An Leo liegt’s
vom Krimiblogger
Wissen Sie wem wir die Hochkonjunktur von Regio-Krimis zu verdanken haben? Jörg Riebeling hat einen handfesten Verdacht:
„Regio-Krimis haben Hochkonjunktur. Wohl ausgehend von Leo Malets „Neuen Geheimnissen von Paris“ um den Privatdetektiv Nestor Burma aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts boomen die regional angesiedelten Kriminalromane auch in Deutschland. „
So ein Mist aber auch! Noch nicht einmal den Regionalkrimi haben sie erfunden, die deutschen Krimiautorinnen und -autoren.
Kommentare
Die Wissenslücken dieses Blogbetreibers sind wirklich haarsträubend. Bei „watching the detectives“ weiß man schon seit langem, dass etwa Berndorfs „Eifelkrimis“ von Malets „Eiffelkrimis“ abstammen. Nachsitzen, Herr Menke!
bye
dpr
Wohl zuviel Sekundärliteratur gelesen, lieber dpr?
… kann man gar nie genug, lieber Ludger, du siehst ja, wohin es führt, wenn man auf die „Lampertheimer Zeitung“ zurückgreifen muss.
bye
dpr
Naja, so abwegig finde ich diese These gar nicht. Die kleinteilige Kiez-Treue von Malet (und der relative Erfolg davon), das Identifizierbare, Überprüfbare, gar Heimelige, Stadtführerhafte hat den Transfer auf deutsche Verhältnisse (wider die Anonymität der Makrostrukturen) schon nahegelegt … neee, ne .. da ist was dran! Und unterschätzt nicht Provinzblätter, dort sitzen nicht per definition die dümmeren Köpfe, au contraire.
Schönen Abend, best
TW
Danke, lieber TW,
dass du uns in unserem Bemühen unterstützt, gewissen, mit den unstatthaften Mitteln modischer Optik operierenden Blogs die Wand zu zeigen, an der der Hammer hängt. Und im Ernst: Bei Malet funktioniert es ja durchaus, dass Topografie und Story einander bedürfen. Dass dabei ein Stadtführer herauskommt: bitteschön. Aber ob nun deutsche Autoren Malet zu ihrem Ahnvater erkoren? Hm, hm, daran zweifele ich. Könnte es nicht sein, dass Herr Preute Eifelkrimis geschrieben hat, die sich wie geschnitten Brot verkauften und sich dann die übliche PR- und Epigonen-Armada auf die Socken gemacht hat, auch so was zu backen? Man müsste den Herrn Preute / Berndorf mal fragen, inwieweit Malet… Und gegen die Lampertheimer Zeitung hatte ich nur so lange etwas, wie ich glaubte, Lampertheim läge in der Pfalz. Liegt aber in Hessen. Mea culpa, Lampertheim!
bye
dpr
Ich glaube eher, dass es am Erfolg der amerikanischen Privatdektiv- und Polizeiromane Mitte der 70er bis Ende der 80er lag, der die Regionalisierung in good old Germany vorantrieb. Was wäre Spenser ohne sein Boston, Lloyd Hopkins (und die anderen Romanfiguren James Ellroys) ohne L.A., Dave Robicheaux ohne New Orleans, Matt Scudder ohne New York – and so on. Es war wie so oft: die Amerikaner machen’s vor, und wir machen’s nach. Bloß etliche Nummern kleiner.
Als mein Erstling vor etlichen Jahren rauskam, bestand der Verlag darauf, dass ich aus meinem fiktiven „Domburg“ eine reale Stadt machte. So viel genutzt hat’s nicht;-) Mittlerweile sollte man sich aber lieber ein skandinavisches Pseudonym zulegen oder nach der Gastgeberin eines gartenlaubegeschwängerten Fünf Uhr Tees benennen…
Die Provinz ist mittlerweile ziemlich abgegrast – und das liegt nicht nur an blöden Schafskrimis (‚tschuldigung, den konnte ich mir nicht verkneifen…).
Grüße, kriminelle,
obwohl DIESER Blog natürlich nicht der rechte Ort für so etwas ist: Man müsste das Thema auf eine sekundärliterarisch relevante Essayebene heben und fragen, inwieweit der im „Regional“ manifestierte Wunsch nach Authentizität nicht ein historischer Reflex auf die Pitavals des 18./19. Jahrhunderts ist und recht eindeutig das Unbehagen an der Fiktionalität von Verbrechen wiederspiegelt, wie es zum Beispiel in einem Gespräch zum Ausdruck kommt, das Emil, Agnes und Caroline in Carl von Holteis „Schwarzwaldau“ führen. Oder mit anderen Worten: Wenn ich mir als Leser sagen kann, ein Verbrechen sei nicht in einem fiktiven „Domburg“, sondern einem sehr realen „Homburg“ geschehen, rückt dies den Abgrund in eine emotionale Nähe, die mich als potentiellen Teilhaber involviert. — Ist ja jetzt nur mal so eine Idee. Wir sollten einen Doktoranden dransetzen.
bye
dpr
Hallo,
auf ein zweites (wundervoll, wenn nach der Vorschau der Text weg ist).
Das Regionale es läßt und nicht mehr los.
Ähnlich wie Jochen kann ich mir auch eher die Amerikaner als Vorbild vorstellen.
Aber eher die der 60er Jahre und hier zuerst John D. Macdonald, der nicht nur verherrlichend sondern auch kritisch begleitend war.
Auch wäre die Frage inwieweit der TATORT-Filme der 70er Jahre die Regionalität in der Köpfe zukünftiger Autoren und Leser gebracht haben. Beim Lesen eines alten Werremeiers fand ich den Hamburger Lokalbezug schon recht ausgeprägt.
Mit besten Grüßen
bernd
19. Jahrhundert und Pitaval (s. o. dpr) ist gut. Ich würde aber noch die Geheimnis-Tradition (und die mit ihr verbundene Melodramatisierung) hinzufügen. Wo sind in der Provinz die Geheimnisse? In den Kellern der Familien und — die Treppe hoch — im Studierzimmer der Väter (wo auch die Couch steht). Schlag nach bei Eckert!
JL