TagesSatz: Proust, Politik & Krimis
vom Krimiblogger
» Ein Krimi muß verständlich, spannend, vielschichtig und realistisch sein. Man ist es den Lesern schuldig, das Genre ernst zu nehmen. Literarische Kunststückchen haben da wenig zu suchen. Der Autor darf nicht ironisch mit dem Genre spielen; die Leser würden ihm das sofort verübeln. Natürlich darf es ironische, witzige Figuren geben. Aber ich werfe jeden Krimi in die Ecke, wenn ich merke: Der Autor hat ein schlüpfriges Verhältnis zu Verbrechen und Gewalt. Oder wenn ich merke, er will mir nur beweisen, welch geschickter Sprachkünstler er ist.«
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» Ach, wissen Sie, Proust ist ein solch beglückender Gigant, daß man ihn gar nicht in einem Atemzug mit dem Unterhaltungsgenre des Kriminalromans nennen mag.«
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» In der Wählerinitiative »Doofis für Merkel« hatte sich ja die eine oder andere Figur aus dem Kulturbetrieb eingefunden. Der Wunsch, auf seiten der vermeintlichen Sieger zu stehen, ist eben besonders groß unter den vogelfreien Geistesarbeitern. Nicht nur die von Ihnen genannte Kollegin, auch die früher für ein »linksradikales Metropolenmagazin« arbeitende Cora Stephan gehört dazu. Sie gestand noch zwei Tage vor der Wahl, daß sie mit »Erst- und Zweitstimme Angie wählen« wolle. Und Leander Haußmann vermeldete teutonisch, Merkel sei »eine harte Arbeiterin mit einer sauberen Weste«. Tja, was soll man sagen? Auch in unserer Branche gibt es halt reichlich unrasierte Stricher.«
Matthias Altenburg alias Jan Seghers im → Interview mit der Zeitung „Junge Welt“.
Kommentare
Ach wissen Sie, Herr Seghers,
Proust hätte überhaupt nicht kapiert, was Sie mit einem „Unterhaltungsgenre“ meinen. Dazu war er zu gigantisch, um solch kleinkarierte Unterscheidungen zu treffen.
„Der Autor darf nicht ironisch mit dem Genre spielen; die Leser würden ihm das sofort verübeln.“ Das ist ein Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Darf nicht – wird sofort verübelt. Hätten sich Autoren stets an das gehalten, was dem Publikum schmeckt, wären wir immer noch auf dem Niveau der Merseburger Zaubersprüche.
Und warum jemand, der für Angela Merkel ist, unrasierter Stricher genannt werden darf, jemand, der für Gerhard Schröder ist, aber scheinbar nicht – das bleibt auch Ihr Geheimnis. Sagt einer, der weder noch ist. Also ich werfe jeden Krimi in die Ecke, dessen Autor dummes Zeug plappert.
bye
dpr
Moin,
mir zeigt dieses schöne Interview, dass sich deutschsprachige Krimiautoren zu jedem Thema äußern sollten – Politik oder Proust – nur nicht zu Kriminalliteratur.
LG
Ludger