Mord, Magie und Mafia

vom Krimiblogger

Gesetz der FamilieWeil es ganz frisch als Taschenbuch veröffentlicht wurde, habe ich die Besprechung zu John Fuscos „Das Gesetz der Familie“ mal aus dem Archiv gekramt.

Saukiwog ist ein kleines Städtchen in Neuengland, das schon bessere Zeiten erlebt hat. Die Messingindustrie, einst Garant für bescheidenen Wohlstand, machte die Tore ihrer Fabriken dicht und setzte ihre Arbeiter auf die Straße. In dieser „Achselhöhle Neuenglands“, wie sie spöttisch von neureichen Kindern aus Greenwich und Westport genannt wird, haben viele Einwanderer aus aller Herren Länder eine neue Heimat gefunden. Zum Beispiel im „kleinen Stiefel“, dem italienischen Viertel, in dem der 12-jährige Nunzio Paradiso mit seiner Familie lebt. Nunzios Vater ist Schrotthändler und in diesem Sommer – man schreibt das Jahr 1979 – soll für Nunzio alles anders werden. Zum ersten Mal muss Nunzio, zusammen mit seinem älteren Bruder Danny, im väterlichen Betrieb helfen. Ein Ferienjob, der für Nunzio eine böse Überraschung bereit hält. Kaum auf dem Schrottplatz angekommen, entdeckt er im Kofferraum eines Wagens eine Leiche. Bevor er jemand von dem Leichenfund berichten kann, verschwindet das Autowrack in der Presse.

Keiner will ihm glauben, was er da im Auto gesehen hat. Schließlich ist Nunzio ein Junge mit viel Phantasie, die er seinen zahlreichen Tanten und Verwandten zu verdanken hat. Die Familie Paradiso verfügt über ein reiches Repertoire an Geistergeschichten und Aberglauben. Nur Nunzios älterer Bruder schenkt ihm Gehör und so versuchen die Beiden herauszufinden, wer der rätselhafte Tote ist. Durch Zufall entdeckt Nunzio in einem alten Familienalbum den verstoßenen Cousin Angelo, einen ehemaligen Cop. Die beiden Brüder suchen das schwarze Schaf der Familie auf und bitten ihn um Hilfe. Seit einem Unfall lebt Angelo in einer heruntergekommenen Sozialsiedlung, ist gelähmt und sitzt im Rollstuhl. Zudem hat Angelo – im wahrsten Sinne des Wortes – eine tierische Haushaltshilfe und immer noch gute Kontakte in die Unterwelt von Saukiwog. Zunächst lehnt Angelo vehement jede Unterstützung ab, schickt dann aber seine persönliche Taxifahrerin, die schwarze Möchtegern-Souldiva Johnny vorbei, um gemeinsam auf Mörderjagd zu gehen.

Das schräge Quartett will herausfinden, wer der Tote ist und wer ihn auf dem Gewissen hat. Ihre Ermittlungen führen sie nicht nur in eine dubiose Kneipe, ein verwahrlostes Autokino und ein zwielichtiges Sonnenstudio, sondern auch zu frommen Nonnen und in die angesehenen Kreise der Stadt. Die Mafia scheint am Werk zu sein und selbst der Bürgermeister steckt offenbar tief im Sumpf aus Macht, Machenschaften und Mord. Eine dezent versteckte Autobombe macht Nunzio und seinen Helfern klar, dass sie ihre neugierigen Nasen nicht zu tief in diese schmutzigen Geschäfte stecken sollten.

Gelungene Mischung

John Fusco hat lange Zeit als Autor für Hollywood gearbeitet und unter anderem das Drehbuch für den Western „Young Guns“ (1988) geschrieben. Seine Filmerfahrung merkt man auch seinem ersten Roman „Das Gesetz der Familie“ an: Schnelle Schnitte, bildreiche Sprache und eine Erzähldramaturgie, die jedem besseren Hollywood-Streifen gut zu Gesicht stehen würde. Er weiß, wie man Spannung und Action erzeugt, ohne dabei auf Komik und Gefühl zu verzichten. Sein Roman ist eine ideale Vorlage, die geradezu nach einer Verfilmung schreit. Doch Fuscos Roman ist durchaus mehr, als „nur“ eine Filmvorlage. Der Autor ist auch ein unterhaltender und kraftvoller Erzähler, dem man die Freude an Sprache und Geschichten anmerkt.

Fuscos Dialoge sitzen perfekt, seine schrägen Figurenzeichnungen sind gelungen und mit viel Liebe zum Detail fängt er das Leben in einer heruntergekommen Industrie- und Einwandererstadt an der amerikanischen Ostküste ein. Hier hat der Übersetzer Eike Schönfeld, der schon durch seine Neuübersetzung von J.D. Salingers „The Catcher In The Rye“ von sich Reden machte, fabelhafte Arbeit geleistet. Seine Übertragung liest sich flüssig und gut.

Fazit: Mit seiner gelungenen Mischung aus Mafiageschichte, Familienepos, Märchen und Entwicklungsroman erinnert John Fusco durchaus an manche Erzähler des magischen Realismus, ohne allerdings deren Tiefe zu erreichen. Fusco will unterhalten und das gelingt ihm auch auf formidable Art und Weise. Ein schöner Schmöker für einen heißen Sommerabend.

John Fusco: Das Gesetz der Familie / Aus dem amerikanischen Englisch von Eike Schönfeld. – München : dtv, 2005
ISBN 3-423-20818-X
Originalausgabe: John Fusco: Paradise Salvage. – London : Scribner, Simon & Schuster, 2001

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