Filme, Fußball und Frauenkrimis

vom Krimiblogger

Aus dem Archiv: Filme, Fußball und Frauenkrimis – Interview mit Alexandra von Grote
Hinweis: Nachfolgendes Interview wurde erstmals im März 2003 auf der Internetseite „der-buecherfreund.de“ veröffentlicht.

Ein trüber Märztag in Hamburg. In einem kleinen Cafe auf der Langen Reihe herrscht nur wenig Betrieb. Es ist die Zeit, da der mittägliche Hunger gestillt ist. Für einen abendlichen Aperitif scheint es jedoch noch zu früh zu sein. Während draußen der Feierabendverkehr einsetzt, Menschen mit ihren Einkaufstüten am Fenster vorbei hetzen, sitze ich in ruhiger Atmosphäre mit der Autorin Alexandra von Grote in dem kleinen Cafe. Wir sind für ein Interview verabredet. Mit wachen Augen erzählt sie mir von ihren letzten Begegnungen, wir plaudern über das Leben in Berlin, in der Provence und auch ein wenig über Hamburg. Als mir der Kellner nach einiger Zeit endlich meinen Milchkaffee bringt, ist auch das Aufnahmegerät bereit. Unser Interview kann beginnen.

der bücherfreund: Frau von Grote, Ihr vierter Florence-Labelle-Krimi spielt während der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich. Mögen Sie eigentlich Fußball?

Alexandra von Grote: Ja, klar, sonst hätte ich das Buch nicht geschrieben. Ich bin ein großer Fußballfan und sehe mir eigentlich jedes große Länderspiel und alle Weltmeisterschaften an. Das gebe ich offen zu.

der bücherfreund: Thomas Wörtche schrieb in seiner Kolumne „Leichenberg“ zu „Die Stille im 6. Stock“ „Der deutsche Grimmi hat sprachlich endgültig zum Lore-Roman aufgeschlossen“. Was sagen Sie dazu?

Alexandra von Grote: Da fällt mir nichts zu ein, weil andere auch ganz etwas anderes schreiben, was mit meinen Krimis ist – auch sprachlich gesehen. Wenn er das so sieht, dann kann ich das nicht entkräften, aber das sollen die Leser selbst entscheiden. Ich bin nicht der Meinung, dass es ein Lore-Roman ist. Wahrscheinlich hat er nie einen Lore-Roman gelesen.

der bücherfreund: Ihre Figur Florence Labelle ist von Berlin in die Provence gezogen. Auch Sie pendeln zwischen Berlin und der Provence hin und her. Gibt es mehr autobiografische Bezüge zu Ihnen?

Alexandra von Grote: Nein, zur Figur Florence Labelle gibt es keine autobiografischen Bezüge, außer, dass sie auch in Berlin eine Weile gewohnt hat. Aber sie hat ein ganz anderes familiäres Umfeld als ich habe und sie hat auch einen ganz anderen Beruf. Natürlich gibt es immer ein paar Charakterzüge von sich selbst, die man in seine Hauptfigur hineinlegt – im Handeln, im Denken. Das ist eigentlich alles.

der bücherfreund: In Ihrem dritten Florence-Labelle-Krimi „Das Fest der Taube“ arbeiten Sie deutlich den Unterschied zwischen dem einfachen Landleben der Dorfbewohner und dem luxuriösen Dasein ihrer Heldin heraus. Was können Sie über das Leben in der Provence sagen?

Alexandra von Grote: Das Leben in der Provence ist längst nicht so pittoresk, wie sich der Tourist das vielleicht vorstellen mag, wenn er die schönen Dörfer sieht, die wunderbaren Pflanzen und seinen Wein oder seinen Kaffee dort trinkt und die Sonne scheint – kurz: wenn er dort das Flair des Südens genießt. Hinter den Kulissen gibt es genau so viel Leid, so viel Tragik, Katastrophen im persönlichen und beruflichen Bereich wie überall auf der Welt. Das Interessante ist, dass meine Bücher auch von dem Kontrast leben. Sie versuchen, hinter die Kulisse zu schauen. Das Leben ist vielleicht ein bisschen ruhiger als es in Deutschland ist. Die Menschen dort sind etwas gelassener. Aber abgesehen davon gibt dort genau so viel Gutes und Schlechtes wie überall auf der Welt.

der bücherfreund: Ihre Bücher sollen also keine Urlaubssehnsüchte wecken?

Alexandra von Grote: Es wäre schön, wenn sie das täten und sich einige Leute in die Provence begeben würden, um dort einmal ein paar Wochen zu verbringen. Es ist sehr schön dort, aber ich schreibe keine Reiseliteratur, um den Tourismus in der Provence anzukurbeln.

„Mit den eigenen Abgründen konfrontieren“

der bücherfreund: Entgegen dem Trend in der Kriminalliteratur nehmen Sie das Privatleben ihrer Heldin weitgehend zurück. Warum?

Alexandra von Grote: Mich stört an Krimis immer, wenn das Privatleben der Kommissare so furchtbar ausgewalzt wird. Es gibt Ausnahmen, bei Mankell zum Beispiel stört es mich nicht so furchtbar. Aber es gibt andere, wo das ganze Privatleben dargelegt wird und dahinter der Plot und die Geschichte zurücktreten. Mich interessieren vielmehr die Menschen. Ein Kommissar oder eine Kommissarin haben eine Aufgabe zu erfüllen und sie beschäftigen sich mit den anderen und nicht so sehr mit sich selber. Um eine Geschichte zu erzählen, muss ich das Privatleben der Kommissar nicht so auswalzen. Es genügt, wenn ich es skizziere, weil es auch immer leicht – gerade im Fall von Florence Labelle – etwas Voyeuristisches haben könnte. Das möchte ich auf jeden Fall vermeiden, denn deswegen schreibe ich diese Bücher nicht.

der bücherfreund: Woher stammen die Anregungen für Ihre Geschichten und Figuren?

Alexandra von Grote: Die Figuren sind vollkommen erfunden. Sie entstehen, wenn man sich mit einem solchen Projekt befasst, eine solche Reihe zu konzipieren. Was brauche ich? Wie könnten diese Menschen sein? Was könnten sie für ein Leben haben? Man gibt ihnen Biografien. Die Ideen zu den Geschichten entstehen ganz unterschiedlich. Manchmal sind es Zeitungsnotizen, die Jahre zurückliegen. So zum Beispiel beim „Fest der Taube“. Da habe ich von diesen Bräuchen in Andalusien vor vielen Jahren etwas gelesen. Dann entsteht eine Geschichte daraus.

der bücherfreund:Warum schreiben Sie Krimis?

Alexandra von Grote: Weil ich selber sehr gerne Krimis lese und weil mit das Genre Krimi die Möglichkeit gibt, durch die Extremsituation eines Kapitalverbrechens die Menschen anders zu sehen, sie anders zu beleuchten. Sie sind in einer extremen Situation, sowohl die Täter als auch die Opfer. Um etwas über Menschen zu erfahren und sie darzustellen finde ich das Genre Krimi gut. Es geht um ein Kapitalverbrechen, wo sehr viel aufgebrochen wird, wo auch sehr viel dazu gehört, diese Grenze und diese Schranke zu überschreiten. In solchen Situationen möchte ich Menschen zeigen, ihre Schicksale und Verbindungen knüpfen, um etwas zu erzählen, was den Leser interessieren könnte. Möglicherweise eine Geschichte, die den Leser auch mit seinen eigenen Abgründen konfrontiert.

der bücherfreund: Welche Krimiautoren schätzen oder beeinflussen Sie?

Alexandra von Grote: Ja, da gibt es einige. Ich nenne: Elizabeth George, P.D. James, die Engländer lese ich sehr gerne. Natürlich auch sehr gerne George Simenon. Da übrigens nicht nur die Maigret-Krimis, sondern auch besonders seine anderen Romane, die weniger krimihaften Psycho-Stoffe, die zum Teil auch verfilmt wurden. Fünfzig Stoffe sind ja verfilmt worden, viele von Chabrol. Es ist die Hintergründigkeit die mich interessiert, was auch in meinen Krimis eine starke Rolle spielt. Das, was hinter der Fassade einer scheinbar intakten Welt passiert, wie zum Beispiel beim „Fest der Taube“.

der bücherfreund: Stichwort Frauenkrimis. Es gibt immer noch eine heiße Diskussion um dieses Genre, manche Kritiker und Autorinnen halten ihn für überflüssig und überholt, andere sagen, der Frauenkrimi ist immer noch wichtig. Sind ihre Florence-Labelle-Krimis Frauenkrimis und wenn ja, warum?

Alexandra von Grote: Es sind automatisch Frauenkrimis, weil Frauen eine wichtige Rolle spielen, aber ich würde sie nicht in das Genre „Frauenkrimi“ einordnen. Ich finde eine solche Kategorisierung in jeder Hinsicht – auch wenn man sagt „Lesbenkrimis“ oder es mag da noch andere geben – nicht gut. Ich finde es schädlich, weil damit auch breite Leserschichten unnötigerweise verschreckt werden. Ich möchte breite Leserschichten ansprechen und es sollen möglichst auch Männer, nicht nur meine, sondern viele Bücher lesen. Männer stellen ja nicht unbedingt das Gros der Leserschaft dar. Ich wehre mich gegen ein solches Label „Frauenkrimi“ und finde, das heute eine solche Kategorie auch überflüssig geworden ist. Es ist eher hinderlich und führt auf eine falsche Fährte.

„Viele schreiben zu lange an einer Reihe herum“

der bücherfreund: Sie haben auch als Filmregisseurin gearbeitet. Wie beeinflusst diese Arbeit das Schreiben von Krimis?

Alexandra von Grote: Sie beeinflusst es insofern, weil ich – wie es mir auch oft bestätigt wird – sehr bildlich schreibe. Ich denke in Bildern. Ich denke weniger in sprachlichen Geschichten, die sich aneinander reihen, sondern ich denke in einem Bild. Ich versuche, dieses Bild oder die Assoziation und das Gefühl, was man sonst vielleicht mit einem Bild belegen würde, zu beschreiben. Insofern ist die Arbeit, die man als Filmregisseur hat, wo man in Schnitten denkt, in Verkürzungen denkt, sehr hilfreich für die Art, wie ich schreibe. Das kann man mögen oder auch nicht. Ich weiß, dass es viele mögen. Das ist halt mein Stil, den haben auch nicht viele Autoren, aber der ist sicher auch dadurch begründet, dass ich eben eine lange Erfahrung im Filmbereich habe.

der bücherfreund:Ein Blick in die Zunkunft: Planen Sie einen neuen Film?

Alexandra von Grote: Es ist ja heute, wenn man anspruchsvolle Filme macht, nicht so furchtbar leicht. Ich habe ein großes Projekt, was seit vielen Jahren in Planung ist, was ich bisher aber noch nicht realisiert habe, weil die Finanzierung noch nicht steht. Mehr will ich dazu jetzt nicht sagen. Aber natürlich habe ich das Filmen nicht aufgegeben. Es ist heute nicht mehr so, dass ich sage ‚Ich muss um jeden Preis etwas machen, weil ich meinen Lebensunterhalt mit Filmen bestreite‘. Das muss ich nicht vom Filmen und insofern kann ich mir die Projekte aussuchen. Oder ich kann sagen, wenn das Projekt sich nicht so ergibt, wie ich das möchte ‚Dann mache ich es nicht‘. Das Projekt was ich aktuell plane, kann sich nur ergeben, wenn ich sehr viel Geld dafür habe, und das habe ich im Moment nicht.

der bücherfreund: Können Sie schon etwas zu der Verfilmung ihres ersten Florence-Labelle-Krimis sagen?

Alexandra von Grote: Soviel kann ich sagen: Das Drehbuch, was ich selber verfasst habe, ist fertig gestellt, es gibt einen Produzenten, es gibt Co-Produktionspartner, das es in diesem Jahr fürs Fernsehen gedreht werden soll. Der Drehbeginn soll im späten Sommer sein. Wenn alles unter Dach und Fach ist, gibt es auch die Besetzungsliste, die sehr interessant ist und einen genauen Dreh- und Sendetermin.

der bücherfreund:Wie sieht es mit weiteren Florence-Labelle-Krimis aus?

Alexandra von Grote: Das ist noch offen, dass mache ich auch ein bisschen nach Lust und Laune. Ich habe ein sehr interessantes, neues Projekt, was aber nicht ausschließt, dass Florence Labelle auch weitergeführt wird. Aber jetzt habe ich erst einmal etwas Neues. Man braucht immer wieder neue Anregungen. Man sollte auch nicht all zu lange an einer Reihe schreiben, denn irgendwann wird es langweilig. Das sieht man an vielen Reihen, da gibt es viele Beispiele. Ich will hier keine nennen, aber viele schreiben zu lange an einer Reihe herum. Das will ich vermeiden, aber dass heißt nicht, das ich mit Florence Labelle nicht weitermache. Nur jetzt habe ich ein für mich sehr viel spannenderes Projekt.

der bücherfreund: Ich bedanke mich für das Gespräch!

Link
→ Homepage von Alexandra von Grote