Die tägliche Dosis Mord und Totschlag

vom Krimiblogger

Tagebuch

Deutsche Krimiblogs – leider immer noch ein trauriges Kapitel im Internet. Dabei mögen Krimileserinnen und Krimileser fast nichts so sehr, wie die tägliche Dosis Mord und Totschlag. Portale zum Thema gibt es mittlerweile einige, doch wo bleiben die Stimmen von klugen Krimileserinnen und Krimilesern?

Neu sind deutschsprachige Krimiblogs nicht: Schon vor über sieben Jahren pflegte der Freiburger Krimibuchhändler Robert Schekulin ein → Krimitagebuch im Internet. „Angelesen, halb gelesen, ganz gelesen“ – so lautete das Motto von Roberts Notizen, in denen er kenntnisreich, humorvoll und mit viel Liebe zum Krimi über seine Leseerfahrungen berichtete. Über Permalinks und Trackbacks – Begriffe, die heute zum Wortschatz jedes Bloggers gehören – machte man sich damals noch nicht allzu viel Gedanken. Robert stellte seine Notizen einmal monatlich gesammelt ins Netz und wurde (hoffentlich) gelesen. Seit über einem Jahr gab es dann leider keine Aktualisierungen mehr im Krimitagebuch. Ein – wie ich finde – herber und trauriger Verlust, denn die kleine, deutschsprachige Krimiszene ist nicht gerade gesegnet mit klugen Leuten, die interessant über das Genre schreiben können. Robert gehört für mich eindeutig dazu, schade, dass er dazu nicht mehr die Zeit findet, seine Leseerfahrungen im Tagebuch uns mitzuteilen.

Tagebuch BlauDafür trat Anfang dieses Jahres ein neues, regelmäßig gepflegtes Krimiblog in mein Leben → „Watching the detectives“ heißt die Rubrik, die wochentäglich von Dieter Paul Rudolph beim Hinternet gepflegt wird. Dazu kommen seit kurzem auch Rezensionen, bislang vor allem englischer und amerikanischer Originalausgaben, von Dr. Bernd Kochanowski. Für dieses Blog gilt: Tägliche Lektüre ist Pflicht und Lust zugleich.

Ein weiteres, relativ junges → Krimitagebuch stammt von dem Hamburger Journalisten und Krimikritiker Tobias Gohlis. Als Vorsitzender der KrimiWelt- Jury berichtet er über Begegnungen mit Autoren oder kommentiert aktuelle Entwicklungen in der Krimiszene. Dies alles ist nachzulesen bei Arte. Leider auch nur ein- oder zweimal im Monat aktualisiert.

Gerne würde ich hier jetzt noch viel mehr deutschsprachige Blogs aufführen, die sich hauptsächlich mit Kriminalliteratur beschäftigen – leider gibt es die aber (noch) nicht. Natürlich: Einige Krimiautorinnen und –autoren führen Blogs, auch einige gute Bücherblogs äußern sich gelegentlich zur Kriminalliteratur. Aber: Blogs, die sich aus Kritiker- und Lesersicht schwerpunktmäßig mit Krimis beschäftigen, fehlen.

Dabei wären gerade Blogs für Krimileserinnen und –leser eine ideale Plattform: Sei es, um die tägliche Krimilektüre einfach wie in einem Notiz- oder Lesetagebuch festzuhalten, sei es, um spontane Gedanken zu Krimis, Krimiautor/innen, Krimiverlagen oder Krimiveranstaltungen nieder zu schreiben, sei es, um ganz einfach Krimirezensionen zu veröffentlichen oder um Grundsätzliches zum Thema Kriminalliteratur zu sagen. Denn Blogs haben einen großen Vorteil gegenüber den großen, gut gepflegten Krimirezensionsportalen: Sie können wunderbar subjektiv und provozierend sein. Sei müssen auf keine möglichen Werbekunden Rücksicht nehmen, sie können spontan, witzig, traurig, elegant oder knackig kurz sein.

Tagebuch grünDie zehnte, positive Rezension zu Fred Vargas neuem Knüller „Der vierzehnte Stein“ haut mich nicht wirklich vom Hocker. Spätestens bei der sechsten Besprechung habe ich eigentlich schon alles erfahren, was das Buch so wertvoll macht, über die achte Besprechung fliege ich nur noch drüber und bei der zehnten muss ich mir die Hand vor den Mund halten. Dazu kommt bei manchen Rezensenten, das haarkleine Nacherzählen der Handlung. Würde ich ständig alle Krimirezensionen im deutschsprachigen Internet vollständig lesen, bräuchte ich eigentlich keine Krimis mehr lesen. Letztlich machen Krimiportale alle das Gleiche, natürlich mit gewissen Unterschieden und Gewichtungen. Hier findet man fundierte Besprechungen, dort ausführliche Bibliographien, und bei dem dritten Portal gibt es reichlich Interviews mit deutschen Krimiautor/innen. Schön – immerhin mehr, als es vor ein paar Jahren gab. Aber ist das wirklich schon alles? Wo bleibt die Vielfalt?

Blogs, von einzelnen Leserinnen und Lesern, aber auch von Verlagsmenschen, Kritiker/innen oder Krimbuchhändler/innen geschrieben, würden viel mehr Farbe ins Krimispektrum bringen, davon bin ich überzeugt. Warum berichtet nicht eine Lektorin über ihre tägliche Arbeit? Was erlebt ein Krimibuchhändler in seinem Geschäft? Wo hat die Krimileserin mit ihrem Agatha-Christie-Schmöker wieder mal schiefe Blicke geerntet? Wer hat Tipps, wie man an vergriffene Ed McBain-Bücher herankommt und was hat er bei der Suche so erlebt? Wer liest vor allem englische/französische/schwedische/italienische/spanische – also originalsprachliche – Krimis und kann uns Einblicke in fremde Krimilandschaften bieten? Wer hat sich auf bestimmte Krimiautor/innen spezialisiert und kann darüber bericht. Dazu vielleicht noch ein wenig Gossip aus der Szene – oder sind Krimimenschen furchtbare Langeweiler? Es muss doch mehr geben als Krimi lesen, Krimi besprechen, Krimi-Besprechung lesen – nächster Krimi bitte.

Tagebuch rotGanz bewusst habe ich auf die Autor/innen verzichtet. Die schreiben sowieso und wissen, wie und wo sie sich zu äußern haben (oder auch nicht). Mir geht es um die Leute, die sonst nie oder nur wenig zu Worte kommen. Ich würde mich freuen, wenn ich hier in Zukunft noch mehr Krimiblogs – vor allem von Leser/innen – verlinken könnte. Technisch ist ein Blog einfach einzurichten, auch ohne große Kenntnisse von HTML & Co. Was dann noch fehlt, ist die Disziplin, es täglich oder doch regelmäßig zu pflegen. Aber wer hat nicht Spaß an der täglichen Dosis Mord und Totschlag?

P.S.: Ebenfalls nicht in die Überlegung mit Einbezogen habe ich die geschätzten Alligatorpapiere. Die sind in einem gewissen Sinne zwar auch ein Blog, weil werktäglich aktualisiert, bieten allerdings vorrangig die Information, wer welches Buch wo rezensiert hat, mit entsprechender Verlinkung. In diesem Sinne gehören die Alligatorpapiere wohl eher zu den „Urblogs“, also Blogs, die vor allem als Linksammlung dienten.