Lustige Luftnummer

vom Krimiblogger

Die Blender Santiago Gamboa: Die Blender

Ein geheimnisvolles Manuskript des chinesischen Dichters Wang Mian mit dem Titel „Weite Transparenzen der Luft“ führt drei Männer in Peking zusammen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Da ist Suárez Salcedo, ein in Paris lebender Radioredakteur aus Kolumbien, der unter dem Vorwand, eine Reportage über Katholiken in China anfertigen zu müssen, von seinem Chef überstürzt nach Peking geschickt wird. Sein wirklicher Auftrag, den er erst später erfährt: Er soll dieses geheimnisvolle Manuskript suchen und nach Frankreich schmuggeln.

Gleichfalls überstürzt reist auch der deutsche Sinologe Dr. Gisbert Klauss nach Peking. Zufällig hatte er während einer Parisreise ein Exemplar des Tagebuchs von → Pierre Loti, französischer Marineoffizier und weitgereister Autor, in die Hände bekommen. Fasziniert von Lotis Schilderungen des → Boxeraufstandes im Jahre 1900 beschließt Klauss, seinem langweiligem Alltag durch eine abenteuerliche Reise ins Reich der Mitte eine Abwechslung zu verpassen.

Tapetenwechsel braucht auch der Dritte im Bunde, der erfolglose Schriftsteller und Professor Nelson Chouchén Otálora, geboren in Peru, nun aber in den USA lebend.
Steigt er gerade nicht den Studentinnen nach, träumt er von einer großen Karriere als Literat, von inniger Freundschaft mit Vargas Llosa und García Márquez sowie von Telefongesprächen mit Susan Sontag. Der Alltag sieht scheußlicher aus: Gerade erst hat er eine peinliche Intrige eines Widersachers überstanden, da entscheidet sich Chouchén zu einer Reiser nach Peking, um dort seine Wurzeln zu suchen. Schließlich kam sein Großvater aus China und dessen Aufzeichnung machen dem Enkel klar, das sich sein Großvater heldenhaft während der Kämpfe des Boxeraufstandes schlug.

Verschämte Lektüre eines Spionageromans

Gegen Ende des Romans treffen alle drei Männer auf einem alten Dachboden zusammen, um über das Schicksal des so begehrten und gefährlichen Manuskript zu beraten. Die „weiten Transparenzen der Luft“ – nur noch als Originalhandschrift vorhanden – ist nämlich das Manifest einer Sekte, die sich heute „Weiße Lilie“ nennt, die aber Anfang des 20. Jahrhunderts → Yi Ho Tuan hieß und für den Boxeraufstand verantwortlich war. Bis zu ihrer unfreiwilligen Zusammenkunft allerdings müssen die drei Blender, wie sie der Titel nennt, im exotischen Peking reichlich Abenteuer bestehen. Verführerische Frauen und undurchsichtige Buchhändler, kleinwüchsige Agenten und verschlossene Priester, sie alle kreuzen den Weg der drei Antihelden, die sich mannhaft den großen Herausforderungen stellen.

Heiter und beschwingt erzählt der kolumbianische Autor Santiogo Gamboa seine spannende und schräge Spionage- und Verschwörungsstory. En passant verpasst er dem Literaturbetrieb noch den einen oder anderen Seitenhieb: Ob sein verträumter Literat Chouchén dem Boom der lateinamerikanischen Litertur hinterher hechelt oder ob Sinologe Klauss, Verkörperung des lebensunfähigen Literaturwissenschaftlers, verschämt und schüchtern einen Spionageroman von → John Le Carré verschlingt – Gamboa wirft einen augenzwinkernden Blick auf die Menschen, die ihr Geld mit der schönen Literatur verdienen.

Mit wirklicher Spannungsliteratur hat dies zwar wenig zu tun, aber leichter und vor allem lustiger Lesestoff sind die „Blender“ auf jeden Fall. Mit seiner frischen Brise und seinen luftigen Kapriolen – man denke an den Titel des begehrten Manuskriptes – liefert → Santiago Gamboa eine ideale Lektüre für einen heißen Sommernachmittag.

Santiago Gamboa: Die Blender / Aus dem kolumbianischen Spanisch von Stefanie Gerhold. – Berlin : Wagenbach, 2005
ISBN 3-8031-3195-2

Originaltitel: Santiago Gamboa: Los impostores. – Barcelona : Seix Barral, 2002

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