Power-Grrl in der Provinz

vom Krimiblogger

Höhlenangst Christine Lehmann
Christine Lehmann: Höhlenangst

Für einen Besuch bei der Staatsanwaltschaft wirft sie sich schon mal in einen kurzen Schottenrock, dazu schwarze Strümpfe, Schnallenstiefel und eine schwarze Plastikjacke. Ihren alten Porsche nennt sie liebevoll „Bronte“. Sie ist hoffnungslos unmusikalisch und schaut Frauen gerne auf den Po: Lisa Nerz, arbeitslose Journalistin, ist ein Power-Grrl im beschaulichen Stuttgart. In ihrem neuesten Fall verschlägt es sie auf die noch beschaulichere Schwäbische Alb. Dort ist ihr Freund Staatsanwalt Dr. Richard Weber seit einigen Tagen untergetaucht – angeblich zur Erholung – und Lisa will ihn aufspüren. Kaum dort angekommen hört sie von einem Kind, das in einer Höhle verschwunden ist. Zusammen mit ihrer Freundin Janette macht sie sich auf zur Mondscheinhöhle, um bei der Rettungsaktion dabei zu sein.

Unerschrocken klettert Lisa selbst in den dunklen Schlund hinab. Sie holt den Jungen heraus, entdeckt dabei aber eine Leiche in der Höhle. Nur einen Tag später, als Polizei und Höhlenrettung anrücken, ist die Leiche verschwunden. Wer ist der Tote? Was hat das schwarze Seil, das eigentlich nur von der Bundeswehr benutzt wird, zu bedeuten und das Lisa bei der Leiche gesehen haben will? Könnte der Todesfall etwas mit den Mauscheleien zu tun haben, die es bei der Konversion eines ehemaligen Truppenübungsplatzes gegeben haben soll?

Lisas Neugierde ist geweckt und die Rettungsaktion des Jungen wird nicht ihr letzter und gefährlicher Ausflug in die Höhlenwelt der Schwäbischen Alb bleiben. Bei ihren Nachforschungen trifft sie auf den Höhlenforscher Hauk Fauth, dessen Frau vor einigen Jahren beim Klettern in einer Höhle umgekommen ist. Fauth selbst konnte schwerverletzt gerettet werden. Seitdem kursiert das Gerücht, Fauth habe aus Eifersucht seine Frau absichtlich in der Höhle umkommen lassen. Ist Fauth Opfer eines Rufmords oder ein geschickter Betrüger, dessen Amnesie und Klaustrophobie nur vorgeschoben sind, um weiter morden zu können?

Farbklecks aus dem Schwabenländle

Auch Lisa bleibt von Eifersucht nicht verschont. Ihr Freund Richard taucht wieder auf und gibt sich wortkarg. Der Verdacht, er könnte eine alte Liebe wieder aufgewärmt haben, lässt Lisa keine Ruhe. Als schließlich ein weiterer Mann bei der Explosion eines Transporters stirbt, wird Richard sogar unter Mordverdacht verhaftet.

Ob Eifersucht, Lebenslügen, Korruption oder machtpolitische Spielchen – Christine Lehmann fährt zahlreiche Motive und mögliche Täter auf. Der Leser sieht sich einem Labyrinth aus Lügen, falschen Fährten und politischen Verwicklungen gegenüber, durch das ihn die schnoddrig-coole Lisa sicher und unterhaltsam führt. Ein Labyrinth, das den Windungen und Abzweigungen der schwäbischen Berghöhlen in nichts nachsteht und an dessen Ende eine überraschende Lösung steht. Christine Lehmann gelingt es, ihrer Geschichte unerwartete und spannende Wendungen zu geben.

Das alleine macht jedoch nicht die Qualität des Romans aus: Lisa ist flink bei der Sache, schnüffelt in fremden Häuser herum, trifft den Ministerpräsidenten auf dem Klo oder klettert mutig in Höhlen herab. Lehmann legt ein rasantes Erzähltempo vor, lässt ihre Lisa selbstbewusst vor den verschiedensten Kulissen agieren und spart dabei nicht mit schrägem Humor oder Seitenhieben auf die Politik im Schwabenländle.

Verstärkt wird dies alles durch eine lakonische und verspielte Sprache, die dem Roman einen unverwechselbaren Ton gibt. Da wird „gemarpelt“ und „geholmest“, Torten „versintern“ im Magen oder Lisa fühlt sich wie ein „Wichser auf Freigang“. So ist sie, diese Lisa: ein knallhartes, kriminalistisches Power-Grrl mit Herz und Verstand, das ihre Abenteuer auf dem Lande mit Bravour und Verve besteht. Zur Freude des Lesers, denn der verheulten und miesepetrigen deutschen Kriminalliteratur tut ein solcher Farbklecks gut.

Christine Lehmann: Höhlenangst. – Hamburg : Argument Verlag, 2005
ISBN 3-88619-891-X
(Ariadne Krimi; 1161)

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