Nachsitzen

vom Krimiblogger

Der Alltag ist fast wieder da. Schnell noch die erste und die zweite Lektion der Crime School beim Hinternet pauken. Zur ersten Lektion kann ich gar nicht mal so viel sagen, außer, dass ich mich mit meinen Erwartungen recht gut getroffen finde. Den Satz

„Es gibt eine Zielgruppe von Lesern, die eben NICHT erwartet, dass ein Text so konstruiert ist, dass er ausschließlich ihre Unterhaltungswünsche erfüllt, sondern dass er sie selbst in irgendeiner Weise verändert.“


unterschreibe ich gerne. Mir fällt da ganz spontan das berühmte (und leider recht ausgelutschte, sorry) Kafka-Zitat ein:

„Das Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“

Oder noch mal Kafka

„Ich glaube, man sollte nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen.“


Damit wäre ich dann auch schon bei Lektion Nr. 2, in der es um die Kommunikation von/durch/mit Texten geht. Lesen – auch wenn das leider oft nicht gerne gesehen wird – ist Arbeit, ist Mühe, manchmal Schinderei, – aber warum soll es mir als Leser besser gehen, als dem Autor, der sich vielleicht jahrelang mit seinen Texten geplagt hat. Andererseits: Jeder Leser hat das gute Recht, Literatur auch als Eskapismus, als Unterhaltung, als Genuss zu sehen. Hier liegt ja doch das Spannungsfeld gerade der Kriminalliteratur. Wenn ich, sagen wir mal, Romane wie „Der Mann ohne Eigenschaften“ oder „Ästhetik des Widerstands“ als Lektüre aussuche, dann erwartet mich Textarbeit. Wenn ich Unterhaltung suche – freilich eine Geschmacksangelegenheit – dann brauche ich damit erst gar nicht anfangen. Reine Unterhaltung ist in der Tat ein Geschmacksmoment: Der eine liest SF, der andere Kriminalromane, der nächste Horror – was gerade anliegt. Nun kämpfen aber gerade diese Genres immer damit, dass sie per se in die Kategorie „Unterhaltung“ gepackt werden – wobei es doch gerade immer wieder Texte gibt, die Unterhaltung und Kommunikation, Wissen, Ästhetik, Sprachgefühl, Erzählen über Welt…. miteinander verbinden.

Postulate an den Kriminalroman, die mir aus der Lektüre von verschiedenen Kritiken in den Sinn kommen:

  • (Gute) Kriminalliteratur funktioniert nur als Kriminalliteratur.
  • Kriminalliteratur soll „realitätstüchtig“ sein.
  • „Ich glaube in der Tat, mit den Kirchenvätern dieser Literatur, daß der Kriminalroman die letzte noch mögliche literarische Form ist, in der die Frage von Gut und Böse verhandelt wird. Doch ich beeile mich hinzuzufügen: Unterhalb eines bestimmten ästhetischen Niveaus sackt eine solche Verhandlung ab zum Volkshochschulkolleg und zur soziologischen Gartenlaube, das ist dann so, als hielte ein Mann, der wie Fidel Castro aussieht, eine Rede, die Helmut Kohl geschrieben hat.“ (Jörg Fauser)
  • Kriminalliteratur hat eine eigene, vielfältige Ästhetik entwickelt.
  • Kriminalliteratur unterliegt strengen Regeln und hat einen bestimmten Aufbau.
  • Die „goldenen Regeln“ für Kriminalliteratur haben heute keinen Wert mehr.
  • Was ist eigentlich Kriminalliteratur? Kann es überhaupt eine feste, halbwegs greifbare Definition dieses Begriffs geben?

Nur einige, zum Teil widersprüchliche Gedanken, die mir durch den Kopf gehen.