Wenn der Berg brennt

vom Krimiblogger

Kap der FinsternisRoger Smith: Kap der Finsternis

Der südafrikanische Autor Roger Smith hat bislang Drehbücher geschrieben, sowie als Produzent und Regisseur für Film und Fernsehen gearbeitet. Sein Gespür für klare, eindrucksvolle Bilder zeigt sich auch in seinem Debütroman “Mixed Blood“, der bei uns unter dem Titel “Kap der Finsternis“ erschienen ist. Finstere Alltagsszenen, ungeschönte Geschichten von Mord, Fanatismus und Korruption stehen in einem harten Kontrast zu der atemberaubenden Kulisse der südafrikanischen Metropole. Am Fuße des beeindruckenden Tafelberges entspinnt er eine rasante Geschichte von gnadenlosen Jägern und gnadenlos Gejagten – ohne Happy End.

Jack Burn, ehemaliger Soldat in der amerikanischen Armee, ist zusammen mit seiner schwangeren Frau und ihrem gemeinsamen Sohn Matt auf der Flucht vor der US-amerikanischen Polizei. Nach einem Banküberfall in Milwaukee gerät er zusammen mit seinen Kumpeln in eine Polizeikontrolle und erschießt einen Polizisten. Über Miami gelingt ihm und seiner Familie die Flucht nach Kapstadt. Dort wollen sie unter neuem Namen ein neues Leben führen – gelandet sind sie jedoch in der Hölle. Denn hier beginnen ihre Schwierigkeiten erst recht, als eines Abends zwei Kleinkriminelle in die Villa der Familie einbrechen. Rikki und Faried, Gangster und Zuhälter aus den Armutsviertel der → Cape Flats, überfallen die Familie Burn beim Abendessen. Jack tötet die beiden Einbrecher vor den Augen seiner Frau und seines Sohnes.

Benny Mongrel, der auf einer Baustelle gegenüber dem Anwesen der Familie Burn als Wächter, begleitet vom Hund Bessie, arbeitet, beobachtet die beiden Einbrecher und zieht seine eigenen Schlüsse, als diese nicht mehr aus der Villa kommen. Mongrel, selbst in den Ghettos der Cape Flats aufgewachsen, ist ein Ex-Knacki und mehrfacher Mörder, der ahnt, welche Schweinerei sich in der Villa zugetragen hat und das Burn die Leichen der Gangster beseitigen muss. Obwohl Burn es schafft, sich die Leichen vom Hals zu schaffen, führt der rote BMW, den die Gangster benutzt und vor dem Anwesen der Burns zurückgelassen haben, den Bullen Rudi Barnard zu dem Amerikaner. Barnard ist der Schrecken des Ghettos, ein widerlicher, korrupter Polizist, der seine eigenen Gesetze befolgt und dabei über Leichen geht. Er nimmt Burn ins Visier und entdeckt schon bald, warum dieser aus den USA geflohen ist. Der Bulle, ein eiskalter Mörder und fanatischer, religiöser Extremist, entführt den kleinen Matt, um seinen Vater zu erpressen. Doch auch Barnard wird zum Gejagten, als der Staatsbeamte Disaster Zondi den Auftrag erhält, den korrupten Bullen Barnard aus dem Verkehr zu ziehen. Schließlich hat auch noch Benny eine Rechnung mit Barnard offen. Zwischen allen vier Männern entspinnt sich ein kaltblütiges und spannendes Katz- und Mausspiel, bei dem es keinen Gewinner geben wird.

Menschliche Kollateralschäden

Roger Smiths Figurenzeichnungen sind nüchtern, schnörkellos und funktional. Er lässt vier menschliche Kampfmaschienen aufeinander los gehen: Burn, den erfahrenen Soldaten, der lediglich für seinen Sohn Regungen zeigt, Barnard, der fette Bulle, der sich in seinem Fanatismus als Kämpfer Gottes sieht, Mongrel, den das Leben auf der Straße und im Knast abgestumpft hat und schließlich Zondi, der durch den Kampf gegen die Apartheid jegliche Illusionen verloren hat. Vier Gladiatoren im Kampf um Leben oder Tod, eingerahmt in ein umfangreiches Ensemble von Nebendarstellern: Prostituierte und Drogenabhängige, Ghetto-Gangster und Zuhälter, kleine Supermarktangestellte und Putzfrauen, die oft einfach nur Pech haben und zufällig zu Opfern im Überlebenskampf der vier Hauptfiguren werden, menschliche Kollateralschäden in einem gnadenlosen Krieg. Ein Krieg, der leider traurige Realität in den Townships von Kapstadt ist.

Smith findet packende Bilder und Symbole für diese Hölle auf Erden. Zum Beispiel die brennenden Wälder rund um den Tafelberg, die durch heiße Winde immer wieder angefacht werden. In Smith‘ Roman lodern diese Höllenfeuer in den südafrikanischen Abendhimmel, bis sie am Ende des Romans auch auf Menschen übergreifen, denn einer der vier Männer wird Opfer eines → Necklacing. Ein mit Benzin gefüllter Autoreifen wird dabei um den Hals des Opfers gehängt und angezündet. Eine Form der Lynchjustiz, eine moderne Hexenjagd, die ebenfalls zur traurigen Realität der südafrikanischen Townships gehörte. Es sind genau diese Schreckensbilder, die Roger Smith in seinem Roman vor den Augen des Lesers entstehen lässt und die einen auch nach der Lektüre nicht mehr los lassen. Schreckensbilder aus der südafrikanischen Gesellschaft, die immer noch unter der Folgen der jahrzehntelangen Apartheid leidet und deren Wunden längst noch nicht verheilt sind. Ein starkes, ein notwendiges Buch. Schön ist es nicht.

Roger Smith: Kap der Finsternis / Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger und Peter Torberg. – Stuttgart : Tropen, 2009
ISBN 978-3-608-50202-2

Originalausgabe:
Roger Smith: Mixed Blood. – New York : Henry Holt, 2009

Links:
→ Homepage von Roger Smith
→ Roger Smith bei Twitter
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