Deutscher Krimipreis 2008

vom Krimiblogger

Zum 24. Mal wurden die Preisträger des Deutschen Krimipreises bekannt geben. Der nicht dotierte Preis wird unter der organisatorischen Obhut des Bochumer Krimiarchivs vergeben. Die Jury hat getagt und meint, dass folgende Titel die besten Krimis des vergangenen Jahres sind:

National:

  • 1. Platz: Andrea Maria Schenkel: Kalteis (Edition Nautilus )
  • 2. Platz: Heinrich Steinfest: Die feine Nase der Lilli Steinbeck(Piper)
  • 3. Platz: Jan Costin Wagner: Das Schweigen (Eichborn Berlin)

International:

  • 1. Platz: James Sallis: Driver (Drive) – Deutsch von Jürgen Bürger (Liebeskind)
  • 2. Platz: Martin Cruz Smith: Stalins Geist (Stalin’s Ghost) – Deutsch von Rainer Schmidt (C. Bertelsmann)
  • 3. Platz: Matti Rönkä: Der Grenzgänger (Tappajan näköinen mies) Deutsch von Gabriele Schrey-Vasara (Grafit)

Die Begründungen im Einzelnen:

1. Platz National
Andrea Maria Schenkel: Kalteis
Edition Nautilus, Hamburg

München, Ende der 30er Jahre: Süß und sehnsüchtig ist der Traum vom Glück in der großen Stadt – auch Kathie träumt ihn und entflieht der Enge des dörflichen Lebens. Manch eine ist hier schon unter die Räder gekommen, aber sie wird es schon schaffen. Oder? Dunkelhaarig, kräftig und hübsch ist sie, wie die Frauen, die seit einiger Zeit in München und Umgebung spurlos verschwinden. Der Teufel scheint auf dem Fahrrad unterwegs zu sein.

Der großartig komponierte Roman, der im Wechsel der Erzählperspektive am Beispiel einer jungen Frau blitzlichthaft das Gesellschaftspanorama einer Epoche beleuchtet, ist von einer unwiderstehlichen Sogwirkung.
(Wolfgang Platzeck, WAZ)

Andrea Maria Schenkel lebt in Nittendorf (Lkr. Regensburg).

2. Platz National
Heinrich Steinfest: Die feine Nase der Lilli Steinbeck (Piper, München)

Das Auffälligste an der ausgesprochen schlanken und eleganten Lilli Steinbeck ist ihre Nase. Eine Nase, die ihr eine Schar stark verunsicherter Bewunderer beschert. Als international anerkannte Spezialistin für Entführungsfragen wird sie von der Polizei in einen brisanten Fall eingeschaltet – in ein Spiel mit zehn lebenden Figuren, um die ein weltweit operierendes Verbrecherteam kämpft. Auf allerhöchstem Niveau und zum Zeitvertreib. Es gewinnt, wer alle zehn Spieler getötet hat …

»Die feine Nase der Lilli Steinbeck« beweist – noch klarer als andere Geschichten von Heinrich Steinfest – eines: Wenn einer nur den Willen und das Format dazu hat, dann ist, auch und gerade
heute, wo schon alles erzählt scheint, im Krimi, in der Erzählkunst, in der Literatur, ALLES möglich.
(Ulrich Noller, WDR)
Heinrich Steinfest lebt in Stuttgart

3. Platz National
Jan Costin Wagner: Das Schweigen (Eichborn Berlin)

Niemand weiß besser als Kimmo Joentaa, wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren. Deshalb hütet sich der Kriminalkommissar aus Turku davor, den Eltern von Sinikka Vehkasalo zu widersprechen. Ihnen die Hoffnung zu nehmen, dass ihre Tochter noch leben könnte. Auch wenn er es besser weiß. Wissen muss. Denn die Parallelen sind zu offensichtlich. Wenn dreiunddreißig Jahre nach dem ungeklärten Mord an einem jungen Mädchen an genau der gleichen Stelle ein anderes Mädchen unter ähnlichen Umständen verschwindet, muss es einen
Zusammenhang geben.

Der gesamte Roman ist aufgeladen mit Trauer, die Leute haben »einen stillen Schmerz in den Augen« – ich schwöre: es ist der traurigste Kriminalroman, der je geschrieben wurde, und wem nicht spätestens bei der Reaktion der Mutter die Tränen kommen, der sollte doch mal wieder mit
jemandem sprechen. (Günther Grosser, Berliner Zeitung)

Jan Costin Wagner lebt in Hainburg in Hessen

1. Platz International: James Sallis: Driver (Drive)
Deutsch von Jürgen Bürger (Liebeskind)

Driver ist kein Verbrecher. Jedenfalls nicht im engeren Sinne. Er ist nur der beste Stuntfahrer, den man in Hollywood kriegen kann. Und manchmal fährt er bei Raubüberfällen den Fluchtwagen, obwohl ihn das gar nicht so richtig interessiert. Genauso wenig wie die Hollywoodfilme. Eigentlich will er nur fahren. Aber dann läuft einer dieser Überfälle schief, und Driver findet sich in einem schäbigen Motel in Arizona wieder, mit mehreren Leichen im Zimmer und einer Tasche voller Geldscheine. Eigentlich sollte auch er tot sein, denn der Raubüberfall war eine abgekartete Sache …

Ein Buch, so knapp und so lakonisch wie ein früher Clint Eastwood-Film. »Driver« ist das, was man noir nennt – eine Skizze aus der Welt jenseits des Gesetzes – die nach ihren ganz eigenen Regeln funktioniert. Noir ist auch eine Schreibhaltung – die James Sallis perfekt beherrscht: lakonisch, auf den Punkt, kein Wort, kein Satz zuviel. Aber auch kein Wort und keinen Satz zu wenig.
(Reinhard Jahn, Bochumer Krimi Archiv)

James Sallis lebt in den USA

2. Platz International: Martin Cruz Smith: Stalins Geist (Stalin’s Ghost)
Deutsch von Rainer Schmidt (C. Bertelsmann)

Ein Anruf, den Arkidi Renko zufällig auf dem Apparat eines Kollegen annimmt und der sich als Mordauftrag entpuppt, versetzt den Chefermittler der Moskauer Polizei mitten in dies ehrenwerte Gesellschaft der alten Seilschaften und der Mafia, deren Verbindungen bis ins Herz der Moskauer Polizei reichen. Renko folgt den Spuren der geheimnisumwitterten OMON, die im Tschetschenien- Krieg als berüchtigte Elite-Einheit agierte, und stößt dabei auf diverse Leichen, grausige Relikte der Vergangenheit.

In seinem Roman »Gorki Park« vor gut zwei Jahrzehnten inszenierte Martin Cruz Smith den kalten Pomp der Sowjetmacht. Jetzt versetzt er den Leser in das Moskau des Raubtierkapitalismus und erschreckt und verzaubert gleichermaßen. Ein brillantes Porträt des von Putin geprägten Russland.
(Manfred Sarrazin, Krimibuchhandlung Alibi)
Martin Cruz Smith lebt in den USA

3. Platz Internat.: Matti Rönkä: Der Grenzgänger (Tappajan näköinen mies)
Deutsch von Gabriele Schrey-Vasara (Grafit)

Viktor Kärppä ist russischer Emigrant – und ein Mann mit vielen Fähigkeiten. Da sein Diplom der St. Petersburger Sportakademie in Finnland nichts wert ist und er seine kurze Karriere beim KGB geheim halten will, hat er in Helsinki ein Detektivbüro eröffnet. Viktor nimmt Aufträge aller Art an und dient vielen Herren auf beiden Seiten der finnisch-russischen Grenze. Für den Antiquar Aarne Larsson soll er dessen Ehefrau Sirje aufspüren, die spurlos verschwunden ist. Ein Routineauftrag, denkt Viktor. Doch die Suche nach der jungen Frau stört die Kreise gnadenloser Gangster. Denn bald stellt sich heraus, dass Sirje die Schwester des estnischen Drogenkönigs Jaak Lillepuu ist.

Mit dem klassischen Setting des Detektivromans lässt Rönkä seine Geschichte beginnen, die er souverän und dramaturgisch raffiniert weiterentwickelt. Rönkäs Sprache ist klar, erfrischend geradlinig, jegliche Manierismen sind ihr fremd. Da muss sich keiner beweisen, dass er schreiben kann. (Volker Albers, Hamburger Abendblatt)
Matti Rönkä lebt in Finnland

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