Voting der Woche: Regionalkrimis
vom Krimiblogger
Geliebt und verschmäht – an den Regionalkrimis scheiden sich die Geister. Doch wie denken Sie darüber? Mögen Sie Krimis aus der Region oder haben Sie nur ein müdes Lächeln dafür übrig? Darum geht es diesmal im Voting der Woche.
Hier noch die Ergebnisse des Votings zum Thema Hardcover vs. Taschenbuch:
Kommentare
Wann ist ein Krimi eigentlich ein Regionalkrimi? Wenn der Schauplatz wiedererkennbar ist wie Ystad, Venedig oder Hamburg? Wichtig für die Spannung ist die Geschichte und wie sie erzählt wird, nicht der Ort. Oder sehen das die Fachleute anders?
Hallo,
ein paar Gedankenspiele von mir dazu:
– Regionalkrimi ist erst einmal ein Krimi. Ein Krimi wiederum ist ein Krimi, wenn er nur als Krimi funktioniert und erzählt werden kann. Folglich wäre ein Regionalkrimi ein Krimi, der nur als Krimi und nur in einer bestimmten Region funktionieren kann. Ziemlicher Quatsch, oder? Nach meiner Leseerfahrung hat es in den letzten Jahren immer mehr Verlage und Autoren gegeben, die auf dieser Welle mitschwimmen wollen. Natürlich ist die regionale Identität für diese Krimis wichtig, sehr oft leidet da allerdings der Krimi drunter. Ja, und von mir aus schreibt Donna Leon Venedig-Krimis. Das sagt nichts über die Qualtiät aus.
– Ob es so etwas wie einen Regionalkrimi gibt, bleibt offen, genauso, was eigentlich ein Krimi ist. Bei der kleinen Umfrage haben die Regionalkrimis immerhin gut abgeschnitten. Ich denke, der Begriff Regionalkrimi entpuppt sich immer mehr als ein Versuch der Kategorisierung, die vor allem von Verlagen genutzt wird, um eine entsprechende Käufergruppe (Köln-Krimis verkaufen sich i.d.R. in Köln besser als in München, es gibt Ausnahmen) anzusprechen. Von der Sicht eines kritischen Krimilesers ist das eben nur Marketing, es dient dazu, bestimmte heimatliche Gefühle anzusprechen.
– Ersetzt man das „Regional“ durch „Heimat“ – also Heimatkrimi – kriegt dieser Begiff eine Konnotation, die manchem Leser vielleicht nicht so gefällt.
Ich weiß, sind keine sehr konkreten Antworten, aber letztlich kann ich diese Frage nicht in drei Sätzen beantworten. Aber mein Gefühl sagt mir: Es gibt keine Regionalkrimis.
Was andere und klügere Menschen dazu sagen, kannst Du übrigens hier nachlesen, da sind mehrere Artikel im ersten Absatz zum Thema verlinkt.
Viele Grüße
Ludger
P.S.: Und wo steckt eigentlich dieser dpr, wenn man ihn mal braucht…
…(keuch)…bin ja schon da, Ludger! Willst du was zu Regionalkrimis oder doch lieber ein tolles Buch mit anständigen Zusatzinformationen (Nachwort und Erläuterungen zu „Schwarzwaldau“ [→hier bestellen!], oder weißt DU etwa, was „peroriren“ heißt?). Also Regionalkrimis, bon.
Natürlich hast du recht: Es gibt keine Regionalkrimis. Aber es gibt sie doch. Erstens, weils draufsteht, zweitens, weil „das Regionale“ als zusätzliche Konsumstimulation (holla, jetzt wirds psychologisch!) genutzt wird. Oder missbraucht, wie man will. Ich respektiere dieses regionale Element, wenn es wirklich dazu dient, den Krimi mit Fleisch zu behängen, sei es durch regionale Mentalitäten oder was auch immer. Deine Gleichsetzung von Heimat- und Regionalkrimi kann ich, wie du weißt, nicht nachvollziehen und bin daher auch bei der daraus resultierenden Forderung nach historischer Aufarbeitung vorsichtig. Die meisten Regionalkrimis sind einfach harmlos in dieser Hinsicht. Da wird auch nicht der Heimatgedanke in irgendeiner Weise gepflegt, sondern eher der touristische oder heimatstolze (Guck ma, ein Roman über die Stadt, in der ich wohne! Wow! Kaufen!).
So, aber jetzt wieder zurück zu meinem Holtei. Weißt du immer noch nicht, was peroriren heißt? Warum machst du es dann andauernd?
bye
dpr
Aber werter dpr,
„Emil widerstand dem ersten Glase nicht, und da er trinkend fortredete, so trank er sich in’s Peroriren und perorirte sich in’s Trinken hinein.“
Bin ich Emil? Würde ich jemals peroriren? Nein, natürlich nicht.
Ist „Schwarzwaldau“ eigentlich auch ein (ganz früher) Regionalkrimi? Vielleicht solltest Du dann statt „Criminal-Bibliothek des 19. Jahrhunderts“ „Regional-Criminal-Bibliothek des 19. Jahrhunderts“ drauf drucken…
Was den heutigen Regionalkrimi betrifft: Na, da sind wir uns – bis auf die Heimat-/Regionaltradition – ja doch sehr einig. Ja, manchmal braucht man ein wenig Bestätigung.
Ansonsten hätte ich Lust, diese ganzen Etiketten (nicht nur Regional-, sondern auch Wein- oder Schafskrimis) in die Tonne zu treten, die vernebeln den Blick aufs Wesentliche.
Nun denn, einen geruhsamen Abend wünscht
Ludger
P.S.: Good News about David Peace, ich komme gerade von meinem Dealer. Aber dazu mehr im Off.
Hallo Ludger,
ich kenne Leute, die peroriren auch stocknüchtern. Mensch, wir fast einer Meinung! Die Leser meinen doch jetzt, wir hätten das abgesprochen! Yep, in die Tonne treten würde ich die Sachen ja auch gerne. Aber dann kommt garantiert gleich wieder jemand und holt sie da raus. Deine Idee, Schwarzwaldau sei ein Regionalkrimi – guuuuut. Schloss Schwarzwaldau in Schlesien, Mensch, „Schlesienkrimi“, da krieg ich die Vertriebenen! Zusatz: „als Schlesien noch deutsch war…“ Du solltest PR-Agent werden!
bye
dpr
Guten Morgen
„Ansonsten hätte ich Lust, diese ganzen Etiketten (nicht nur Regional-, sondern auch Wein- oder Schafskrimis) in die Tonne zu treten, die vernebeln den Blick aufs Wesentliche.“
Ich glaube, lieber Ludger, dass Du die Tonne der Pandora nicht wieder zu bekommst. Lehren uns die Ökonomen nicht, dass es eine Individualisierung von Konsumenten gibt, dass es also statt ein Produkt zehn unterschiedlich bezeichnete aber gleichartige Produkte gibt ?
Lustig wird es eigentlich dort, wo, aus Marketing-Gründen eine Bezeichnung (ein Subgenre) geschaffen wird und plötzlich Produzenten (i.e.Autoren) anfangen, Bücher speziell für dieses Subgenre schreiben.
Ich denke, dass die Verwendung der Bezeichnung „Regionalkrimi“ und ähnlicher Subgenrebegriffe ein Ausdruck dafür ist, dass eine Balance im Buch gestört ist. Kein Mensch würde doch das LA-Quartett von James Ellroy als historischen Regionalkrimi bezeichnen. Wenn man sich jedoch das Interview von Don Swaim mit JE anhört (http://wiredforbooks.org/jamesellroy/index.htm), merkt man, dass die Lokalität und die Zeit Ellroy angetrieben haben, diese Bücher zu schreiben. Aber Lokalität und Zeit ordnen sich eben unter.
Mit besten Grüßen
bernd
PS
„Zusatz: “als Schlesien noch deutsch war…–
Ich bin da mit jemanden (Hamburg, 80er Jahre) in die Schule gegangen, der würde sagen: „Warum war ?“
Moin zusammen,
doch es gibt den Regionalkrimi. Für mich so als solcher definiert, wenn er nur da „funktioniert“, wo er spielt.
Dein Beispiel mit den Köln-Krimis ist da ganz passend: Wenn ich noch nie in Köln war, den rheinischen Karneval nicht im Ansatz nachvollziehen kann, der Dom nur ein riesiges Gotteshaus ist und ich mich frage, wer zum Teufel ist dieser Klüngel, dann wird ein Krimi, der auf diese Gedanken aufbaut und so geschrieben ist, dass der Ur-Kölner sich köstlich amüsiert und wiederfindet, ein Außenstehender aber mit hohlen Augen auf die Seiten schaut, zum Regionalkrimi. Dies impliziert natürlich, dass der Kriminalfall an sich zum Beiwerk degradiert wird.
Das ist bei Ellroy natürlich überhaupt keine Frage, bei Leon wird´s kritischer, aber letztlich fehlt ihr für einen Venedig-Regiokrimi wohl doch der Einblick.
Regiokrimi ist nix schlimmes, was auch Deine Umfrage hier belegt. Aber eben sehr Zielgruppen-spezialisiert. Dass es Hunsrück-, Allgäu und Kleinkleckersdorf-Krimis gibt, die entsprechend etikettiert sind, ist legitim, wenn auch ein Leserpotenzial besteht. Nichtsdestotrotz fällt es mir schwer, einen als Holstein-Krimi gebrandmarkten Titel ähnlich ernst zu nehmen wie beispielsweise einen Wilson.
My 2 cents,
Lars
Hallo,
deswegen möchte ich diese Kategorien, die sich als Sub- oder Sub-Sub-Genre verkleiden, gerne in die Tonne hauen. Nehmen wir diese Bezeichnungen weg, was bleibt: Ein Who-done-it, eine Detektivgeschichte, ein How-To-Catch-Them, ein (Psycho-)Thriller, ein Polizeiroman, ein pschologischer Roman, vielleicht noch zwei, drei andere Erzählstrukturen wie Hardboiled oder Cozy. Ein Regionalkrimi muss auch immer eine oder mehrere Erzählstrukturen als Gerüst haben, sonst ist es kein Krimi. „Regionalkrimi“ ist auch Who-done-it oder Thriller oder Detektivgeschichte. Wenn aber das „Kriminal“ unter dem „Regional“ leidet, ist es schlecht. Der Regionalkrimi steht ziemlich nackt da, wenn man ihm die folkloristische Tracht vom Leibe reißt.
Bernds Beispiel Ellroy finde ich absolut passend: „Aber Lokalität und Zeit ordnen sich eben unter.“. Ordnet sich die Lokalität nicht unter, dann ist es in der Regel Heimatliteratur mit einem Hauch Krimi, ordnet sich die Zeit nicht unter, dann ist es ein historischer Roman.
Ich glaube, nach meinen Eindrücken auf der Buchmesse, auch einige Verlage sind dieses Etikett ziemlich leid, weil eben viel Mist darunter verpackt wird. Aus verkaufstechnischen Aspekten mag es angehen, wer aber als Verleger auf Qualität setzt, der schaut sich erstmal das „Kriminal“ an.
Viele Grüße
Ludger
Hallo Lars,
„Für mich so als solcher definiert, wenn er nur da “funktioniertâ€, wo er spielt“
Das ist eine häufiger zu lesende Meinung. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass Du das so meinst !
Die meisten Romane sind doch durch ihre Lokalität bedingt. James L. Burke, Pelecanos, Pattison, Hillerman, Izzo, John D. MacDonald, oder … arbeiten doch nicht im geographisch luftleeren Raum.
Nein, nicht das nicht-Funktionieren ist das Definierende, sondern das Fehlen von einem „Krimimehrwert“.
Mit besten Grüßen
bernd