Homophobie in der Hauptstadt

vom Krimiblogger

Der heilige EddyJakob Arjouni: Der heilige Eddy

Krimis mag er nicht, der Jakob Arjouni. So steht es jedenfalls in der kleinen Gegenüberstellung → “Mag ich / Mag ich nicht“, die der Diogenes-Verlag auf seiner Internetseite anbietet. Dabei ist Arjouni vor allem durch seine vier Kayankaya-Krimis bei uns bekannt geworden. Der letzte mit dem Titel “Kismet“ erschien 2001, danach wandte sich der Autor, mit einer Ausnahme, von der Genre-Literatur ab. Keine Krimis mehr von dem Mann, der mit seiner Figur des Privatdetektivs Kemal Kayankaya schon lange vor der Multi-Kulti-Welle gekonnt mit den Missverständnissen und Vorurteilen zwischen Deutschen und Türken aufräumte. Sein aktueller Roman “Der heilige Eddy“ kehrt zumindest etwas zurück zu den Anfängen von Jakob Arjouni. Krimi-Slapstik soll es sein, eine Roman, der den Witz und den Charme einer Billy-Wilder-Komödie versprüht. Behauptet jedenfalls der Klappentext. Von Charme und Witz konnte ich nicht viel entdecken in diesem Roman. Fast hätte ich ihn unter “belanglose Unterhaltung“ abgetan – wäre da nicht eine latente Homophobie, die sich vor allem in der zweiten Hälfte des Buches ins Unerträgliche steigert.

Die Geschichte um den Gelegenheitsverbrecher Eddy Stein beginnt harmlos. Der Trickbetrüger ist über vierzig, hat angegraute Haare und Denkerstirnfalten. Er sieht aus wie irgendwas zwischen Museumsmitarbeiter, Feuilletonredakteur und Antiquitätenhändler. Er lebt in einer Mietwohnung im linksalternativen Kreuzberg, seinem Stadtteil, in dem er seinem kriminellen Job nie nach gehen würde. Seine Betrugsopfer findet er vielmehr unter den Touristen im Berliner Hauptbahnhof. Ein inszenierter Sturz über eine Bananenschale und schon ist er im Gespräch mit seinem gutbetuchten Opfer, das nach der Begegnung mit Eddy um einige tausend Euro ärmer sein wird. Mit seinen Gaunereien finanziert er seine Leidenschaft: Eddy ist Straßenmusiker und zusammen mit seinem Kumpel Arkadi träumt er von der großen Karriere. Bis hierher also brave Biederkeit, sowohl in der Geschichte wie auch im Erzählstil.

Wie immer in dieser Art von lustigen Krimikrachern braucht’s eine dramatische Wendung. Die tritt ein, als Horst “Hotte“ König in Eddys Hausflur steht. König ist der meistgehasste Mann Berlins, hat in den USA mit Bratwürsten Millionen gescheffelt, ist vor kurzem zurück nach Berlin gekommen, um die maroden Deo-Werke in Tempelhof aufzukaufen, nur um sie kurze Zeit später an einen chinesischen Investor wieder zu verschachern. Die 8.000 Angestellten werden ihre Jobs verlieren und die Berliner Volksseele ist erzürnt über den Heuschreckenkapitalisten. Dessen Tochter Romy ist als neue Mieterin in Eddys Nachbarwohnung eingezogen und nun steht ihr Vater im Hausflur. Doch Romy öffnet ihre Wohnungstür nicht. Es kommt zum Streit zwischen Eddy und Hotte, bei dem letzterer tödlich stürzt. Ein Unfall, doch Eddy scheut als Kleinkrimineller die Polizei. Auf kuriose Weise entledigt er sich schließlich der Leiche.

Stammtischniveau

Zunächst scheint es gut für Eddy zu laufen: Die Polizei findet zwar nach ein paar Tagen den toten König, doch Eddy hat es offenbar geschafft, alle Spuren zu ihm gründlich zu verwischen. Dann jedoch greift die Boulevardpresse den Fall auf und feiert den mutmasslichen “Königsmörder“ als Volksheld. Je nach politischer Gefühlslage wird der Täter zum Berliner Che Guevara oder zum kranken Faschoschwein stilisiert. Eddy indes beschäftigt sich immer mehr mit der reizenden Tochter seines Opfers. Ausgerechnet beim Leichenschmaus nimmt Eddy Kontakt zu Romy auf – und verliebt sich. Man könnte das als reichlich banale und glatte Krimikitschkomödie abtun, hätte Arjouni nicht die Figur des schwulen Reporters und Klatschkolumnisten Fabian Braake eingeführt. Der macht, wie es sich für einen Boulevardschmierfink gehört, der Familie des toten Bratwurstmillionärs das Leben zur Hölle. Eddy kennt die “Giftschwuchtel“ aus früheren Zeiten, als sie noch gemeinsam in einer Band spielten. Und da seine neue Geliebte Romy unter den Anfeindungen des Journalisten leidet, dreht Eddy den Spieß kurzerhand um. Mit dem entsprechenden Happy-End.

Natürlich soll und muss es miese schwule Figuren in Krimis geben. Natürlich darf man sich über all die Klischees lustig machen – das ist unter anderem das Wesen einer Komödie. Aber es kommt immer auf den Kontext an und in Arjounis Roman ist der nichts anderes als höchst schwulenfeindlich. Denn während alle Figuren zumindest ein paar Sympathipunkte vom Autor mitbekommen haben – selbst der Heuschreckenkapitalist Hotte, der weinend vor der Wohnungstür seiner Tochter steht – ist die schwule Figur Fabian Braake der Unmensch schlechthin. Ein widerlicher Schmarotzer, ein ekelhafter Schreiberling und ein ehemaliger Stricher, der es mit Ellenbogen (und man will sich nicht vorstellen womit sonst noch) nach oben gebracht hat. Spielte Arjouni in seinen früheren Kayankaya-Krimis durchaus geschickt mit Vorurteilen, auch und gerade in dieser Art von Macho-Krimi-Welt, entpuppt er sich hier als homophober Autor mit dem Drang zur billigen Schwarz-Weiß-Malerei. Das ist nicht lustig und es ist auch nicht unterhaltend. Jakob Arjouni ist mit seinem Roman “Der heilige Eddy“ auf Stammtischniveau ankommen. Bedauerlich.


Jakob Arjouni: Der heilige Eddy
. – Zürich : Diogenes, 2009
ISBN 978-3-257-86181-5

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