Der konsternierte Kommissar
vom Krimiblogger
Es gibt Kriminalromane, die müsste man unbedingt lesen, weil der Klappentext soviel verspricht. Da wird der Mund richtig voll genommen, dass man nichts anderes erwarten darf als einen Mega-Super-Krimi, mit Ermittlern, die wirklich alles können. Ein schönes Beispiel für so einen kommenden Megaseller ist das Buch „Novemberfrost“, verfasst von Jakob Maria Soedher, der in diesem Sommer bei der Edition Hochfeld erscheinen soll. Dieses Buch wird monatelang auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste stehen, egal, ob Harry Potter kommt oder nicht – „Aber lesen Sie doch selbst!“ fordert der Verlag die Besucher seiner Homepage auf. Genau, lesen Sie doch mal selbst, um was für ein Super-Krimi es sich da handelt…
Es sei einfach mal aus dem Klappentext und einer Leserinnenrezension zitiert:
„Dem Leser wird es nicht spannend genug werden, folgt er dem polizeilichen Ermittler Johannes Bucher, Leiter eines Ermittlungsteams beim LKA in München. Warum gerade das LKA? Das Opfer stammt aus reichem Hause. Der Kommissar ist konsterniert über die Verhältnisse, die er dort kennen lernt, und doch auch wieder nicht. Er ist einer, der gerne trinkt und die Freuden des Lebens aus den Augenwinkeln verfolgt. Tote Winkel gibt es dennoch nicht. Auch dem Nicht-Krimi-Liebhaber oder Debütanten präsentiert „Novemberfrost“ ein prägnantes Gesellschaftsportrait und ein blühendes Stilgemälde grauer bürokratischer Abläufe – mitunter fettfrei gespickt mit klugen Momentaufnahmen zwischenmenschlicher Stellungskämpfe – Situationskomik unter einem Hauch kühlen Feuers. Unvergesslich – die Charaktere des skurrilen LKA-Teams und die Figuren der Nebenhandlungen.“
Ich wollte schon immer mal einen konsternierten Kommissar kennenlernen und freue mich wahnsinnig auf das “ blühende Stilgemälde grauer bürokratischer Abläufe“ – natürlich „fettfrei„!
Aber es geht ja noch besser, denn Asta Hemmerlein aus München äußert sich unter anderem so zum Roman:
„Äußerst behutsam, Mosaik um Mosaik rollt Bucher vor dem Auge des Lesers einen Spurenteppich aus, der sich unter die Haut schiebt – und einen nicht mehr loslässt. Wer ist der Mörder? Bucher ist immer wieder damit konfrontiert, das Bewährte hinter sich zu lassen. Das menschlich Unberechenbare macht diesen Krimi zu einem echten Thriller. Im Zuge Buchers Recherche erfährt der Leser alles über sich selbst, denn Bucher ist der Meister der psychologischen Analyse. Blickt der Seele blitzschnell auf den Grund für die letztendliche Lösung. Unterstützt wird er von seinem skurrilen Team: dem freakigen Familienvater Hartmann, dem draufgängerischen Jungkriminalisten Batthuber und der lebensklugen, Lara Saiter. Dieser Roman ist ein Spiegel unserer Zeit, unserer Gesellschaft, der über die Figur Bucher ein Bild reflektiert, dem wir uns mit schnellen Schritten und lautem Getöse im Trubel des Alltags entziehen: die Kälte zwischenmenschlicher Beziehungen, die Vereinsamung des Individuums in einer voll besetzten Großstadt. Wer sich hier wohl fühlt, ist nicht mehr am Leben.“
Wow, dieses Buch spart den Gang zum Psychologen, denn hier erfährt der Leser endlich „alles über sich selbst, denn Bucher ist der Meister der psychologischen Analyse.“ Toll, das könnte die Kosten im Gesundheitswesen radikal drücken. Statt Psychotherapie verschreiben Ärzte einmal diesen Krimi. Vorher muss man allerdings die schmerzhafte Prozedur des Spurenteppichs ertragen, der sich unter die Haut schiebt. Aua! Und wer sich danach dann wohlfühlt, der ist, da ist sich Frau H. aus M. sicher, „nicht mehr am Leben“.
Wer nun denkt, ich habe mir das alles ausgedacht, der schaue doch bitte auf der → Homepage des Verlages nach. Dort gibt es noch viel mehr wundersame Dinge zu entdecken….
Kommentare
Ist hier das Buch Novemberfrost besprochen oder der Werbetext? Wie ist denn das Buch? Hat es schon jemand gelesen? Fände das eigentlich interessant …
Endlich mal ein Krimi, der nicht geschrieben wurde, die Leser zu erziehen, sondern einfach an der Story bleibt. Geradlinig und spannend gemacht. Super Urlaubslektüre …
Putzig, bei einem Verkaufsstart im September 2005. Wahrscheinlich einer der Auserwählten, die von diesem Büchlein ein Rezensionsexemplar bekommen haben…
Moin,
es gibt gewisse Unterirdischkeiten, die mich immer wieder erheitern.
„Endlich mal ein Krimi, der nicht geschrieben wurde, die Leser zu erziehen, sondern einfach an der Story bleibt.“ : ist eine dieser Unterirdischkeiten. Das hat ungefähr den Wert von „Endlich mal ein Krimi, dessen Kommissar nicht Krawuttke heißt und Mosel-Saar-Ruwer-Rotwein süffelt“.
bye
dpr
Lieber dpr,
dieser ganze Klappen- und Werbetext, dieser furchtbare Mischmasch aus Bildungssprache, schiefen Metaphern und „Wir-machen-jetzt-mal-ganz-toll-auf-Krimi“, ist eine Beleidigung für jeden halbwegs gebildeten Leser. Verlage, die so etwas ins Internet stellen, gehören ganz klar zum Konkursverwalter überwiesen. Oder er bekommt den „Bad-Taste-Crime-Award“, der übrigens dringenst erfunden werden muss…
Viele Grüße
Ludger
Hallo Leute,
ich glaube keiner von Euch hat den Krimi gelesen ….
der Klappentext ist ja wirklich für die Klappe …
der konsternierte Kommissar trinkt roten aus Bordeaux und nicht Mosel-Saar-Ruwer.
So etwas wie den Bad-Taste-Crime-Award sollte es wirklich geben,
allerdings glaube ich das einige hochgelobte Bestseller da eher hingehören, als der da. Er ist nämlich spannend.
Hallo,
ich tatsächlich konsterniert – über die Qualität der Äußerungen. In einem Beitrag etwas weiter vorne habe ich etwas von journalistischer Arbeit lesen können . Nun ja. Also ich bin journalistisch tätig und lese Novemberfrost gerade (S. 114) – und gehöre damit auf diesen Seiten wohl zur MInderheit. Ein Buch zu besprechen, welches man nicht gelesen hat ist journalistisch untragbar. So viel dazu. Wenn der Blog-Rezensent das Buch gelesen hätte, wüßte er schon einmal, dass Frau Asta Hemmerlein nicht eine Leserin, sondern die Lektorin des Buches, noch dazu ein renommierte Lektorin (Recherche) ist. Lektoratsverweise finden sich üblicherweise auf Seite 4. Die Website des Verlages bietet zudem die Möglichkeit für Redaktionen und den Buchhandel, Lese- und Rezensionsexemplare abzurufen. Eine feine Sache, wie ich finde und überhaupt nicht sonderbar.
Über Texte kann man streiten, gewiß. Man sollte sie jedoch gelesen haben. Jedoch einem Verlag der neu startet auf Grund eines Klappentextes den Bankrott zu wünschen und für ein Buch, welches man nicht gelesen hat, einen Bad-Taste-Crime… zu wünschen – das sind typisch deutsche Reflexe. Ich kann nur vermuten, dass es hier um persönliche Dinge geht, die sich mir nicht erschließen. Journalistisch gesehen handelt es sich hier aber um schlampige Arbeit.
Zum Buch selbst möchte ich sagen, dass ich jedem Buch faire 50 Seiten gebe – dann entscheide ich ob ich weiterlesen möchte. Bei Novemberfrost wollte ich das, wenngleich der Schreibstil gewöhnungsbedürftig ist. Durchgehend kurze Sätze – das ist ja auch ein Stilmittel. Und … ich möchte jetzt wissen wers war.
Zur euphorischen Bewertung des Rezensenten was die Spiegel-Bestsellerliste angeht noch folgendes. Auf dieser Liste standen schon Bücher, die elendig schlecht geschrieben waren. Von daher treffe ich keine Aussagen darüber, welche Produkte auf irgendwelchen Listen stehen. Etwas mehr mehr Distanz täte gut.
Lieber Klaus Mäglein,
offensichtlich haben Sie nichts – aber auch gar nichts begriffen: Weder was Journalismus, was Blogs, was Klappen/Werbetexte und was Schreibstil betrifft.
Gruß
Ludger
Moin Ludger,
da, das ist ja eine tolle Stimmung bei dir im Blog! Leser, die nicht lesen können, aber „journalistisch tätig“ sind, andere Leser, die sich nach drei Zeilen böse angemacht fühlen! Ín MEINEN Blog kommt ja keiner, dessen Intelligenzquotient kleiner als seine Schuhgröße ist.
bye
dpr
Moin dpr,
das Blogleben ist halt hart und ungerecht. Aber nix im Vergleich zu meinen alten Foren-Zeiten. Was den Intelligenzquotient betrifft: Leider gibt es für WordPress noch kein Plugin, das den IQ der Diskutanten überprüft.
Guten Start in die Woche
Ludger
Guten Morgen,
kaum hat man eine kleine Auszeit genommen, gibt es im Nachtbuch Humor bis der Arzt kommt.
Kann es denn sein, dass die Kompetenz das Wort Djornalistig richtig zu schreiben, dazu führt, dass die Kompetenz Texte richtig zu lesen, flöten geht ?
Mich zumindest hatte der Ursprungstext von Ludger gut unterhalten. Solche Werbetexte treiben mir die Zornesröte ins Gesicht…
Ich tatsächlich auch konsterniert grüßend
bernd
hey – was regt ihr euch eigentlich so dobermännisch auf, über einen Werbetext der Euch nicht gefällt ? Wo ist das Problem ?
Guten Morgen,
merkwürdig, dass sich aus so einem harmlosen Kommentar eine solche Diskussion entwickelt. Die Ironie scheint nicht bei jedem ankommen zu sein. Also, für die einfacheren Gemüter unter uns: Mir treiben solche Werbetexte (um nichts anderes ging es mir, es handelt sich nicht um eine Buchbesprechung) ähnlich wie Bernd die Zornesröte ins Gesicht.
Da möchte ein – vermutlich – neuer Verlag einen Krimi verkaufen. Ok.
Dafür lässt er von einem unbekannten Autor einen Werbetext verfassen. Ok.
Dieser Werbetext strotzt vor schiefen Metaphern, falschen Bildern, ungenauen Formulierungen. Kurz: Der Werbetext ist ein stilistisches Meisterwerk (Ironie!). Nicht ok.
Darüber habe ich versucht, mich lustig zu machen. Von einem Verlag, der auf Papier gedruckte Wörter verkaufen will, erwarte ich, dass er Leute beschäftigt, die in der Lage sind, Wörter in einen sinnvollen Zusammenhang zu stellen, gerade wenn es sich um den Werbetext handelt. Schließlich soll so ein Werbetext die möglichen Leser packen. Der oben abgehandelte Text hat mich nicht gepackt sondern mir die Lachtränen in die Augen getrieben.
Weiterhin ist es mir schnurzpiepegal wer oder was Asta Hemmerlein ist. Wenn die gute Frau allerdings Lektorin ist, dann hat sie mit ihrem Text wohl eher ein Eigentor geschossen. Wer solche sinnfreien Texte veröffentlicht, hat offenbar ein Problem mit der deutschen Sprache, ist Anhänger des Dadaismus, deutscher Post-Pop-Literat oder hat seinen Beruf verfehlt (Zutreffendes bitte ankreuzen).
Viele Grüße
Ludger
Lieber / liebe Ofra, oder wie immer du dich gerade nennst,
ich vermute mal, du und deine Mitposter haben in irgendeiner Weise etwas mit dem Verlag zu tun. Schön für euch. Ich nehme auch an, ihr seit noch neu im Geschäft. In Ordnung. Euer größtes Problem wird es sein, genügend Rezensionen zu eurem ersten Buch zu bekommen. Ich weiß: Ihr schickt jetzt jede Menge Rezensionsexemplare an Spiegel, Zeit, FAZ und TAZ und überall sonst hin, aber – glaubt mir – die Chancen, dass sich einer der dortigen Rezensenten eurer erbarmt, ist gering. Mit eurem Waschzetteltext habt ihr auch diese geringe Chance noch weiter minimiert. Wenn ich so etwas in die Finger kriege, bin ich in der Regel nicht mehr scharf auf das Buch. Was schade sein könnte, ich weiß, vielleicht ist das Buch wirklich gut, aber wer es SO anpreist, sollte sich nicht wundern, dass es gar nicht erst gelesen wird.
Dass sich Ludger berechtigterweise über diesen Text hergemacht hat, hätte eine Chance für euch sein können, da etwas zu korrigieren. Euer Herumgemosere jedoch ist einfach nur albern. Ich wünsche euch wirklich alles Gute und habe grundsätzlich Respekt vor allen, die sich auf dieses glatte Parkett begeben. Mir sind kleine Verlage immer sympathisch, und wenn sie es schaffen, ein wirklich gutes Buch bekannt zu machen (wie es etwa Liebeskind mit David Peace‘ „1974“ geschafft haben), freue ich mich ehrlich. EURE Art aber wird sich nicht auszahlen, glaubt mir. So, Thema erledigt.
bye
dpr