Verfolger und Verfolgte

vom Krimiblogger

Tag der Jagd
Axel Brauns: Tag der Jagd

Seine ersten beiden Büchern brachten dem Hamburger Autor Axel Brauns viel Lob von der Kritik ein. In seinem autobiografischen Werk „Buntschatten und Fledermäuse – Mein Leben in einer anderen Welt“ (2002) erinnert sich Brauns an seine autistische Kindheit. In seinem Roman „Kraniche und Klopfer“ (2004) erzählt er die Geschichte des Mädchens Adina, deren Mutter das gemeinsam bewohnte Haus zu einer Müllhalde verkommen lässt. Jetzt hat Axel Brauns sein drittes Buch, einen Thriller mit dem Titel „Tag der Jagd“, vorgelegt. Es ist die Geschichte eines einzigen Tages, der für die beiden Hauptfiguren zu einem Wendepunkt in ihrem Leben wird oder werden könnte.

Michaela Mahr, Ehefrau eines Anwalts, kehrt von ihrem morgendlichen Lauftraining in ihre Wohnung zurück und findet ein Blutbad vor. Ihr Mann und ihre beiden Töchter sind ermordet worden. Die Täter befinden sich noch in der Wohnung. Heimlich flüchtet Michaela auf die Straße und beginnt mit ihrer Jagd auf die Mörder und deren Hintermänner. Zur gleichen Zeit sorgt sich der Polizist Timo Hartwig: Das erste Mal nach vier Jahren darf er sich einen Tag lang um seinen Sohn Malte kümmern. Nach der Trennung von seiner Frau hat er den Jungen nicht mehr sehen dürfen. Läuft es gut an diesem Tag, dann kann er seinen Sohn wieder öfters sehen, hofft Timo. Doch dann wird er zu einem Einsatz beordert. In einer Luxuswohnung in einem umgebauten Bunker im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel liegen drei Leichen – es sind die ermordeten Kinder und der Mann von Michaela Mahr.

Da Timos Kollegen wissen, wie wichtig dieser Tag für ihn ist, wird er nur zum „Mitjäger“. Schnelle, kleine Aufgaben soll er erfüllen, Nachbarn befragen und als „Brötchenprinz“ seine Kollegen mit Essen versorgen. Dabei trifft er zufällig auf Michaela Mahr, die er zu diesem Zeitpunkt nicht als solche erkennt. Die schöne Unbekannte ist für ihn eine sympathische Frau, mit der er ein wenig flirtet. Im Laufe des Tages werden sie sich noch öfter über den Weg laufen, doch bis dahin ist Michaela Mahr zu einer brutalen Mörderin geworden, die Rache an den Mitgliedern einer Bande nimmt, die für die Ermordung ihrer Familie verantwortlich ist. Dabei schwebt sie selbst in höchster Lebensgefahr.

Gelungene Variation

In kurzen Kapiteln, immer die Perspektive zwischen Michaela und Timo wechselnd, erzählt Axel Brauns die Geschichte eines Sommertages in Hamburg, der für beide Figuren zum entscheidenden Tag in ihrem Leben wird. Verstörend und verwirrend wirkt dabei zunächst Brauns Sprache, die zwischen nüchterner Lakonie und kindlicher Ausdrucksweise changiert. So haben alle Figuren ihre eigenen Begriffe – die Polizei wird zur Büttlerei, Timo ist ein Büttler, die kriminellen Banden werden zu Bündner, Michaela ist eine Bündnerin. Man telefoniert mit Handhexen und wühlt im Weltnetz mit einen Faltrechner. Im scharfen Kontrast dazu erzählt Brauns in einer emotionslosen Sprache den Rachefeldzug von Michaela, bei dem sie Männer misshandelt und hinterrücks erschießt. Dass der Autor dabei nicht in Manierismus abgleitet, liegt an diesen spannenden Gegensätzen und den knappen Rhythmus, mit dem er seine Geschichte erzählt.

Beeindruckend ist Brauns Fähigkeit fremde Gedanken- und Gefühlswelten dicht und nah einzufangen und seine Figuren mit ihren Konflikten differenziert und lebensnah zu beschreiben. Für einen Mann, der unter dem Asperger-Syndrom leidet, einer leichten Form des Autismus, vermutlich eine Herausforderung. Doch das ist nicht das Entscheidende. Brauns hat einen außergewöhnlichen und mitreißenden Thriller geschrieben, der durch Dramaturgie, Figurenzeichnung und Sprache zu überzeugen weiß. Eine gelungene Variation über das Thema Verfolger und Verfolgte und ein spannender Einblick in nahe und doch fremde Welten.

Axel Brauns: Tag der Jagd. – Hamburg : Hoffmann und Campe, 2006
ISBN-10: 3-455-00586-1
ISBN-13: 978-3-455-00586-8

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Links
Homepage von Axel Brauns
Informationen zu Autismus bei „Quarks & Co“ / WDR