart:

„Hoffen wir, dass Bussmers Vorstellungen von Kriminalliteratur Bussmers Vorstellungen von Kriminalliteratur bleiben und nicht etwa zur „Konvention“ werden. Man müsste das Lesen von Literatur sonst nämlich glatt einstellen.“

Gefallen sind diese Sätze in einer “Diskussion“ um das Buch “Sterbezeit“ von Norbert Horst. Sie beziehen sich auf → Ausführungen von Axel Bussmer, der in einer Kritik zu eben jenem Buch das unglückliche Bild von einem „Vertrag zwischen Autor und Leser“ gewählt hat. Das ist auch in meinen Augen von Axel ein Missgriff, so wie sein ganzer Text meiner Meinung nach eher verunglückt ist. Kenne ich. Ist mir auch schon passiert. Diskussionsbedarf? Ja, gerne. Denn bei der Vorstellung von einer Literatur, die durch „Verträge“ bestimmt wird, gruselt es mich auch.

Aber: Man kann nicht nur, man muss das auf einer sachlichen Ebene und vor allem gleichberechtigt diskutieren. → Bei Dieter Paul Rudolph jedoch bekommt seit einiger Zeit jeder verbal „eins in die Fresse“ (um es mit einem berühmten deutschen Krimikritiker zu sagen), der sich dem dpr’schen Gebot vom „richtigen Lesen“ und „richtigen Lesarten“ nicht unterwirft. Jeder, der es auch nur wagt, Texte anders als der Meister selbst zu lesen – das heißt, sie zu interpretieren – dem wird jegliche Legitimation abgesprochen. Das ist hochgradig verletzend, selbstherrlich und verachtend. Die oben zitierten Sätze sind einfach nur schlimm. Um so mehr bewundere ich Axel dafür, dass er trotzdem in diese „Diskussion“ eingestiegen ist. Letztlich kann er sie aber nur verlieren.

Dem Blogger, Kritiker und Krimiautor aus dem Saarland ist es offenbar mittlerweile sehr wichtig, sich gegen das lesende Krimiprekariat und unliebsame Blogger-Kollegen knallhart abzugrenzen und seine Überheblichkeit zu pflegen. Dabei mag eine gewisse Arroganz ja noch ganz charmant sein – schließlich kann und darf Bloggen auch ein Egotrip sein. Aber es gibt Grenzen – spätestens im Umgang mit Andersdenkenden – und die überschreitet dpr seit einiger Zeit immer wieder. Noch schlimmer wird diese Entwicklung, wenn dann auch noch einige seiner Mitstreiter in den Pöbel-Chor mit einstimmen. Da fällt einem sonst so sprachverliebten Georg nichts anderes als ein albernes “Boing!“ ein. Bernd baut emsig meterhohe Barrikaden aus Zitaten auf, hinter denen man sich dann wunderbar verstecken kann und wo eine eigene Meinung nicht nötig ist. Anobella schließlich tut das, was sie immer schon gut konnte: Belanglosigkeiten einwerfen und jeden Ansatz von ernsthafter Diskussion mit Lächerlichkeiten abwürgen. Der einzige, der sich im Zuge dieser wirklich unsäglichen Diskussion um „Verträge“ respektvoll gegenüber Axel verhalten hat, war Claus. Wenn das Eure Art ist, in der in Zukunft diskutiert werden soll – macht das. Ich möchte damit nichts zu tun haben.