Schmunzeln statt Schenkelklopfen

vom Krimiblogger

Aberystwyth Mon Amour
Malcolm Pryce: Aberystwyth Mon Amour

Düster und deprimierend – Adjektive, die oft der Noir-Literatur angehängt werden. Es sind Etiketten, die den jeweiligen Romanen vor allem im Verkauf zu schaffen machen. Da mag die Kritik noch so jubeln, die Leser wollen die schwarzen Bücher mit ihrer desillusionierenden und oftmals radikalen Sicht auf die Welt nicht kaufen, jedenfalls nicht in Massen. Inwieweit Verlage, Autoren und Kritiker eine Mitschuld dran tragen, vermag ich nicht zu beurteilen. Auffällig ist aber, dass Noir-Literatur häufig so unters lesende Volk gebracht werden soll: schwarze oder dunkle Cover, ein paar finstere Andeutungen im Klappentext – das prägt sich ein und schreckt gleichzeitig ab. Dabei können Noir-Romane durchaus humorvoll, witzig oder bissig-ironisch sein. Doch dieser Aspekt fällt leider oft unter den Tisch. Jonathan Gash und Joe R. Lansdale seien hier beispielhaft als Autoren genannt. Das kleine und junge Verlagskollektiv Shayol aus Berlin hat sich jetzt diesem Aspekt angenommen und eine Reihe mit dem Titel „Funny Crimes“ gestartet.

Gleich mit den ersten beiden Romanen haben Herausgeber Richard Betzenbichler und seine Kollegen (Achtung! Wortspielhölle) voll ins Schwarze getroffen. Ein früher Roman von Joe R. Lansdale mit dem Titel „Wilder Winter“, der auf Anhieb in der aktuellen KrimiWelt-Bestenliste vertreten ist, und der Debütroman eines Autors, der hierzulande als Geheimtipp gilt: Malcolm Pryce. Mit seinem Erstling „Aberystwyth Mon Amour“ schrieb Pryce, in Shrewsbury geboren und im walisischen Aberystwyth aufgewachsen, eine schräge, leichte und sehr amüsante Mischung aus Persiflage und Hommage an den Noir-Roman. „Aberystwyth Mon Amour“ bildet den Auftakt zu einer Serie um den Privatdetektiv Louie Knight, der in seinem ersten Fall eine Mordserie an Schulkindern aufklären soll.

Kuschelkrimi trifft Hard-Boiled-School
Aberystwyth Mon Amour Englische Ausgabe
Louie Knight ist eigentlich alles das, was wir von den klassischen Privatermittlern kennen: einsam und ständig abgebrannt. Aber Louie ist auch anders: Statt sich flaschenweise den Whisky hinter die Binde zu kippen, schleckt er lieber Eis. Er ist gepflegt und es widert ihn an, als er sich im Rahmen seiner Ermittlungen in einen stinkenden Penner verwandeln muss. Sein Büro befindet sich nicht in einer englischen oder us-amerikanischen Großstadt, sondern eben in Aberystwyth, einem Ort, der von den kriminellen Druiden beherrscht wird und in dem es ein abgewracktes Nachtlokal gibt, in dem die Sängerin Myfanwy Montez Abend für Abend die Männer betört. Auch Louie kann ihr nicht widerstehen, erst recht nicht, als sie ihn beauftragt, nach ihrem verschwundenen Cousin Evans the Boot zu suchen. Seine Nachforschungen führen Louie unter anderem zu einem streng geheimen Schulaufsatz, gestrickten Teewärmern und vor allem auf die Spur des bösen Walisisch-Lehrers Lovespoon, der ein gar schreckliches Komplott geschmiedet hat. Insbesondere das englische Schulsystem gerät ins Visier des Privatschnüfflers, der sein eigenes Trauma aus Schulzeiten mit diesem Fall aufarbeitet. Selbstverständlich gibt es am Ende einen actionreichen Showdown, bei dem ganz Aberystwyth auf dem Spiel steht.

Pryce erzählerischer Trick ist dabei auf den ersten Blick recht einfach: Er verrückt ein wenig die Perspektive. Figuren sind nicht das, was sie eigentlich scheinen, gängige Klischees aus PI-Novels werden durch andere ersetzt. Der englische Kuschelkrimi trifft hier auf die amerikanische Hard-Boiled-School und aus dieser Kreuzung entsteht ein witziger, stellenweise völlig sinnloser Roman-Bastard, der vor allem eines will: gut unterhalten. Das ist Pryce gelungen: Seine lockere, lakonische Erzählweise, seine absurden eingestreuten Nebengeschichten und sein spitzer Humor verführen den Leser zum Schmunzeln, glücklicherweise nicht zum Schenkelklopfen. Verfechter des „echten“ Noir dürften vielleicht aufheulen, denn die düstere Weltsicht rückt hier in den Hintergrund, ohne dabei ganz verloren zu gehen. Pryce spielt unverfroren und gekonnt mit gängigen Versatzstücken, macht sich darüber lustig und nimmt sich nicht so ernst. Dabei ist keine große Noir-Literatur herausgekommen – ohne die es wiederum diesen Roman sicher nicht gäbe – aber eine recht amüsante und interessante Variation über Klassiker und Klischees des Privatdetektivromans.

Nicht so gelungen ist allerdings die Covergestaltung der deutschen Ausgabe: Wer die englischen Originalausgaben anschaut, die im typischen Pulp-Stil gehalten sind, dürfte sich fragen, warum die deutsche Übersetzung in ein so langweiliges und ödes Buchkleid versteckt wurde. Hier hätte der deutsche Verlag ruhig die englischen Originale verwenden können – passender und augenfälliger sind sie auf jeden Fall.

Pryce, Malcolm: Aberystwyth Mon Amour / Deutsch von Richard Betzenbichler und Katrin Mrugalla. – Berlin : Shayol, 2006
(Funny Crimes; 3901)
ISBN 3-926126-59-0

Originalausgabe: Pryce, Malcolm: Aberystwyth Mon Amour. – London : Bloomsbury, 2001

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Links
→ louieknight.com – Homepage von Malcolm Pryce
→ Der walisische Roman Noir – Artikel von Tony Bianchi