Glauser – Folge 4

vom Krimiblogger

Die Preise sind noch gar nicht vergeben, da gibt es (alle Jahre wieder möchte man sagen) eine Diskussion um den Friedrich-Glauser-Krimipreis. Verschwörungstheorien kursieren in Bezug auf die Nominierungen in der Kategorie Kurzgeschichte, der Grafit-Verlag ist eigentlich die deutsche Antwort auf die Cosa Nostra, der in geheimen Hinterzimmern die Jury besticht. Dazu kommt die Klage über mangelnde Transparenz (klar, die bösen Krimiautoren lassen sich nicht gerne in die Karten gucken). Alles altbekannte Thesen, denen – fast wie jedes Jahr – die üblichen Verdächtigen vom Syndikat reflexartig mit den bekannten Argumenten begegnen. Es werden eben nicht nur Syndikats-Mitglieder mit dem Glauser bedacht, sondern durchaus Krimiautorinnen und -autoren, die bislang nicht dieser Vereinigung angehörten. Auch in Australien hat man sich Gedanken gemacht und Marcus Starck – der in diesem Jahr in der Jury sitzt und dies immer wieder gerne betont – packt endlich aus: „Glauser — die schockierende Wahrheit!“ heißt sein Beitrag, der klar und deutlich macht – ja was eigentlich? Der Glauser ist unspektakulär, bedeutungslos und unwichtig. Keine Bestechungen (wie langweilig), keine Erpressungen, keine Drohungen. Sechs Juroren in den Kategorien Roman und Debüt, sowie sechs andere Juroren in der Kategorie Kurzgeschichte, lesen ganz harmlos vor sich hin, diskutieren danach miteinander um dann die jeweiligen Nominees und schließlich den Gewinner bekannt zu geben.

Zur Preisverleihung gibt’s eine nette Rede auf die Gewinner – das war es dann für dieses Jahr. Anfang Mai ist das ganze harmlose Spektakel vorbei, zusammen mit der Criminale.

Offenbar entgeht den Verantwortlichen des Syndiakts, welche Aussenwirkungen ihr künstliches Gehabe, ihre Wichtigtuerei auf den normalen Krimileser hat: Es interessiert ihn nicht. Wer hat wirklich noch die Gewinner der letzten Jahre auf der Reihe: Thomas Glavinic, Bernhard Jaumann, Gabriele Wolff? Haben ihre Bücher die Bestsellerlisten gestürmt? Ist der Glauser tatsächlich das „Qualitätsurteil“, als dass ihn die Syndikats-Leute gerne sehen würden? Ist es ein gutes Verkaufsargument für den Buchhandel? Oder ist es, wie Jan Zweyer bei Tom schreibt einfach nur eine „Meinung“, ein „Geschmacksurteil“? Im gleichen Beitrag lässt sich Jan Zweyer übrigens zu folgendem Statement hinreißen:

„… die verschiedenen Glauser-Entscheidungen sind eine Auszeichnung für die nach
u n s e r e r Meinung besten Beiträge zur Kriminalliteratur des Jahres. Keiner muss die Meinung der Jury teilen. Macht eure eigenen, individuellen Hitlisten, wenn ihr wollt.“

Eine Haltung gegenüber Lesern, die ich so auch noch nicht gelesen habe. Es geht hier nicht um ein Miteinander, es geht nicht darum, auf manche berechtigte Kritik der eh‘ wenigen, engagierten Leser einzugehen, es geht auch nicht um Selbstkritik beim Syndikat – es geht eigentlich nur um die eigene Präsenz und Arroganz. Wir, die Autoren, stellvertretend durch eine Jury, haben gesagt, dass sind die besten Krimis dieses Jahres. Wenn Euch das nicht passt, macht doch Eure eigenen Listen, veranstaltet angeblich dubiose Abstimmungen im Internet, aber kritisiert bloß nicht unsere Entscheidung! Das ist der Tiefpunkt jeglicher Kommunikation, es zeigt eine Arroganz gegenüber Lesern, die mir unverständlich ist. Zudem eine Haltung, wie sie von Autorenseite gerne den professionellen Krimikritikern vorgeworfen wird, die aber weit davon entfernt sind. Gute Kritiker versuchen wenigstens, ihren Lesern halbwegs argumentativ klar zu machen, warum dieses oder jenes Buch gut, weniger gut oder schlecht ist. Sie versuchen, klare Kriterien zur Beurteilung eines literarischen Textes anzulegen. Was machen die Krimiautoren laut Jan Zweyer: Sie geben ihren Geschmack wieder.

Seit Jahren begleite ich die Vergabe des Glausers, seit Jahren lese ich die Begründungen, seit Jahren versuche ich, daraus halbwegs nachvollziebare Argumente zu ziehen, um zu verstehen, warum dieses oder jenes Buch würdig ist, den Glauser zu bekommen. Seit Jahren kann ich – angesichts der Urteile – oft nur mit der Schulter zucken.

Das Syndikat ist – nur noch mal als Hinweis – eine Autorenvereinigung, die einmal im Jahr den Glauser vergibt und die Criminale veranstaltet. Eine ernom wichtige Truppe, von der man als Leser sonst wenig hört. Was tut sie sonst? Wie sieht die Pflege der Autoren aus, wie der Kontakt mit den Lesern? Wachen die Syndikatsleute einmal Anfang Januar auf, um dann über den Glauser abzustimmen, bleiben sie dann bis April halbwegs wach, um sich auf der Criminale in den nächsten Tiefschlaf zu saufen? Wo ist die Kontinuität, wo die Kommunikation? Eben – sie gibt es nur für die beteiligten Autoren, die Leser dürfen einmal im Jahr die Brotkrummen vom großen, kleinen Glauser-Spektakel ehrerbietig aufheben.

Das alles wäre nicht so wichtig und ärgerlich, würde es in diesem Lande eine gute und funktionierende Krimikultur geben. Die Amis und auch die Engländer haben zig Krimipreise, darunter auch Preise, die von Autor/innen an ihre Kolleg/innen vergeben werden, und das ist auch gut so. Dazu Zeitschriften, Foren, riesige Krimibuchhandlungen, diverse Treffen etc. Hier in Deutschland hat das Syndikat fast eine Monopolstellung in Sachen Krimi. Welche ernsthafte Alternative – für Leser – gibt es schon? Es gibt die verstreuten Besprechungen der professionellen Literaturkritiker, es gibt rund zehn ernstzunehmende Internetseiten, und ab und zu gibt es eine Tagung zum Thema. Mehr nicht. Kein Wunder also, dass sich die grauenvolle Öffentlichkeitsarbeit des Syndikats da in den Vordergrund spielen kann – es gibt eben keine wirkliche Alternative. Statt den Diskurs zu suchen, flüchten sich die Verantwortlichen beim Syndikat in die gängigen Floskeln: Über 400 Mitglieder, Tausende von Besuchern bei der Criminale, blah, blah, blah…. Über Qualität, Qualitätskriterien, über Entwicklungen, über Schreibstil, über Textarbeit kein einziges Wort. Für Autoren mag das Syndikat eine wichtige Einrichtung sein, genau wie der Glauser (schließlich gibt es Geld dafür) – den Lesern ist es weitgehend egal. Die behelfen sich mit gegenseitigen Tipps in Foren, diskutieren darüber oder veranstalten gemeinsame Leserunden. Das dabei oft der Geschmack im Vordergrund steht, keine Frage. Aber es herrscht ansatzweise so etwas wie eine Diskussionsbereitschaft und der Versuch, Kriterien und Qualität gemeinsam herauszuarbeiten. Sprich: Die Leser sind eigentlich schon viel weiter, als die Damen und Herren beim Syndikat. Die feiern sich lieber selbst und ihre Wichtigkeit mit unwichtigen Krimipreisen.