Criminale in Farbe – Folge 4 – Blut & Bier

vom Krimiblogger

Leinwand

„Halten Sie sich die Ohren zu!“ – gleich am Anfang ein gut gemeinter Rat der Moderatorin Michaela Padberg. Sie, die sonst die Zuschauer der WDR-Lokalzeit Südwestfalen am Bildschirm begrüsst, führte durch den Eröffnungsabend der 19. Criminale in der Stadthalle in Meschede. Das Zuhalten der Ohren war von der charmanten Moderatorin zwar auf die Musik gemünzt, weil Sinfonieorchester und Schlagwerkensemble der Musikschule Hochsauerlandkreis recht laut würden, aber eigentlich waren die Musiker die Stars des Abends.

Für klangvolle und kräftige Töne sorgten zudem Kinder- und Jugendchöre der Musikschule Hochsauerlandkreis, der Männerchor Arnsberg 1880 und die wunderbare Solistin Bo Shannon, mit der Lizenz zum Singen. Die musikalische Bandbreite reichte von der „Toccata“ (Bach/Stokowski) über eine Samba bis hin zum „O Fortuna“ aus Orffs „Carmina Burana“. Fortuna meinte es musikalisch wirklich gut mit uns im Publikum, denn hervorragend präsentierte Bo Shannon ein Medley aus Titelmusiken zu James-Bond-Filmen. Wer sich hier die Ohren zuhielt, verpaßte den Höhepunkt des Abends.

„Sauerländer sind die Sizilianer Westfalens“

Aber: Ich war ja nicht auf einem Musikfestival, sondern auf der Eröffnung eines Krimifestivals. Worte, meine Lieben, gab es zwar auch reichlich – aber die waren weder kraft- noch wertvoll. Das die Honoratioren und Sponsoren brave und warme Worte ins und ans Publikum richteten, gehört wohl mit zum Ritual. (Ohren zu!) Franz-Josef Leikop, Landrat des HSK, machte unter dem Motto „Blut und Bier“ klar, worum es bei der diesjährigen Criminale gehen soll. Ein wenig skurrile Morde hier, ein wenig Small-Talk dort und jede Menge Bier, davon gibt es ja bekanntlich genug im Sauerland. Fast wäre ich versucht zu sagen, der gute Mann hätte sich vertan und meinte vielleicht „Blut und Boden“ – so, wie er reichlich die Werbetrommel für die sauerländischen Berge, Wiesen und Täler rührte – aber das wäre dann doch zu vermessen. Nein, Landrat Leikop und die herbeigeeilten, zahlungskräftigen Sponsoren wollten vor allem eins: Für das Sauerland werben und die rund 160 Krimiautorinnen und -autoren sollen dabei Hilfe leisten. Inspiration fänden sie schließlich genügend, zum Beispiel könnten sie sich ja mal mit dem Thema Wirtschaftskriminalität beschäftigen, so der Vorschlag von Peter Wagner, der die Sparkassen des HSK vertrat. Offenbar weiß der Mann, wovon er spricht.

Einem anderen Sponsoren fiel ein so schönes Zitat ein, dass ich glatt vergessen habe, mir aufzuschreiben von wem es stammt. Erwähnt sei es trotzdem: „Sauerländer sind die Sizilianer Westfalens“. Wer hätte es gedacht, Mafiamethoden zwischen Meschede und Marsberg. Wahnsinn! Noch wahnsinniger schien der Mensch vom Ministerium für Städtebau, Wohnen, Kultur und Sport. Er machte gleich zwei wichtige Merkmale der diesjährigen Criminale aus: Regional- und Bildungspolitik. Das mit der Regionalpolitik hatte ja schon der Landrat gesagt, die Bildungspolitik hingegen musste natürlich der Mann von der Kultur erklären. 19 der rund 70 Lesungen finden in Schulen statt und sind nicht öffentlich. Deutsche Krimiautor/innen bringen also den PISA-geplagten Schülern und Schülerinnen Lesen und Schreiben bei. Da werden die ganz schön staunen und bei der nächsten PISA-Studie werden die sauerländischen Schulen im Fach Deutsch ganz weit vorne liegen. Wetten?

Wo bleibt der Krimi?

Lassen wir das Schwadronieren über Bildung – wir sind ja zum Vergnügen hier. Das stellte sich allerdings eher selten ein. Ein lieblos zusammengeklatschter Film, zerstückelt in zwei Teile, sollte wohl Lust auf das Sauerland machen. Damit es wenigsten etwas mit Grimmi zu tun hatte, verfassten die Bürgermeister der beteiligten Städte das Drehbuch dazu: „Prohaska – Schnee und Kanonen“ hieß der Streifen. Eine verschwundene Schneekanone, ein ungepflegter Privatdetektiv mit Namen Prohaska sowie die Bürgermeister selbst spielten darin eine gewichtige Rolle. Vermutlich hätten die Videogruppen der ortsansässigen Schulen weit Besseres auf die Leinwand gebracht. Wenn die Bürgermeister ihre Haushaltsbücher so führen wie dieses Drehbuch, dann gute Nacht, armes Sauerland…

Ach ja, dann war da noch ein sogenanntes Gespräch, bei dem Kathrin Heinrichs, Krimiautorin, und Horst Eckert, Noch-Sprecher des Syndikats, klar herausstellten, wie wichtig doch die Criminale ist. Wie kuschelig es doch im Syndiakt zu geht, wo sich alle lieb haben, es keinen Konkurrenzkampf gibt und die Leser und Leserinnen abgöttisch geliebt werden. Und natürlich sind die Geschmäcker verschieden und natürlich werden Newcomer und Bestsellerautoren (gibt es die eigentlich im Syndikat?) alle gleich behandelt und überhaupt ist alles ganz, ganz toll! Vom Krimi – also so dem echten und wichtigen – habe ich übrigens nichts gehört und gesichtet. Hatte sich vermutlich in den sauerländischen Bergen versteckt. Ich folgte dann dem Rat der Moderatorin und habe mir die Ohren zugehalten – bis mich die Musik erlöste.

Eindrücke
Bo Shannon
Mit der Lizenz zum Singen: Bo Shannon

Landrat
„Die Criminale 2005 ist eröffnet!“

Talkshow
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Streicher
Sie sorgten für Schwung.

Bo Shannon
„Wo ist der Krimi?“