Vorübergehende Beunruhigung

vom Krimiblogger

Ein Beitrag zur diesjährigen “Criminale“ in Wien

Es wird Frühling. Das merkt der geneigte Krimileser nicht nur am Berg Krimineuerscheinungen, die auf vollen Tischen in den Buchhandlungen um die Gunst buhlen oder daran, dass er erst eine Stunde später die Leselampe anschalten muss, weil es wieder länger hell bleibt. Er merkt es auch daran, dass sich das „Syndikat“ aus dem fast ganzjährigen Winterschlaf erhebt, sich den Staub abschüttelt und für ein paar Tage so tut, als sei es der Nabel der kriminalliterarischen Welt – zumindest im deutschsprachigen Teil davon.

Für alle die es nach fast einem Jahr vergessen haben, hier noch einmal die Erklärung, was das „Syndikat“ ist: Eine „Vereinigung“ deutschsprachiger Krimiautorinnen und –autoren, die unter anderem den deutschsprachigen Krimi fördern will. Man darf das „Syndikat“ nie und nimmer „Verein“ nennen, weil es das erstens rein formal nicht ist (dafür aber einen eigenen, separaten „Förderverein“ unterhält, in dessen Kasse jeder „Syndikatler“ seinen Beitrag zahlen muss) und zweitens der Begriff „Verein“ angeblich etwas Miefiges und Spießiges transportiert – jedenfalls glaubt man das beim „Syndikat“. Über solche marginalen Fragen wie „Verein“ oder „Nicht-Verein“ wird in der „Vereinigung“ gerne und ausführlich diskutiert. Oder darüber, mit welchem Tamtam man die alljährliche Preisverleihung des vereinigungseigenen Krimipreises begehen will.

Genau diese Verleihung des „Friedrich-Glauser-Preises“ steht jetzt wieder an. Mit dem „Glauser“ wird der beste Roman, das beste Debüt und der beste Kurzkrimi des vergangen Jahres ausgezeichnet. Dazu wird auch noch der „Ehrenglauser“ für das Lebenswerk einer Autorin oder eines Autors vergeben. Die Preisverleihung findet im Rahmen einer so genannten Gala, dem „Tango Criminale“, statt, der in diesem Jahr in Wien über die Bühne gehen soll. Dort tagt das „Syndikat“ ab nächster Woche, bevor es dann wieder für ein Jahr vor sich her döst. Ruhm, Ehre und vor allem Eintracht sollten in Wien eigentlich anstehen, doch hinter den Kulissen des „Syndikats“ grummelt es.

Schuld am Unmut ist ein Antrag von über 40 Autoren, die den so genannten „Oscarmodus“ bei der Preisverleihung wieder abschaffen möchten. „Oscarmodus“ klingt wichtig und groß, weil man im „Syndikat“ ja gerne in sehr großen Kategorien denkt. Den „Oscarmodus“ hat man sich vor ein paar Jahren ausgedacht und beschlossen. Er ist angelehnt an den vielleicht wichtigsten Filmpreis der Welt. Kurz gesagt geht es darum, dass die Preisträger der jeweiligen Auszeichnungen erst an dem Abend während der Gala bekannt gegeben werden – eben wie beim „Oscar“. Ein Laudator öffnet den Briefumschlag – ratsch – und sagt halt „The winner is…“. Millionen von Fernsehzuschauern finden das jedes Jahr spannend und deshalb glaubt man beim „Syndikat“, dass müsse doch auch beim „Glauser“-Preis funktionieren. Schließlich kennen sich die „Syndikatler“ ja mit Spannung aus.

Aus dem Sandkasten

Leider aber blieb trotz des „Oscarmodus“ die Aufmerksamkeit der Presse für den „Glauser“ und vor allem für die mediengeilen Autoren des „Syndikats“ eher gering. Das dieser Preis verliehen wird und wer ihn bekommt, interessiert bis auf ein paar Krimileser und Lokalmedien kaum jemanden. BILD und Spiegel haben tatsächlich die Chuzpe, dem „Syndikat“ und seinem Preis nicht die Titelseiten zu widmen. Wenn es gut läuft, dann berichtet vielleicht die Lokalzeitung darüber (weil sie Medienpartner der “Criminale“ ist) oder auch der lokale Radiosender (weil er Medienpartner ist) und vielleicht sogar das Lokalfernsehen (genau: Medienpartner). Mit etwas Glück gibt es dann noch eine kurze, zwanzigzeilige dpa-Meldung. Das war es dann mit der Presse und der Aufmerksamkeit. Der „Oscarmodus“ hat am medialen Desinteresse nichts geändert.

Darum also soll er wieder abgeschafft werden. Kaum ist dieser Vorschlag in der Welt, gibt es auch schon böses Blut: Einige wittern Verrat an den Organisationsteams, die bisher die Preisverleihung und die „Criminale“ organisiert haben – beim „Syndikat“ heißen diese Teams „SOKO“. Deren Arbeit würde in den Dreck gezogen und überhaupt würde sich kaum einer der im „Syndikat“ organisierten Autoren wirklich in die gemeinsame Arbeit einbringen. Es wären halt immer die üblichen Verdächtigen, die dort Blut und Wasser schwitzen, während die anderen an der Bar abhängen.

Welche dramatischen Auswirkungen das haben kann, zeigt die Klage eines “Syndikats“-Mitglieds, das vor einigen Jahren für den „Glauser“ nominiert war: Die lange Anfahrt zum „Tango Criminale“ musste der potentielle Preisträger selber bezahlen. Am Ort des Geschehens eingetroffen musste er Eintritt bezahlen und wurde charmant aufgefordert, sich doch irgendwo einen Platz zu suchen – wohlgemerkt als nominierter Autor. Kaum hat der betroffene Autor gegenüber seinen Kollegen sein Leid geklagt, schon springen einige Kollegen auf und beschimpfen ihn. Ein anderes „Syndikats“-Mitglied ist aufgrund des Antrags auf Abschaffung des „Oscarmodus“ derart verärgert, dass es sein Ehrenamt, das es erst im letzten Jahr angetreten hat, niederlegen will. Wieder ein anderer beklagt die gegenseitige Respektlosigkeit unter den Damen und Herren Kriminalautoren und -autorinnen. Schließlich taucht dann auch noch die Sorge auf, dass durch eine mögliche Veränderung bei der Preisvergabe die künftigen, zahlenden Veranstalter – in diesem Fall ist es die Stadt Singen, die 2009 die “Criminale“ austrägt – verschreckt werden.

Wirklich wundern braucht man sich angesichts solcher „Auseinandersetzungen“ nicht, dass es kaum jemanden interessiert, wer das „Syndikat“ ist und wer den „Glauser“ bekommt. Während man sich im „Syndikat“-Sandkasten eifrig Förmchen und Schippchen an den Kopf wirft, bleiben inhaltliche Fragen – zum Beispiel zur Qualität des deutschen Kriminalromans – außen vor. Das ist natürlich beunruhigend – vorübergehend. Denn spätestens wenn in ein paar Tagen „Criminale“, „Tango Criminale“ und „Glauser“ vorbei sind, legt sich die Aufregung ganz schnell wieder. Dann legt sich das „Syndikat“ wieder schlafen – bis zum nächsten Frühling. Zwischenzeitlich beschäftigen wir uns mit den inhaltlichen Diskussionen – das ganze Jahr über.