Glauser – Folge 8 – Offenbarungseid

vom Krimiblogger

„Und wenn es arrogant ist darauf hinzuweisen, dass Juroren immer subjektiv urteilen werden, weil es Objektivität bei der Bewertung von Literatur nach meiner Auffassung nicht geben kann – ja, dann bin ich arrogant. „
Jan Zweyer in seinen Notizen vom 7. März 2005

Nun, werte Krimikritikerinnen und Krimikritiker, liebe Leserinnen und Leser von Kriminalromanen, lasset alle Hoffnung fahren. Nehmt sofort die Finger von der Tastatur, legt die Stifte nieder, werft Eure vollgeschriebenen Blätter weg! Es gibt keine Objektivität bei der Bewertung von Literatur! Niemals! Versucht es erst gar nicht! Ihr Literaturwissenschafler, sucht Euch einen neuen Job – Euer Bemühen ist umsonst, Eure Kunst ist tot! Eure Literaturgeschichten, Essays, Kritiken, Besprechungen – ab auf den Scheiterhaufen! Kauft und lest Bücher und haltet doch bitte endlich die Klappe!

Nach dem Offenbarungseid des Glauser-Jury-Mitglieds Marcus Starck vom 3. März, nun ein weiteres Eingeständnis eines Syndikats-Autors namens Jan Zweyer. Qualität, Objektivität, begründete Urteile zur Kriminalliteratur – alles vergebliche Liebesmüh‘! Welch‘ verruchter Mensch, der behaupten mag, Edgar Allen Poe, Arthur Canon Doyle, Gilbert Keith Chesterton , Agatha Christie, Dorothy L. Sayers, Raymond Chandler, Dashiell Hammett – um jetzt nur mal die älteren „Klassiker“ (die es nach dieser These auch nicht geben kann) zu nennen – all diese und viele andere Autorinnen und Autoren seien irgendwie wichtig für die Entwicklung des Kriminalromans gewesen. Nur so nebenbei gefragt: Warum heißt der Glauser eigentlich Glauser? Könnte der Preis dann nicht auch Lieschen-Müller-Preis heißen? Oder noch besser: Geschmacksurteils-Preis einer subjektiven Jury?

Aber lesen wir mal weiter, was Jan Zweyer noch so zum Thema Kriminalliteratur, Syndikat und Glauser einfällt:

„Noch eine Frage stellt sich mir: Warum um alles in der Welt sollte das Syndikat Selbstkritik üben?“
Jan Zweyer in seinen Notizen vom 7. März 2005

Ja, warum eigentlich? Nicht, dass es seit Jahren Kritik am Verfahren gab, dass die „Eventisierung“ der „Criminale“ bedauert wurde, dass sich das Gerücht, der Glauser sei ja doch nur ein „Mauschelpreis“, hartnäckig in den Köpfen hält. Alles kein Grund, sich Gedanken zu machen. Die Öffentlichkeitsarbeit des Syndikats funktioniert hervorragend. Wer sich zum Beispiel auf diese Seite verirrt, erfährt, welche Veranstaltungen der „Förderverein für deutschsprachige Kriminalliteratur e.V.“, ein enger Verbündeter des Syndikats im Kampf für die deutschsprachige Kriminalliteratur, gesponsert hat. So werden für das Jahr 2003 mehrere Termine der „Kriminächte im Speicherstadtmuseum“ aufgeführt. Ich war bei mehreren dieser Veranstaltungen, aber das es Sponsoren für diese Veranstaltungen gab, wurde nirgends erwähnt. „Tue Gutes und rede darüber“ – drucke dein Logo auf Plakate, Eintrittskarten, Programmhefte, zeige Präsenz, sag‘, dass nur Dank deiner finanziellen Unterstützung diese Veranstaltung möglich war. Aber vielleicht ist man ja zu schüchtern.

Rhethorisch richtig geglückt ist Jan Zweyer seine Abschlussfrage:

„Wenn Syndikat, Criminale, und die Preise doch gar so unwichtig sind, warum dann die ganze Aufregung? Wer nimmt sich eigentlich hier zu wichtig, Ludger Menke?“
Jan Zweyer in seinen Notizen vom 7. März 2005

Wenn Jan Zweyer meine Kritik richtig gelesen hätte, dann hätte er folgendes wahrnehmen können:

„Das alles wäre nicht so wichtig und ärgerlich, würde es in diesem Lande eine gute und funktionierende Krimikultur geben. Die Amis und auch die Engländer haben zig Krimipreise, darunter auch Preise, die von Autor/innen an ihre Kolleg/innen vergeben werden, und das ist auch gut so. Dazu Zeitschriften, Foren, riesige Krimibuchhandlungen, diverse Treffen etc. Hier in Deutschland hat das Syndikat fast eine Monopolstellung in Sachen Krimi. Welche ernsthafte Alternative – für Leser – gibt es schon? Es gibt die verstreuten Besprechungen der professionellen Literaturkritiker, es gibt rund zehn ernstzunehmende Internetseiten, und ab und zu gibt es eine Tagung zum Thema. Mehr nicht.

Weil ich Kriminalliteratur ernst nehme, weil sie mir wichtig ist, stürze ich mich jedes Jahr in diese Diskussion. Meine beharrliche Fragen nach Qualität und Kriterien, nach Gründen für Urteile über Kriminalliteratur hat wohl kaum etwas mit egomanischer Wichtigtuerei zu tun. Ich bin nicht das Syndikat, ich vergebe keinen angeblichen „Oscar“ der deutschsprachigen Kriminalliteratur. Ich frage einfach nach. Wenn ich als Antwort darauf die Ausflucht ins „Geschmacksurteil“ bekomme, dann brauche ich keinen Glauser. Dann kann ich auch auf die nackten Verkaufzahlen von Krimis und auf die Bestsellerlisten schauen. Da sieht es gar nicht gut aus für den deutschen Krimi. Aber das ist nun wieder eine ganz andere Geschichte.

P.S.: Das Internet bietet die wunderbare Möglichkeit, Texte untereinander zu verlinken. Wenn ich zum Beispiel einen Text auf einer anderen Internetseite kritisiere oder irgendeinen Bezug dazu herstelle, dann ist es ein Gebot der Höflichkeit und Fairness, diesen Text per Link für die Leser erreichbar zu machen. Geht ganz einfach. Aber Höflichkeit und Fairness scheint nicht die Sache von Herrn Zweyer zu sein. Warum sonst zitiert er mich ausgiebig, bietet seinen Lesern aber keinen Link zu meinen kompletten Texten an?