Betrachtungen von „Leichenflesch“
vom Krimiblogger
Der Autor (Species Germaniae) liegt in seiner Selbsteinschätzung etwa zwischen Shakespeare, Homer und – wegen der Auflagenhöhe – Konsalik. Er betrachtet sich als unterbezahlt und ausgebeutet; er leidet darunter, nicht in lindgrünem Maroquin mit Goldschnitt publiziert zu werden und fordert dem Verlag infolgedessen ein hohes Maß an Streicheleinheiten ab. Wer ihn als Lektor betreut, braucht eine gediegene Kindergärtnerinnenausbildung. Auf verlagsseitige Änderungsvorschläge an seinem Manuskript reagiert der Autor wie eine tropische Orchidee auf minus 17 Grad (Wird das Buch ein Renner, dann trotz, liegt es wie Blei, wegen der Änderungen). Bei Erscheinen des Werkes (Taschenbuch, 128 Seiten) verlangt er ganzseitige Anzeigen in ZEIT, SPIEGEL, STERN, FAZ, Süddeutsche Zeitung, Trierer Bistumsblatt, Playboy und den HOREN. Den (vertraglich vereinbarten) Verlagsanteil an Nebenrechtserlösen schätzt er ein wie die Vergewaltigung einer Dreizehnjährigen. Auf der Frankfurter Buchmesse sinkt er dem Verleger mit einem gehauchten „lieber Meister“ (….) an die Brust.
Richard K. Flesch – Miszellen zum Thema Kriminalroman
Rezension wird im Genre Kriminalliteratur in der Regel von Leuten besorgt, die, etwa in der Obersekunda, einen Roman von Christie gelesen haben und sie späterhin hartnäckig mit Raymond Chandler verwechseln. Die weitere Entwicklung der Gattung haben sie nicht mehr verfolgt, und wenn sie sich trotzdem an Sjöwall/Wahlöö herantrauen, oder an Boileau/Narcejac, dann scheitern sie häufig an der richtigen Schreibweise der schwierigen Namen. Sie lesen das jeweilige Buch diagonal und/oder nur zur Hälfte und kommen so zu schlüssigen und profund-oberflächlichen Fehlurteilen.
P.S.: Es gibt hierzulande auch ein paar blitzgescheite Leute, die mit Sachverstand und Detailkenntnis Kriminalroman-Rezensionen schreiben, die diesen Namen verdienen und die Blätter gefunden haben, in denen ihr Votum nicht redaktionell verstümmelt wird.
Richard K. Flesch – Miszellen zum Thema Kriminalroman
Die Leser: Es gibt welche, die behaupten, sie läsen NIE Kriminalromane. Das sind meistens Leute, bei denen sie im Bücherschrank hinter Grass, Böll und Konsorten in der zweiten Reihe stehen. Es gibt andere, die lesen NUR Krimis. Sie geben’s im allgemeinen auch freimütig zu; allerdings sind unter ihnen immer mal welche, die bei der Erwähnung des Namens Kierkegaard unbefangen fragen: „Ach, ist das nicht der Schwede, der Boris Becker geschlagen hat?“
Wieder andere erholen sich bei einem Krimi vom letzten Sartre, nur mal so zwischendurch – im Jet (bis New York reicht bei mittlerer Lesegeschwindigkeit ein Band für DM 4,80, bis Chicago ist DM 5,80 empfehlenswert), am Urlaubsstrand, im Bett vor dem Einschlafen, wobei allerdings ein wirklich rundum guter Krimi manchmal unzweckmäßig ist. – Im Grunde ist davon auszugehen, daß im statistischen Durchschnitt alle Leute – ab und zu, anfallweise, überwiegend – Kriminalromane lesen, Anachoreten und Stigmatisierte möglicherweise ausgenommen.
Richard K. Flesch – Miszellen zum Thema Kriminalroman