Criminale in Farbe – Folge 8 – Von Tuten und Blasen

vom Krimiblogger

Die Jungs hatten es drauf: Eine furiose Mischung aus Mancini, „Star Wars“ und Liebesliedern bliesen und sangen Mnozil Brass aus Wien den Zuhörern im Kulturzentrum Arnsberg-Hüsten kräftig ins Ohr. Kein Bein, dass nicht mit wippte und immer wieder brandete begeisterter Zwischenapplaus auf. Doch die sechs Musiker aus Österreich setzt nicht nur auf kräftige Töne, sie tanzten, blödelten und schauspielerten wunderbar. Erfrischend, lustig und unterhaltend. Die Big Band des Landespolizeiorchesters NRW, weiterer Act des Abends, hatte es schwer, dagegen anzuspielen. Die Männer, die sonst für Recht und Ordnung sorgen, schlugen sich tapfer: Sie swingten locker, leicht und heizten dem Publikum gut ein. Falls es bislang Zweifel gab, beim „Tango Criminale“ wurde klar: Im Hochsauerland spielt die Musik. Nix mit verstaubten Blaskapellen und Schützenfestumzügen – Musik in einer umfassenden Bandbreite schallt zwischen den tausend Bergen.

Schrieb ich gerade „Tango Criminale“? Ach ja, die Musik war nur Beiwerk, Rahmenprogramm, bunte Abwechslung für den Ehrentag einer ehrenwerten Gesellschaft, die sich „Syndikat“ nennt. Zwischen 300 und 400 deutschsprachige Autorinnen und Autoren (die Zahlenangaben schwanken immer, je nachdem, wen man fragt) sollen in dieser Vereinigung organisiert sein. Einziges Ziel: Die Organisation der jährlich stattfindenden Criminale, dem größten, europäischen Krimifestival. Abschluß dieses Festivals ist – langjährige Krimifans wissen es – die Verleihung des Friedrich-Glauser-Krimipreises, der in den Kategorien Kurzgeschichte, Debütkrimi und Roman vergeben wird. Dazu kommt noch der Hansjörg-Martin-Preis für den besten Kinder- oder Jugendkrimi eines Jahres. Diesmal sollte es besonders spannend sein: Handelt es sich doch angeblich um den „Oscar“ der deutschsprachigen Krimibranche. (Kleine Nebenfrage: Weiß die Academy of Motion Picture Arts and Sciences eigentlich, dass das Syndikat sich mal eben den „Oscar“ für ihre Krimis einverleibt hat? Wenn mich nicht alles täuscht, mag die ehrwürdige Akademie es gar nicht, wenn der Begriff „Oscar“ in einem anderen Zusammenhang als mit ihren Filmpreisen verwendet wird. Aber im Syndikat wird’s genügend krimischreibende Juristen geben, die das besser beurteilen können…)

Um die Spannung auf die Spitze zu treiben (Krimiautor/innen sollten dies können), wurden die Preisträger erst während der Verleihung bekannt gegeben. Nur das die gute Ingrid Noll den Ehrenglauser für ihr Lebenswerk bekommen würde, das stand schon Wochen vorher fest. Die anderen Nominierten mussten also angespannt und aufgeregt im Publikum sitzen. Mussten sie das wirklich? Dummerweise ging die Pressemitteilung mit den Siegern schon früher raus. Zwar war sie mit einer Sperrfrist versehen, das heißt, die darin enthaltenen Informationen dürfen erst ab einem bestimmten Zeitpunkt veröffentlicht werden, doch einem Gerücht zufolge hielt sich eine Nachrichtenagentur nicht daran und posaunte die Gewinner schon vor der Sperrfrist raus. Kann passieren – doch dieses Gerücht führte wiederum zu einer interessanten Diskussion. Ein namhafter Verleger hielt dieses Vorgehen für nicht angemessen (Verleger drücken sich gepflegt aus, man hätte auch albern sagen können). „Die nehmen sich zu wichtig – dies ist nicht der Oscar“, diesmal im Originalzitat. Woraufhin ihm eine sympathische Zeitungsredakteurin Zustimmung signalisierte und lapidar erklärte: „Was soll ich am Montag mit dieser Meldung? Die interessiert dann keinen mehr. Heute, am Samstag, hätte es in der Zeitung stehen sollen.“

Tja, was soll man am Montag mit dieser Meldung – eine durchaus berechtigte Frage. Und wer ist eigentlich Friedrich Glauser? Nun, wer nicht bis Montag warten möchte, bekommt die Sieger von mir hier kurz um die Ohren gehauen – was ungefähr dem Verfahren auf dem „Tango Criminale“ entspricht:


Hansjörg-Martin-Preis: Sabine Ludwig für „Die Nacht in der Mr. Singh verschwand“
Kurzgeschichte: Gunter Gerlach für „Hochzeit in Voerde“
Debüt: Stefan Slupetzky für „Der Fall des Lemming“
Roman: Hansjörg Schneider für „Hunkeler macht Sachen“

Jetzt wissen wir mehr, das Geheimnis ist endlich gelüftet. Aber halt: So ganz einfallslos ist das Syndikat ja nicht. Zu jeder und jedem Preisträger/in gab es eine – mal kürzere, mal längere – Laudatio, in der die Jury ihr Urteil begründete. Nachlesen kann man dies irgendwann sicher auf der Homepage des Syndikats. Wie war das mit der Meldung am Montag, die niemanden mehr interessiert? Selbst im Publikum trat bei der Verlesung der Begründung Schweigen ein (man ist ja höflich), dann wurde brav geklascht und sehnsüchtig die nächste Musik erwartet. Die war spannender, frischer und einfallsreicher, als die müde vorgetragenen Lobpreisungen von Kollegen auf Kollegen.

Was bleibt also als Fazit? Zweierlei: Der Hochsauerlandkreis und die Menschen, die für ihn arbeiten, haben sich reichlich Mühe gegeben, viel Zeit und Kraft investiert und organisatorisch gute Arbeit geleistet. Nur so als Randbemerkung: Das ganze Spektakel hat den Kreis 95.000 Euro Steuer- und Sponsorengelder gekostet (unter anderem dafür, dass es sich rund 160 Krimiautor/innen für zwei, drei Tage haben gut gehen lassen) . Für den HSK eine hoffentlich gute Investition, weil damit reichlich Werbung für die Region verbunden ist. Zudem hat man sich kulturell von einer interessante Seite gezeigt, gastfreundlich, offen und mit sauerländischem Charme. Die berühmten zwei Fliegen. Der eigens ausgeschriebene Jugendwettbewerb soll übrigens weiter bestehen – eine gute Entscheidung. Das Syndikat hingegen hat sich einmal mehr von seiner lahmen, langweiligen und selbstherrlichen Art gezeigt. Eine Vereinigung, deren einziger Verdienst (nach außen hin) es ist, einmal im Jahr ein solches Festival zu organisieren (mit finanz- und tatkräftiger Hilfe der Gastgeberregion), die für sich in Anspruch nimmt, den deutschsprachigen Krimi zu repräsentieren, die lieb- und kraftlos Krimipreise vergibt, hat sich in meinen Augen disqualifiziert und überlebt. Angesichts knapper Haushaltskassen, angesichts der Sparzwänge gerade im Kulturbereich sollten sich die verantwortlichen Politiker durchaus überlegen, ob sie 160 Autor/innen mal ein paar schöne Tage gönnen, oder ob das Geld nicht in nähere und qualitativ bessere Projekte (wie zum Beispiel einem Jugendschreibwettbewerb, wie ihn der HSK nun fortsetzten möchte) stecken wollen. Interessante Krimilesungen kann man auch anders organisieren – dafür braucht’s kein Syndikat.

Eindrücke
Mnozil Brass
Die Stars des Abends waren nicht die Krimiautoren, sondern Mnozil Brass.

Big Band
Sie swingten locker mit: Die Big Band des Landespolizeiorchesters NRW

Slupetzky Noll
Preisträger unter sich: Stefan Slupetzky und Ingrid Noll

Ludwig Schneider
Noch mehr Preisträger: Sabine Ludwig und Hansjörg Schneider

Ingrid Noll
Charmante Dame mit Mordgelüsten: Ingrid Noll mit ihrem Ehrenglauser