Höhenangst im Bergidyll

vom Krimiblogger

Kreuzigers Tod
Peter Oberdorfer: Kreuzigers Tod

Die ersten Seiten von Peter Oberdorfers Debütkrimi “Kreuzigers Tod” wecken Erinnerungen. Ein kauziger Dialog zwischen dem namenlosen Dorfpolizisten, der zugleich Ich-Erzähler ist, und Engel, seinem bauernschlauen Assistenten, eröffnet die Geschichte. Für einige Zeit liegt der Schatten von Simon Brenner, schräger Privatdetektiv aus der Feder von Wolf Haas, über der Erzählung. Doch dieser Schatten weicht schnell. Dafür schreibt Oberdorfer, der 1971 in Innsbruck geboren wurde, in einem anderen Stil als sein Landsmann. Zwar ist seine Grammatik ebenfalls nicht frei von österreichischen Wendungen und Stilblüten, dennoch ist Oberdorfers Text wesentlich einfacher zugänglich als Haas‘ Kauderwelsch. Zugleich ist sein erzählerischer Anspruch ernsthafter und durchdachter: Bei ihm tritt sowohl sprachlich wie auch inhaltlich der Klamauk in den Hintergrund, dafür wird eine brüchige Bergidylle sichtbar, in deren Tälern sich bedrückende menschliche Geschichten abspielen.

Der Schauplatz: Ein österreichisches Dorf irgendwo in den Bergen. Das Mordopfer: Der Franz Kreuziger. Dem hat im Wald einer mit der Axt über’n Schädel gehauen. Der Dorfpolizist, natürlich ein Zugezogener, soll den Fall lösen, bekommt aber schon bald die Sturheit und die Verschlossenheit der Dorfbewohner zu spüren. Ein kleiner Ort, eine überschaubare Anzahl von möglichen Tätern, die vom Polizisten vernommen werden: Da ist die Mühlbacherin, die den Toten gefunden hat und die im Ort als Einsiedlerin gilt. Da ist der Maler, der Tatort und Leiche in einem Bild festgehalten hat. Da ist schließlich der Pfarrer, der schon längst seinen Glauben verloren hat und ein Freund des Toten ist. Als Krimileser kennt man ein solches Panoptikum von leicht verdrehten Figuren, die alle etwas mit dem Tod des Ermordeten zu tun haben könnten. Was Oberdorfers Text aus solchen gängigen Erzählmustern heraushebt, sind seine gekonnt eingesetzten Wendungen, die immer wieder für Überraschung sorgen. So inszeniert der Autor eine Verfolgungsjagd der Polizei, bei der drei Jugendliche aus dem Dorf in die Ecke gedrängt werden. Fälschlicherweise sind sie ins Visier der angereisten Kommissare aus der Stadt geraten – am Ende sind zwei der Jungen tot, gestorben im Kugelhagel der Scharfschützen. Oberdorfer erzählt dies alles so lapidar, so nüchtern, das einem tatsächlich ein Schauer über den Rücken läuft.

Finstere Grundstimmung

Ähnlich unterkühlt erzählt er die Geschichte der Mühlbacherin, deren behindertes Kind während der Nazi-Zeit von den Schergen der Gestapo abtransportiert wurde. Verantwortlich dafür war der damalige Bürgermeister Kreuziger, Vater des nun ermordeten Franz. Somit hätte sie ein Motiv für den Mord. Mit brutalen Verhörmethoden – der Kopf der alten Frau wird mehrfach von Engel auf den Tisch geschlagen – entlocken die beiden Polizisten ihr die Wahrheit über den Fund der Leiche von Franz Kreuziger. Gewalt erscheint hier als ein geradezu selbstverständliches Mittel der Dorfbewohner untereinander. Ein rauhes Alpenklima, das Oberdorfer hier schildert. Noch grotesker wird es, als sich der Dorfpolizist und sein Helfer zum Maler aufmachen, um ihn ebenfalls ins Kreuzverhör zu nehmen. Da muss der Ich-Erzähler, der unter Höhenangst leidet, auf allen Vieren zum Haus des Zeugen hoch kriechen, während der ortskundige Engel den leichteren Weg mit dem Auto nimmt. Es sind diese skurrilen, surrealen Momente, die Oberdorfs Krimi Verve und Farbe verleihen. Dem Autor gelingt eine spannende Gratwanderung zwischen Tragik und Komik, wenn auch die Grundstimmung des Romans bis zum Ende finster bleibt.

“Kreuzigers Tod” ist erfreulicherweise keine der üblichen Kriminalgeschichte mit ein wenig österreichischem Lokalkolorit, sondern eine recht eigenständige und plastische Erzählung, die durch ihre gelungene Mischung aus Familiendrama, bedrückender Sozialstudie und schwarzem Humor zu überzeugen weiß. Peter Oberdorfer mag zwar in der Tradition von Autoren wie Wolf Haas, Stefan Slupetzky oder auch Heinrich Steinfest stehen, er schafft es aber schon in seinem ersten Kriminalroman aus diesen Fußstapfen heraus zu treten und eigene Pfade zu beschreiten. Hier ist also ein Autor, den man im Auge behalten sollte.

Peter Oberdorfer: Kreuzigers Tod : Kriminalroman. – München : dtv, 2008
ISBN 978-3-423-21065-2
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