Criminale in Farbe – Folge 3 – Böser Bube
vom Krimiblogger
Unser geschätzter Lehrer der Crime-School, dpr, kann einem aber auch alles vermiesen. Was für ein böser Bube! Just an dem Tag, an dem hier im verregneten, grünen Hochsauerland das Gipfeltreffen der deutschsprachigen Krimi-Elite startet, zitiert er in seinem Beitrag „Bad Times“ den guten Friedrich Ani:
„Manche Krimiautoren hätten keinerlei literarischen Anspruch und würden es gerade mal schaffen, „die Hauptsätze einigermaßen hinzukriegen“. Der deutsche Krimi müsse „noch einen großen Schub bekommen, um relevant zu werden“. Er vermisst den „literarischen Übermut“ der Autoren, die kein anderes Ziel hätten, „als einen Mordfall relativ verzwickt aufzubrezeln“, sagt Ani.“
Wie soll ich denn nun vorurteilsfrei die Veranstaltungen der Criminale besuchen? Für welche Lesungen soll ich mich denn jetzt noch entscheiden? „Mörderisches im Schloss“ mit Anne Chaplet und Malachy Hyde in Alme (am Freitag) oder doch lieber die Gourmet-Lesung in Brilon mit Mathias Christiansen, Horst Eckert und Anke Gebert (ebenfalls Freitag)? Mensch, Lehrer dpr, Du kannst es einem aber auch schwer machen. Klaglos ertrage ich das schlechte Wetter (Bahamas wären ’ne prima Alternative), das Gedudel von WDR 4 (Lieblingssender aller Muttis) und die sturen Sauerländer. Aber genug: Ich muss zur Criminale. Über meine Ausbeute werde ich berichten.
Kommentare
Man kennt es ja nicht anders: Der Überbringer einer schlechten Nachricht wird immer einen Kopf kürzer gemacht. Derweil die Herren Schüler in Schlössern oder bei „Gourmet-Lesungen“ herumlungern. Komm du mir mal zurück in den Unterricht, Menke!
dpr, in dessen Schule die Prügelstrafe noch nicht abgeschafft ist
Was hat denn den Fritz bei diesen Aussagen geritten???
Als Ani Donna Leon anführte, um die Diskrepanz zwischen Verkaufszahlen und Qualität zu verdeutlichen, dachte ich eigentlich „oh, jetzt wird´s interessant“. Aber er argumentiert schlicht mit Langeweile. Als ob Ani selbst für den Thrill schlechthin stünde! Da hatte ich bedeutend mehr erwartet.
Auch da sollte er vorsichtig sein. Gerade in seinen in München spielenden Süden-Romanen bin ich das ein oder andere Mal über typisch-bayrisches gestolpert, dessen Bedeutung mir als Nicht-Bayer auch im Kontext nur schwer verständlich war.
Ani hat literarische Qualität, aber es eigentlich nicht nötig, öffentliche Kollegenschelte mit solchen Argumenten zu betreiben.
Hallo Lars,
meines Erachtens hat Ani bei der Verbindung Donna Leon – Langeweile verdammt Recht. Ich habe EINEN Krimi dieser Frau gelesen (frag mich nicht mehr nach dem Titel). Gleich zu Beginn wurde eine Archäologin überfallen und zusammengeschlagen, und diesen Vorfall hat das Opfer auf den nächsten Stücker 40 Seiten 3 – 4 Mal allen möglichen Personen haarklein erzählt! Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wenn ich 3 – 4 Mal in aller Ausführlichkeit lesen muss, was ich schon weiß, dann beginne ich mich zu langweilen. Und auch der Rest des Buches war nicht dazu angetan, mich davon zu befreien.
Bei den „verpackten Heimatromanen“ geht es um den Trend an sich. Ich lebe im Saarland und werde hier seit geraumer Zeit mit „Saarland Krimis“ erfreut. Die Dinger verkaufen sich NUR, weil Leser Maier, der in Saarbrücken, Mainzer Str. 8 wohnt, plötzlich liest, der Mörder wohnt Mainzer Str. 14. Und so weiter. Es geht nicht mehr um die Qualität des Krimis oder gar um literarische Kriterien. Ginge es nämlich darum, wäre keines dieser Machwerke jemals erschienen.
Und da sind wir eigentlich am springenden Punkt. Du sagst „keine öffentliche Kollegenschelte mit solchen Argumenten“. Mit welchen denn sonst? Die sprachliche Qualität einer beträchtlichen Anzahl deutscher Krimis (nicht aller!) ist unter aller Kanone. Und das ist kein „Geschmacksurteil“, sondern objektiv (!) bewertbar. Über alles andere kann ich mich ja streiten (meinetwegen sollen die Leute Donna Leon aufregend finden!), aber fehlerhafte Grammatik, hilflose Satzkonstruktionen, die epidemische Häufung absolut nichtssagender Adjektive, die Verwendung von Floskeln („Als er Ludger erblickte, gefror ihm das Blut in den Adern“ o.ä.) etc. – all das ist nicht geschmäcklerisch verhandelbar.
„Skandal“ daran ist, dass diese Sachen unlektoriert auf den Markt kommen, obwohl ja meistens doch ein(e) LektorIn das Ding in Händen gehalten haben muss. „Skandal“ ist auch, dass es manche Leser schlicht nicht interessiert, WIE man ihnen etwas vermittelt. Auch das, bitteschön, ist letztlich Sache der Leser. Für Autoren und Kritiker jedoch muss es erlaubt sein, darauf hinzuweisen. Konsequenz ist nämlich, dass „der Krimi“, bei dem es auf sprachlich / literarische Qualität nicht ankommt, zu Recht am Rande der Literatur steht. Ich kenne Bücherfreunde, die keine Krimis lesen, weil sie genau mit dessen mangelnder literarischer Qualität argumentieren. Was mir wehtut, weil ich genügend Krimis kenne, die große / gute Literatur sind. Ich erwarte ja nun keine Wunderwerke am laufenden Band. Aber etwas Mühe könnte man sich schon geben.
Das nur mal andeutungsweise. Das Thema ist, wie so viele, unerschöpflich.
bye
dpr
Hallo dpr,
ganz, ganz weites Feld, das wir hier beackern deswegen auch ganz, ganz kurz:
FULL ACK, was Deine Einschätzung des Großteils der Krimis angeht. Dass es aber auch sehr viele gute gibt, müssen wir nicht diskutieren – sonst würden wir uns mit dem Thema ja nicht so ausführlich beschäftigen 😉
Kurzer Satz noch zu Anis „Kollegenschelte“: Klar darf und soll er kritisieren, wo es angebracht ist. Aber vielleicht nicht mit den Argumenenten, mit denen man seine Romane selbst kritisieren kann, nämlich fehlende Spannung und Lokalkolorit. Wäre Ani bei seiner Kritik mehr auf sprachliche Qualitäten oder „Schema F“ eingegangen, hätte ich ihm gerne mit einem dicken „Daumen hoch!“ zugestimmt.
Gruß,
Lars
Hallo Lars,
keine Frage: Es gibt auch gute Krimis. Was Anis Kritik betrifft, so orientiere ich mich ausschließlich an seinen Äußerungen in der „Märkischen Oderzeitung“. Er erwähnt dort drei Punkte:
1. fehlender literarischer Anspruch
2. Krimis als „verpackte Heimatromane“
3. „gigantischer Kuschelfaktor“
Was er mit letzterem meint, weiß ich nicht. Aber er geht überhaupt nicht auf „fehlende Spannung“ ein und kritisiert auch nicht „Lokalkolorit“ an sich, sondern den Hype des „Regionalkrimis“, bei dem das Heimatmoment im Vordergrund steht und die Krimiqualitäten zurücktreten. Was diese beiden Punkte angeht, hat er einfach Recht, und mich persönlich interessiert es überhaupt nicht, ob Herr Ani selbst möglicherweise ein miserabler Stilist sein könnte oder seine Romane auch heimatlich verpackt. Dann würde er halt seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden – aber die Ansprüche selbst sind legitim.
Interessanter ist aber die Frage, wie Autoren, deren Stil miserabel ist, „durchkommen“, sei es bei Verlag / Lektorat, sei es beim Publikum selbst. Ich kenne einen Autor (der Name tut hier nichts zur Sache; ich bin es jedenfalls nicht!), der wunderbar erzählen kann, ein souveräner Stilist ist – und händeringend einen Verlag sucht, aber keinen findet! Andererseits lese ich mich momentan durch einige „Textproben“ auf den Sites von deutschen Krimiautoren und bin einfach nur noch erschüttert, was mir dort stilistisch zugemutet wird. Jeder Heftchenautor käme damit nicht durch (überhaupt gibt es „Pulp“-Autoren, deren Sprachdisziplin ich einfach bewundere! Das mag mir vom Stilistischen nicht einmal gefallen, aber sie kümmern sich wenigstens um ihre Sprache!).
Ja, ja, weites Feld. Da öffnen sich neue Tore für die Crime School…
bye
dpr
Hallo Lars,
Ani ist beileibe keiner, der sich über seine Regionalität fassen läßt. Nein, diese Charakterisierung wird ihm nicht gerecht.
Im Gegenteil, die fehlende Regionalität würde ich ihm sogar ankreiden. So wie bei ihm, kommuniziert man nicht in Oberbayern !
Da versprüht W. Haas z.B. deutlich mehr österreichischen Flair, Brookmyre mehr die schottische weiche Sprache und Ellroy mehr amerikanische „Sprachspezifität“; nein Ani ist – so gesehen – weichgespült.
Auch Pelecanos wird ja nicht der Vorwurf der Regionalität gemacht, nur weil seine Romane in Washinton spielen – in Gegenteil, er gilt ja gewissermassen als dessen Stimme.
Und lieber dpr,
unter gigantischen Kuschelfaktor, verstehe ich die Fortsetzung R. Pilchers mit Krimimitteln (und eben nicht Ellroy, Vachss oder [meineswegen] S/W).
Mit besten Grüßen
bernd
Moin Bernd,
ach so ist das mit dem „Kuschelfaktor“! Nennen wir’s also „heile Krimigenre-Welt“ und zwar in it’s worst sense.
Noch ein Wort zu Regionalkrimis: Ich lehne sie nicht per se ab. Das Ganze ist eine Marketingmasche – auch okay. Wenn bloß nicht dieses ständige Verdrängen der reinen Krimi-Qualität durch die schiere Präsenz der Kulisse wäre. Mir fallen die Eifelkrimis von Berndorf ein: Sind nett geschrieben, aber die Personenzeichnungen, die Logik… aber versuch mal, jemanden, der die Eifel liebt, DAS zu vermitteln… Somit hat Ani mit seinem Vorwurf der verkappten Heimatromane den Punkt getroffen.
bye
dpr
Lieber dpr,
incl. Beispiel gebe ich Dir bzgl. der Regionalkrimis recht.
Das gilt auch für die meisten anderen Sujet-Krimis – Wein z.B.- fällt mir da ein.
Mit besten Grüßen
bernd
[…] erter Heimatroman
Abgelegt unter: » Krimikritik — Ludger @ 2:04 pm
Die Diskussion um die “Schlechten Zeiten” des Kriminalromans haben mich an eine Besp […]