Trümmer und Erinnerungen

vom Krimiblogger

Ferne PalästeAbilio Estévez: Ferne Paläste (Los Palacios distantes)

Havanna im Jahre 2000: In der Stadt der Einstürze und Erinnerung macht sich der über 40-jährige Victorio daran, seine Habseligkeiten – Schallplatten, Bücher, Fotos – zu verbrennen. Er weiß, dass das Haus, in dem er sein Zimmer hat, eingerissen werden soll. Also übergibt er die Zeugnisse seiner Vergangenheit dem Feuer, um hinaus in die Stadt zu fliehen. Ziellos streift er durch die Straßen, bis er Selma, eine Prostituierte, kennenlernt. Sie erzählen sich gegenseitig von ihrer Kindheit und vom ersten Sex – Zufluchtsphantasien angesichts der Trümmer um sie herum.

Schließlich entdeckt Victorio ein kleines, verfallenes Theater, in dem Don Fuco ihm Unterschlupf bietet. Don Fuco spendet – als Clown verkleidet – den Trauernden Trost, er ist auf den Dächern Havannas genauso zu Hause, wie auf den Friedhöfen. Im Liceo, dem verfallenen Theater, wird auch Victorio durch Don Fuco getröstet. Der Clown erzählt von vergangenen Tagen, beschwört bessere Tage herauf, als Maria Callas, Enrico Caruso oder Sarah Bernhardt am Theater gastierten und für Glanz sorgten.

Mit prachtvollen Bildern und einer poetischen Sprache zeichnet Abilio Estévez in seinem zweiten Roman ein gegensätzliches und spannendes Bild von Havanna. Die Stadt – zwischen Revolution und Armut, zwischen Elend und Glanz – ist die eigentliche Hauptfigur des Romans. Mal sinnlich, mal abstoßend aber immer sehr lebendig – so zeigt Estévez die kubanische Hauptstadt und ihre Menschen, denen angesichts der Armut oft nur noch der Blick zurück, die Erinnerung, das Paradies der Kindheit bleibt.

Abilio Estévez: Ferne Paläste / Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. – München : Luchterhand Literaturverlag, 2004. ISBN 3-630-87167-4
EST: Los Palacios distantes <dt.>

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