Aus dem Archiv: Heiße Rhythmen und kalter Krieg
vom Krimiblogger
Morgen, am 16. August 2007, jährt sich zum 30. Mal der Todestag von Elvis Presley. Aus diesem Grunde habe ich mal ein wenig in meinem Archiv gewühlt und die Rezension eines Krimis von → Martin Schüller zu Tage gefördert, die ich vor fünf Jahren geschrieben habe. Die Originalausgabe des Krimis „King“ ist zwar nur noch antiquarisch zu bekommen, aber die Taschenbuchausgabe ist weiterhin lieferbar.
Martin Schüller: King
Bad Nauheim, 1959: Elvis, der King des Rock’n’Roll, ist in der Stadt. Seinen Militärdienst leistet er im nahegelegenen Friedberg ab, doch er residiert mit seinem gesamten Clan in der kleinen, hessischen Kurstadt, genauer gesagt in der Goethestraße. Täglich belagern vor allem weibliche Fans sein Haus, um ein Autogramm oder vielleicht auch mehr von ihrem Idol zu bekommen. Unter die wartenden Teenager mischen sich auch merkwürdige Gestalten: Sie geben sich als Reporter der Vancouver Sun aus, in Wahrheit sind sie jedoch Agenten des CIA. Denn Elvis ist in Gefahr und sie sollen ihn schützen.
Ein Unbekannter hat nachts mit einer deutschen Panzerfaust auf das Auto von Elvis geschossen. Zum Glück wurde niemand ernsthaft verletzt, doch die CIA vertuscht den Anschlag. Es ist die Zeit des kalten Krieges und so ist ein Feindbild schnell bei der Hand: Ostdeutsche Kommunisten könnten es auf den amerikanischen Schlagerstar abgesehen haben. Rock’n’Roll als imperialistische Bedrohung für den Kommunismus? Auch die Mächtigen der westlichen Welt haben mit der Musik zu kämpfen. Rock’n’Roll ist aufmüpfig, revolutionär und hinterlässt kaputte Konzertsäle sowie aufgeputschte, unkontrollierbare Jugendliche. Wer also könnte ein Interesse daran haben Elvis zu töten?
Um den Sänger vor weiteren Attentaten zu bewahren wird CIA-Agent Summers als „Hound Dog“ in das Umfeld von Elvis eingeschleust. Als Fahrer ist er in der unmittelbaren Nähe des Sängers, gleichzeitig soll er den Attentäter dingfest machen. Dabei kommen ihm nicht nur die Leibwächter von Elvis in die Quere, auch der deutsche Kommissar Grasshoff nimmt die Ermittlungen nach dem missglückten Panzerfaust-Attentat auf.
Als dann auch noch ein Förster in der Nähe des Anschlagorts eine Mädchenleiche entdeckt, spitzt sich die Lage zu. Nicht nur, dass sich die bestens ausgerüsteten CIA-Agenten und die schlecht ausstaffierte deutsche Polizei immer wieder über den Weg laufen, Kommissar Grasshoff nimmt auch den gesamten Elvis-Clan ins Visier, um den mysteriösen Tod der jungen Frau zu klären.
Zwischen Spießigkeit und Spaß
Auch wenn Elvis nun schon 25 Jahre tot ist, Martin Schüller erweckt den Star in seinem Roman noch einmal zum Leben. Er zeichnet das plastische Bild eines jungen, berühmten Mannes, der einerseits die Liebe und Verehrung seiner Fans zu schätzen weiß, der aber andererseits immer noch der früh verstorbenen Mutter nachtrauert. Gleichzeitig schafft es Schüller, den Leser mit auf eine faszinierende Zeitreise in die 50er Jahre zu nehmen.
Mit liebevollen Details schildert er den Mief und die Spießigkeit der deutschen Nachkriegszeit, in die der Rock’n’Roll mit heftiger Wucht hinein platzt. Die Männer rauchen „Juno“ oder „Overstolz“-Zigaretten, die Frauen genehmigen sich ein Glas „Frauengold“. Ohne in Nostalgie abzurutschen, entwirft er das lebendige Bild eines Landes, dass immer noch von den Kriegsfolgen gebeutelt ist und in dem immer noch Nazi-Schergen ihr Unwesen treiben. Gleichzeitig sind die Jugendlichen auf der Suche nach Lebensentwürfen und begehren – getreu dem Elvis-Titel „It’s now or never“ – nach etwas Neuem auf.
Raffiniert komponiert er um dieses Portrait eine spannende und überraschende Agenten-Geschichte, die den schnellen Takt des Romans bestimmt. Temporeich und mit treffsicher eingestreuten Action-Sequenzen erzählt Schüller seine Geschichte, die ihre Sogwirkung nicht verfehlt. Eine gelungene Mischung aus schnellen, mitreißen Rhythmen und ruhigen, eingängigen Tönen.
Schüller, Martin: King / Kriminalroman. – Köln : Emons-Verlag, 2002
ISBN 3-89705-254-7Taschenbuchausgabe bestellen bei:
Kommentare
Du machst mich neugierig.
Ich hab‘ gleich online in der Stadtbücherei geguckt: Es ist da!
Muß ich wohl lostigern und es holen.
Danke für den Tipp.
So soll das sein 😉
Die anderen beiden Krimis von Martin Schüller – „Jazz“ und „Killer“ – sind übrigens auch lesenswert.
Liebe Grüße & spannende Lektüre
Ludger
[…] seinem Blog seit Januar 2005 fast täglich über alles rund um Kriminalromane. In seinem aktuellen Beitrag geht es natürlich um den King Elvis Presley, der gestern seinen 30. Todestag […]
Ich muß mich nochmal bedanken für den Tipp.
Das Buch ist genau so, wie ich Krimis mag. Bei den Dialogen muß ich oft lachen, das ist gut gemacht.
Es hat sich gelohnt, Dein Blog zu abonnieren! 🙂
Hallo,
das freut mich, das die Empfehlung gut angekommen ist. Und vielen Dank für’s Lob!
Schönes Wochenende
Ludger
In den „Killer“ habe ich gerade reingeguckt. Aber ich glaube, ein Killer, der mit seiner Kindheit konfrontiert wird, ist nichts für mich. Das ist für mich zu sehr Modetrend. Irgendwie scheinen zur Zeit sämtliche Ermittler & Kollegen an ihrer Kindheit zu knabbern. Irgendwann reicht’s.