Jägermeistergedanken

vom Krimiblogger

Mord im Zeichen des Zen
Oliver Bottini: Mord im Zeichen des Zen

Er ist der Shootingstar der deutschen Krimiszene im letzten Jahr gewesen. Oliver Bottini konnte mit seinem Debütroman „Mord im Zeichen des Zen“ reichlich Kritikerlob einheimsen und schaffte beim Deutschen Krimipreis 2005 den Sprung auf den dritten Platz. Der in München lebende Autor hatte bis zu seinem Krimidebüt bislang durch Sachbücher über Buddhismus auf sich aufmerksam gemacht. Nicht weiter verwunderlich also, dass die asiatische Religion auch in seinem ersten Krimi eine wichtige Rolle spielt.

Die Geschichte beginnt in der Nähe von Freiburg, an einem verschneiten Winterwochenende. Ein asiatischer Mönch, nur mit Kutte und Sandalen bekleidet, läuft durch die kalten und für ihn fremden Straßen von Liebau. Beobachtet wird er von dem Polizisten Hollerer, der am Kopf des Mönchs eine Wunde feststellt. Hollerer folgt dem geheimnisvollen Mönch auf seiner offenbar ziellosen Flucht. Einen Tag später wird Hollerer schwer verletzt im Schnee liegen, sein Kollege Niksch wird tot sein. Louise Bonì, Hauptkommissarin bei der Freiburger Kripo, wird Schuldgefühle haben: Weil sie ihre Kollegen der tödlichen Gefahr ausgesetzt hat, weil der verletzte Mönch verschwunden ist und weil sie im Abgrund der Verzweiflung lebt. Louise Bonì ist geschieden, hat vor einiger Zeit einen Kinderschänder erschossen und konnte dennoch das Leben seines Opfers nicht retten und Louise Bonì ist Alkoholikerin, getrieben von Jägermeistergedanken.

Spannende Gratwanderung

Am Ende des Romans wird es noch mehr Tote geben, eine Hilfsorganisation für Kinder wird als Kinderschänderbande enttarnt sein, Louise Bonì wird sich einer Entziehungskur unterziehen – nur der geheimnisvolle Mönch bleibt verschwunden. Bis dahin erzählt Oliver Bottini eine spannend-traurige und entlarvende Geschichte von Fremdheit, Entfremdung und Fremdenangst, in der doch immer wieder ein Funken Humor aufblitzt und somit das Drama erträglich macht. Seine Antiheldin Louise kommt jenseits der Krimiklischees von Powerermittlerinnen daher. Kein Waffenweib, keine Weltverbesserin – wie ihre Hippie-Mutter – aber auch kein Opfer der männlich dominierten Polizistenwelt. Die Männer weiß sie zu nehmen – nicht nur im Bett, sondern auch in ihrem Beruf. Obwohl krankgeschrieben, geht Louise verbissen auf Tätersuche, die sie ins nahe Frankreich führt. Hier besucht sie nicht nur ein Zen-Kloster, hier liefert sie sich auch eine rasante Verfolgungsjagd. Später schließlich darf sie – trotz der bürokratischen Widrigkeiten der grenzüberschreitenden Polizeiarbeit – dabei sein, wenn zumindest ein Teil der Kinderschänderbande festgenommen wird.

Bottini wirft in seinem Krimidebüt einen unsentimentalen, nüchternen Blick auf die Arbeit der Polizei und die Auswirkungen auf die Psyche der Polizisten. Scheidung, Alkoholismus, Krebserkrankung, Frustration, Angst – alles Begleiterscheinungen, die Verbrechensbekämpfung mit sich führt. Keine harten Helden, sondern Menschen aus Fleisch und Blut werden hier in einer wunderbaren Prosa beschrieben. Die schützt Bottini davor, ein Betroffenheitsepos zu kreieren. Die Gratwanderung zwischen Sentimentalität und Selbstmitleid auf der einen Seite sowie schauderhaften Verbrechen und kaltem Polizeialltag auf der anderen Seite ist dem Autor hervorragend gelungen. Die Vergleiche drängen sich auf: Eine saufende Bella Block gemischt mit einem frustrierten Kurt Wallander und doch greifen sie hier glücklicherweise nicht. Louise Bonì ist eine eigenständige Figur. Nicht so tough wie die Kollegin aus Hamburg, nicht so weinerlich wie der Held aus Schweden. Bonìs Weltschmerz ist ein tief sitzender, der uns Floskeln über die Schlechtigkeit der Welt erspart. Oliver Bottini hat das Portrait einer verletzten und doch kämpferischen Seele gezeichnet – das ist alles andere als belanglos. Seine Louise Bonì ist eine der überzeugendsten Frauenfiuren im deutsche Krimi seit langer Zeit – auf die angekündigte Fortsetzung darf man also gespannt sein.

Oliver Bottini: Mord im Zeichen des Zen / Kriminalroman. – Frankfurt am Main : Scherz, 2004
ISBN 3-502-61117-3

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