Monotone Schnitzeljagd

vom Krimiblogger

Das Mephisto Komplott
Michael Robinson: Das Mephisto-Komplott

Ernstzunehmende Polit-Thriller aus und über Deutschland sind in den Regalen der Buchhandlungen immer noch eine Ausnahme. Vor allem ausländische Autoren sind es gewesen, die deutsche Orte und Regionen als Schauplatz für ihre politischen Spannungsromane gewählt haben. Deutsche Autoren sucht man – mit Ausnahmen wie Peter Schmidt – meistens vergeblich. Auch Michael Robinson ist kein Deutscher: Er wurde in der Schweiz geboren und wuchs in England auf. Als Investment-Banker und Theaterproduzent sei er tätig gewesen, nun lebe er als Schriftsteller in Hampstead – mehr verrät die kurze Biografie nicht über den Autor, dessen Roman „Das Mephisto-Komplott“ jetzt in einer deutschen Übersetzung beim Transit-Verlag erschienen ist. Hauptschauplatz dieses „brisanten Thrillers“ ist das wiedervereinigte Berlin im Jahre 1994 und im Mittelpunkt der Geschichte steht die unheilvolle Allianz von Kultur und Politik.

Der Drehbuchautor Jonathan Kaplan wird von dem Theaterproduzenten Caprivi nach Berlin gerufen, um dort an einem Musical nach Vorlage von Klaus Manns Exilroman „Mephisto – Roman einer Karriere“ zu schreiben. Schon im Flugzeug nach Berlin erfährt der Ich-Erzähler Kaplan, dass es Schwierigkeiten mit dem geplanten Muscial geben wird. Ein Zeitungsartikel berichtet darüber, dass Caprivis Konkurrent, der Medienmogul Hermann Wulf, gute Aussichten hat, einen Mietvertrag für das Lessing-Theater zu bekommen. In genau diesem Theater wollte aber Caprivi sein „Mephisto“-Musical auf die Bühne bringen.

Kaum in Berlin angekommen, sieht sich Kaplan noch viel größeren Problemen gegenüber. Sein Auftraggeber liegt angeschossen im Krankenhaus, die Polizei fahndet nach Claudia, Schauspielerin und ehemalige Geliebte Kaplans. Sie steht im Verdacht, den Theaterproduzenten niedergeschossen zu haben. Neben dem Kommissar Glasser vom BKA interessiert sich auch Otto Loible, Pressesprecher von Caprivi, für Kaplan. Vor allem hoffen sie, dass Kaplan sie vielleicht zu der Verdächtigen Claudia führen kann. Doch auch Kaplan weiß zunächst nicht, wo sich Claudia aufhält. Er macht sich auf die Suche nach seiner ehemaligen Freundin, die zwischenzeitlich gute Kontakte zu mehr oder weniger dubiosen und einflussreichen Männern unterhalten hat.

Ein Autor mit Botschaft

Michael Robinson entspinnt eine reichlich verworrene Geschichte, in der fast alle Figuren ein Doppelleben führen. Etwa Otto Loible, der zwar für Caprivi gearbeitet hat, aber, wie Kaplan herausfindet, auch ein agent provocateur der Polizei ist. Oder Claudia, die in ihrer Vergangenheit enge Verbindungen zur autonomen Hausbesetzerszene und vielleicht auch zur RAF unterhielt. Jonathan Kaplan weiß nicht, wem er noch trauen kann und gerät immer tiefer in eine Verfolgungsjagd hinein, bei der es mehrere Tote geben wird.

Reichlich Stoff, den Michael Robinson da in seinen Thriller einfließen lässt: Ob die – bis heute nicht geklärte – Ermordung des Vorstandssprechers der Deutschen Bank Alfred Herrhausen im November 1989, ob die Selbstmorde von RAF-Mitgliedern, ob die linke Hausbesetzerszene in Berlin, ob die Machenschaften zwischen Kultur und Politik in der Nachwendezeit, ob illegale Nazi-Vermögen, gewonnen durch die Enteignung jüdischer Familien im sogenannten „Dritten Reich“ – kein Thema, dass Robinson nicht irgendwie in seinem fiktiven Thriller unterbringt oder anklingen lässt. Damit hat er sich deutlich überhoben. Durch seine monotone Schnitzeljagd, auf die er seinen Jonathan Kaplan schickt, scheint niemand wirklich mehr durchzublicken, auch seine Hauptfiguren nicht. Dabei hat Robinson eine Botschaft im Sinn gehabt, die er in einen Nachwort erklärt:

»Mein Thriller stellt nun die Frage, ob das Parteiensystem in Deutschland mit dem ihm eigenen Hang zur Bildung von Koalitionen möglicherweise der Grund für die in der gesamten deutschen Gesellschaft verbreitete Korruption ist, denn wenn es keine echten politischen Gegensätze und keine Tradition des politischen investigativen Journalismus gibt, dann kann dies dazu führen, daß â€žMacht“ gar nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.«

Wer ist Michael Robinson?

Darüber ließe sich trefflich streiten, das kann auch durchaus Stoff für einen spannenden Polit-Thriller sein – doch Michael Robinson scheitert an der Umsetzung. Der dramaturgische Aufbau des Romans ist flach und eindimensional. Sein Jonathan Kaplan sucht und flüchtet sich von einem Punkt zum nächsten, sammelt ein Puzzelstückchen nach dem nächsten ein, um sie am Ende zu einem recht banalen Gesamtbild zusammenzusetzen. Es gibt zwar immer mal wieder spannende Einzelbegebenheiten, die aber wie herausgerissen wirken und nur selten zum roten Faden der Geschichte in Verbindung gebracht werden können. Die Arbeit mit unterschiedlichen Erzählmitteln, zum Beispiel mit Rückblenden oder mit Perspektivwechsel hätte vermutlich mehr Tiefe, Schärfe und vor allem Spannung herein gebracht. Dazu kommt eine durchschnittliche Sprache, die selten treffsicher und pointiert ist.

Das eigentliche Rätsel bleibt der Autor dieses Romans: Wer ist Michael Robinson? Interessanterweise wird darauf hingewiesen, dass der Roman nach einer Idee von Friedrich Kurz entstanden ist. Als Hamburger erinnert man sich natürlich an Kurz, er war es, der in den 1980er Jahren das Musical „Cats“ auf die Reeperbahn brachte, der die „Rote Flora“ als Spielort für das „Phantom der Oper“ entdeckte und aufgrund von Protesten aus der linken, autonomen Hausbesetzerszene dann in die „Neue Flora“ an der Stresemannstraße ausweichen musste. Es war Kurz, der mit zahlreichen Musicalproduktionen das Genre kommerzialisierte, dabei aber auch immer wieder Flops einstecken musste. Es ist reine Spekulation, aber ich würde mich nicht wundern, wenn Friedrich Kurz vielleicht doch mehr wäre, als nur der Ideengeber. Aufschluß darüber könnte die Zukunft bringen: Laut Internetseite zum Buch ist die Verfilmung des „Mephisto-Komplotts“ geplant. Ein guter Drehbuchautor könnte dann aus einem schlechten Roman vielleicht doch noch einen guten Film gestalten. Wir werden es sehen.

Michael Robinson: Das Mephisto-Komplott / Aus dem Englischen übersetzt von Sven Dörper und Thomas Wollermann. – Berlin : Transit, 2006
ISBN-10: 3-88747-210-1
ISBN-13:978-3-88747-210-8

Eine englische Ausgabe war nicht zu ermitteln.

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