Frisch vom Kiosk

vom Krimiblogger

Freitag
Presseschau: Relaunch der Wochenzeitung „der Freitag“ / Neues Kulturmagazin „Cargo“

Ein alter Bekannter im neuen Gewand und ein Frischling warten seit heute am Zeitungskiosk. „der Freitag – das Meinungsmagazin“ hat unter der Führung von → Jakob Augstein, Sohn des SPIEGEL-Herausgebers Rudolf Augstein, eine neue Ausrichtung und Optik bekommen. Wie viele andere Print-Titel auch suchen die Berliner Redakteure ihr Heil in der Verknüpfung von Wochenzeitung und Internet. Schwerpunkt des → neugestalteten Internetauftritts ist die → „Community“, in der registrierte Leser ein eigenes Blog führen können und Artikel der Redakteure und Mitblogger kommentieren können. Und da ja alle Zeitungen seit einiger Zeit glauben, sie müssten auch noch auf den trendigen Video-Zug (Bewegtbild! Bewegtbild! Bewegtbild!) aufspringen, begrüßt der Verleger seine Leser auf der Internetseite nicht mit einem geschriebenen Editorial sondern per Videobotschaft.

Kernaussage: Der „Freitag“ wird zur Mitmach-Zeitung, wohl begründete Blogartikel der Leserschaft schaffen es auch in die gedruckte Ausgabe. Da sind sie dann doch wieder, die alten journalistischen Denkmuster, die Hierarchien zwischen Print und Online, bei denen Print immer als das qualitativ bessere Medium gilt. All die Online-Aktivitäten des „Freitags“ bekommen da einen faden Beigeschmack. Als Blogger frage ich mich schon, welchen Anreiz es geben sollte von meinem Medium in das der Papierwelt zu wechseln? Da nützt auch das ganze Redesign und Aufhübschen (und ja, sowohl Internetauftritt wie auch Papierausgabe sind schön) gar nichts. Das in der Online-Community ausgerechnet ein Artikel über Make-Up bei Männern derzeit der meistkommentierte Artikel beim „Freitag“ ist, könnte man, wenn man wollte, als schlechtes Vorzeichen sehen.

Cargo Kein Relaunch sondern eine Neuerscheinung ist das Magazin „Cargo. Film / Medien / Kultur“, dessen erste Ausgabe seit heute – rechtzeitig zur „Berlinale“ – an den Kiosken zu haben ist. Die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift legt den Schwerpunkt auf Film, was man beim ersten Durchblättern überhaupt nicht erwarten würde. Denn im Gegesatz zu den gängigen Filmzeitschriften liefert „Cargo“ viel, viel Text und geht dafür wohlüberlegt mit Bildern um. Das ist nicht nur entspannend, weil es der Bilderflut unserer Kultur einen klugen Kontrapunkt entgegensetzt, es ist auch von den Redakteuren sehr mutig. Wer startet schon in Zeiten von YouTube.com und sevenload.de ausgerechnet einen Print-Titel zum Thema Film? Wo doch alle Journalisten glauben, sie müssten im Internet so etwas wie Fernsehen machen? Anders im Magazin „Cargo“, in dem Bilder sparsam eingesetzt werden. Vor soviel Chuzpe muss man einfach den Hut ziehen, zumal die Autoren und Herausgeber, unter denen sich Ekkehard Knörer findet, der als Kritiker auch in Krimikreisen bekannt ist, ein Händchen für kluge und fundierte Texte haben. Leitgedanke dabei ist der Film als „Schlüssel zu unserem Leben in Gesellschaft und Gemeinschaft (und in der Geschichte), ein allgegenwärtiges Medium, das in Bildern, Tönen, Schnitten, Gesichtern, Körpern denkt, das uns unterhält und erregt, immer wieder große Erlebnisse verschafft und uns mit der Welt verbindet.“ – wie es im Editorial (geschrieben, nicht gefilmt) heißt. Gerade deshalb wissen die Redakteure um die Macht der Bilder – und der Texte.

Das zeigt auch die → Internetseite, die es zu dem Magazin gibt und die völlig unaufgeregt zur Diskussion und nicht zum aufgehypten Mitmach-Mischmasch einlädt. Im Blog des Magazins können selbstverständlich die Einträge der Redakteure kommentiert werden. Und natürlich verzichtet auch der Internetauftritt von „Cargo“ nicht auf multimediale Inhalte – was bei einem Magazin mit dem Schwerpunkt Film auch albern wäre. Aber: Die Redakteure wissen sehr genau, wie sie mit welchem medialen Formen umgehen, wie sie sie einsetzen können. Hier ist Kulturjournalismus am Werk, der den Blick schärft auf Neues, Unbekanntes, Großartiges und Abwegiges. Viel Erfolg dafür.