Die einsame Angst des Lesens Lesers
vom Krimiblogger
Lesen ist eine einsame Beschäftigung. Ein Beschäftigung, der ich am liebsten zu Hause nachgehe: In meinem Sessel, auf dem Sofa oder gut zugedeckt auf dem Bett. Wenn ein Buch – bei mir häufig ein Kriminalroman – gut ist, dann tauche ich für ein paar Stunden ab. Ich bin dann allein, mein einziger Kontakt zur Außenwelt sind die Worte des Autors oder der Autorin. Jetzt, wo der Sommer da ist, geben mir Freunde gerne den Rat, doch raus zu fahren, sich irgendwo auf die Wiese zu legen, die Sonne zu genießen und dabei ein Buch zu lesen. Ich habe das versucht – ich mag es nicht. Ich lasse mich zu schnell und zu leicht ablenken. Ich brauche zum Lesen Ruhe und vor allem Einsamkeit.
Selbst die drei, vier Seiten, die ich morgens in der U-Bahn lese, sind eigentlich verschwendet. Wenn ich abends zu Hause auf dem Sofa sitze und mein Buch wieder aufschlage, lese ich die in der U-Bahn gelesenen Seiten noch einmal. Eine schöne Verschwendung, der ich gerne nachkomme. Ich liebe auch die Einsamkeit des Lesens. Ich mag das Gefühl, bei mir zu sein und mich doch in fremden, neuen Welten zu bewegen. Am liebsten aber in der geborgenen Umgebung meiner Wohnung. Ein Stück Sicherheit, denn ich weiß beim Lesen ja nie, wohin mich der Autor oder die Autorin gerade schickt: Eine wilde Verfolgungsjagd durch eine Stadt, ein grauenhafter Krieg, ein Gang durch die stinkenden Gassen eines Molochs, eine beklemmende Situation in einem steckengebliebenen Fahrstuhl, kalte Räume in der Pathologie – es ist gut zu wissen, dass ich dann zu Hause bin. Das da ein Autor ist, der sich dies alles ausgedacht hat, hilft mir nicht wirklich. Der Gedanke kommt selten auf. Wie beim Fliegen, vor dem ich auch eine fürchterliche Angst habe. Sitze ich in so einer wackelnden Kiste, 10.000 Meter über dem Erdboden, kann ich mir auch hundertmal vorbeten, das Fliegen statistisch die sicherste Fortbewegungsart ist – es nützt mir nichts. Die Angst bleibt. Wie beim Krimilesen – wenn der Krimi gut ist. Die Angst bleibt. Wenn der Krimi sehr gut ist, dann bleibt die Angst da – selbst wenn ich das Buch schon vor Stunden zugeklappt habe.
Kommentare
Hallo Ludger,
schön, dass ich nicht der Einzige bin, der nicht „in Gesellschaft“ lesen kann! Man hat manchmal schon ein schlechtes Gewissen, wenn sich die „Muss-Lektüre“ stapelt und man die Stunde, die man insgesamt morgens und abends im Zug sitzt, nicht nutzt. In letzter Zeit habe ich mir angewöhnt, wenigstens Theoretisches im Zug zu lesen. Klappt leidlich. Allerdings: Man kommt halt nicht mehr dazu, seine Umwelt zu beobachten, was – neben dem Lesen – eine absolut notwendige Beschäftigung ist.
bye
dpr
Ein Text, der mir aus der Seele spricht, auch wenn ich immer ein Buch in der Tasche habe, um Wartezeiten zu überbrücken (erspart eine Menge schlechter Laune). Der wahre Lesehimmel sind die eigenen vier Wände.
Allerdings: Kann Lesen Angst haben? Ist es nicht eher die einsame Angst des Lesers?
Ja, liebe Regina, Du hast Recht: Die Formulierung der Überschrift ist nicht ganz korrekt. Ich hätte wohl eher „Die einsame Angst beim Lesen“ oder „Die einsame Angst des Lesers“ schreiben müssen. Es freut mich aber, dass es Dir und auch dpr ähnlich wie mir geht. Ich ernte oft nur Kopfschütteln, wenn ich an diesen warmen Tagen lieber in der Wohnung alleine bin, mit meinem Buch. Auch ich trage ständig mindestens ein Buch mit mir herum, eben für Wartezeiten oder die kurzen Fahrten mit der U-Bahn. Wirklich konzentrieren kann ich mich aber in der Regel nicht auf den Text. Selbst bei längeren Bahnfahrten fällt mir das Lesen schwer, obwohl ich natürlich trotzdem mit einem Buch im Abteil sitze. Vermutlich bin ich ein Auslaufmodel, weil ich nicht, wie es so schön heißt, „multitaskfähig“ bin.
>Auslaufmodel, weil ich nicht, wie es so schön heißt, “multitaskfähig†bin
Kein Auslaufmodell, sondern Modell Mann, systembedingt nicht multitaskingfähig 😉
Im übrigen läßt es sich vielleicht auch gut auf dem Balkon oder im Garten lesen. Für die Freunde…