Gastbloggerin Bärbel über die Arthur Ellis Awards

vom Krimiblogger

Dancing Man 1
Ein anderer Blickwinkel tut gut. Deshalb freut es mich sehr, dass Bärbel Reinke uns einen interessanten Einblick auf die Arthur Ellis Awards gibt. In einem Gastbeitrag macht sie sich Gedanken über die diesjährige Preisvergabe bei dem wohl wichtigsten Krimipreis in Kanada. Regelmäßigen Besuchern des Krimiblogs dürfte Bärbel bekannt sein. Sie arbeitet unter anderem für die schöne kanadische Krimizeitschrift „Alibis“. Hier also ihre Einschätzung des diesjährigen Preisträgers in der Kategorie „Best Crime Writing in French“


Arthur Ellis Award – das Beste auf Französisch?
Von Bärbel Reinke
Dancing Man 2
So, die Gewinner des diesjährigen Arthur Ellis Awards sind gewählt. Die Crime Writer of Canada haben mich wieder einmal mit dem Preisträger des „Best crime writing in french“ umgeworfen. Ich war ja letztes Jahr schon völlig hin und weg, daß ein zwar recht gut geschriebener, aber total unspannender und klischeehafter Krimi gewinnen konnte. Ich habe mehr und mehr den Eindruck, daß die Jurymitglieder nur gebrochen Französisch lesen, anders kann ich mir das Ergebnis auch dieses Jahres wirklich nicht erklären.

Aber gehen wir der Reihe nach vor. Wer war nominiert?
Benoît Bouthillette mit seinem Erstlingswerk „La Trace de l’escargot“ (Die Schneckenspur). Bouthillette war die Überraschung des Jahres 2005 im quebecker Krimimilieu. Erstmal sind seine Protagonisten ganz hervorragend: In erster Linie Benjamin Sioui, ein Polizist indianischer Abstammung, gelegentlicher Kokainkonsument, Techno-Fan und Kunstspezialist für die Montréaler Polizei. Sein fast aristokratischer Vorgesetzter, der ihn mit konfisziertem Kokain versorgt aus Angst ihn zu verlieren. Die Gerichtsärztin, die Laetitia Casta ähnelt und in die Benjamin (vorerst) hoffnungslos verliebt ist. Sein Krimiplot ist nicht der originellste, ein Serienmörder, der die Werke von Francis Bacon mit seinen Morden nachstellt und den Kontakt zu Sioui sucht. Da gibt es die eine oder andere Unstimmigkeit, aber dank der Sprache und des urbanen Charakters dieser Schneckenspur, bleibt man bis zum Ende gefesselt und legt das Buch mit Bedauern aus der Hand. Dieser Krimi ist ganz sicher nicht perfekt, hat aber mehr Qualitäten als Fehler.
Dancing Man 3
Der zweite auf der Liste ist von einem alten Hasen Quebecker Krimigeschäft, Jacques Côté, geschrieben worden, der schon 2003 mit dem Vorgängerband von „La Rive noire“ (Das schwarze Ufer) „Le Rouge idéal“ (Das ideale Rot) den Arthur Ellis Award gewonnen hat. Und damit war Jacques Côté auch schon aus dem Rennen, es wäre wirklich merkwürdig gewesen ihm gleich zweimal den Preis zuzugestehen. Auch wenn er ihn verdient hätte. „La Rive noire“ war technisch gesehen der beste der drei nominierten Krimis. Der Roman beginnt am 21. Mai 1980, einen Tag nach dem Referendum, mit dem die Separatisten Québecs vergeblich versucht haben die Unabhängigkeit Québecs zu erlangen. Der Krimiplot beginnt mit einem Nebenschauplatz, einem Baby, das von seinem Vater zu Tode geschüttelt wurde. Danach folgt man dem Polizistenteam um Daniel Duval und deren unterschiedlichen Reaktionen auf das Ergebnis des Refendums. Die sind genauso breit gefächert wie überall in der quebecker Gesellschaft. Der eigentliche Kriminalfall beginnt mit der Exhumierung Florence Marquis, die die Frau von Charles Marquis, einem reichen Unternehmer, der sich als Kandidat zum Bürgermeister aufstellen läßt, war. Florence ist angeblich an Krebs gestorben, aber es besteht der Verdacht einer Vergiftung und die gerichtsmedizinische Untersuchung ergibt folgerichtig eine Arsenikvergiftung. Duval ermittelt und muß sich dabei mit einigen Vorurteilen, v.a. gegenüber Homosexuellen, der noch sehr katholischen 80er Jahre in der relativ kleinen Provinzhauptstadt Québec auseinandersetzen. „La Rive noire“ ist diese Art Krimi, die mit sehr wenig sehr viel Lesevergnügen schafft, gleichzeitig habe ich eine Epoche in der jüngeren Quebecker Geschichte kennengelernt, die ich selbst nicht erlebt habe.

Na und der letzte auf der Nominierungsliste schien mir nur aus Verlegenheit dorthin geraten zu sein. „Motel Riviera“ von Gérald Galarneau habe ich genauso schnell vergessen wie ich ihn gelesen hatte. Ein ausgesprochen unsympatischer Mann beschließt auf dem Heimweg in einer Topless-Bar anzuhalten, im gegenüber liegenden Motel sieht er das Auto seiner Frau, darin eine Frau …und ein Mann. Er folgt dem Wagen, drängt ihn von der Straße ab in einen Fluß. In Wirklichkeit tötet er so seine Nichte und deren Freund, das weiß er aber noch nicht. Einmal zuhause kommt die Polizei, um ihm den Unfalltod seiner Frau mitzuteilen – bis dahin ist das für ihn keine Überraschung -, aber sie ist in einem anderen Wagen, an dem Tag gekauft, gestorben. Danach folgen sehr wirre innere Dialoge, Polizisten, die ihre Zeit damit verbringen zu raten und auf ihre Intuitionen zu hören statt zu vernehmen oder zu fahnden. Positiv an diesem Roman ist die relative Kürze!
Dancing Man 4
Langer Beschreibungen, kurzer (Un)sinn : „Motel Riviera“ hat den Arthur Ellis Award für das beste französischsprachige Werk erhalten. Das freut mich für den Autor, aber für die Glaubwürdigkeit des Preises ist das keine gute Nachricht. Der Preis schlägt sich in den Verkaufszahlen in Quebecker Buchhandlungen nicht nieder, insofern werden „La Rive noire“ und „La Trace de l’escargot“ ihren erfolgreichen Weg weitergehen, beide sind schon nachgedruckt worden. Der Preisträger muß sich mit dem „tanzenden Mann“ begnügen.