Die Jungfrau und der schwule Bulle

vom Krimiblogger

Reine Nervensache
Martin Arz: Reine Nervensache : Pfeffers zweiter Fall

Schwule Kommissare sind eine Seltenheit in deutschen Krimis. Einer der wenigen Autoren, die eine solche Figur erfunden haben, ist der Münchener Autor und Maler Martin Arz. Bekannt wurde er zunächst durch seine Reihe um den schwulen Hobbydetektiv Felix von Schwind. Vier Romane mit dem gutaussehenden Kundenberater einer Münchener Werbeagentur liegen bislang vor. 2004 veröffentlichte Arz dann den Auftakt zu einer neuen Krimiserie um den schwulen Kriminalrat Max Pfeffer. „Das geschenkte Mädchen“ heißt der erste Roman, in dem der Mord an einem Afrika-Experten den klugen Kommissar mit den Abgründen der deutschen Kolonialgeschichte konfrontiert. Nun liegt der zweite Fall für Pfeffer vor: „Reine Nervensache“ lautet der Titel und diesmal ruft ein geköpfter TV-Produzent Max Pfeffer auf den Plan.

Herbert Veicht produzierte zu Lebzeiten beliebte Doku-Soaps und Reality-Formate fürs Privatfernsehen. Während der Dreharbeiten zu „Voll geschockt!“, eine Trash-Horror-Variante der versteckten Kamera, die Veicht fabrizierte, wird von drei Jugendlichen sein abgesägter Kopf in einer Tasche entdeckt. Der Reigen der Verdächtigen ist bunt: Veichts Ehefrau, eine mit Botox aufgespritzte Schönheit und Drogendealerin und ihr russischer Liebhaber haben ebenso ein Motiv, wie Veichts Neffe, der angeblich von seinem Onkel sexuell missbraucht worden sein soll. Ein erzkonservativer Kardinal, der seit langem eine Kampagne gegen die Trivialität des deutschen Fernsehen fährt, zählt ebenfalls zu den Tatverdächtigen.

Es gibt also reichlich Spuren, denen Max Pfeffer mit seinem Team nachgehen muss. Pfeffer hat aber nicht nur einen Beruf, sondern auch ein Privatleben. Seit acht Jahren lebt er mit seinem schwulen Liebhaber Tim zusammen. Gemeinsam ziehen sie die beiden Söhne Cosmas und Florian auf, die aus Pfeffers erster Ehe stammen. Pfeffers Frau ist an Krebs gestorben und er selbst hat irgendwann seine Liebe zu Männern entdeckt. Durch Pfeffers zeitraubenden Job fühlen sich sowohl Mann wie auch Kinder von ihrem Max vernachlässigt. Es kommt, wie es kommen muss: Tim geht fremd und Cosmas, der ältere Sohn, versucht sich gegen den Willen seines Vaters als Musiker und Soap-Star.

Enttäuscht von seinem privaten Umfeld stürzt sich Max Pfeffer in ein erotisches Abenteuer. Ein flotter Dreier mit der Botox-Schönheit und ihrem russischem Muskelpaket verspricht Abwechslung im trüben Allerlei des schwulen Familienvaters. Dumm nur, dass die beiden zu den Tatverdächtigen gehören und Max bei seinem Fehltritt heimlich fotografiert wird. Als ihm dann auch noch die Muttergottes erscheint zweifelt Max an seinem Verstand.

Grobschlächtige Krimi-Soap

Waren die früheren Felix-Romane eine grelle, witzige und schwule Krimiparodie, so schlägt Martin Arz in seinen Romanen um Max Pfeffer einen ruhigeren Ton an. Der Münchener Autor unternimmt den Versuch, einen schwulen Kommissar jenseits der Tuntenklischees zu zeichnen. Das gelingt ihm auch recht gut, dennoch bleiben Schwächen. Martin Arz’ größtes Manko – auch schon bei den Felix-Krimis – sind die dürftigen, wenig originellen Krimiplots. Ein ermordeter Fernsehproduzent, der aus materiellen, familiären oder religiösen Gründen um die Ecke gebracht wurde, ist weder neu noch realitätsnah.

Der Krimi dient Arz im vorliegenden Buch nur als Mittel, mit dem er Seitenhiebe auf die Medienwelt oder die Moral der Kirche abfeuern kann. Leider sind die nicht immer gelungen. Es wirkt grobschlächtig wenn Arz zum Beispiel direkten Bezug auf aktuelle Ereignisse, wie etwa den Pädophilen-Skandal im österreichischen Priesterseminar St. Pölten nimmt, oder sich lustig macht über Fernsehformate wie das Dschungelcamp von RTL. Die Eleganz und der Wortwitz, die dieses Manko in den Felix-Romanen noch überdeckten, fehlen in diesem Max-Pfeffer-Krimi fast gänzlich.

Dafür sind die Fronten klar umrissen: Hier der schwule Familienvater, der zeigt, dass Kinder auch jenseits der traditionellen Ehe behütet und umsorgt aufwachsen können, dort die katholische Kirche, die mit ihren überlebten Moralvorstellungen gegen Homosexuelle wettert, gleichzeitig aber über die Pädophilen in ihren eigenen Reihen das Deckmäntelchen wirft. Das ist mir zu einfach gestrickt und erreicht leider nur das Niveau einer Krimi-Soap. Die ist durchaus unterhaltend, aber wenig überraschend. Max Pfeffer ist eine relativ authentische Figur in einer sehr unglaubwürdigen Geschichte. Dieses seltene Exemplar eines schwulen Kommissars hätte ein besseres Umfeld verdient.

Martin Arz: Reine Nervensache : Pfeffers zweiter Fall. – Leer : Leda-Verlag, 2005. 317 Seiten. – ISBN 3-934927-62-9

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