Gangster im Glück

vom Krimiblogger

AbzockerLawrence Block: Abzocker

Einen Krimiautor wie Lawrence Block sollte man eigentlich nicht mehr vorstellen müssen. Der Vielschreiber aus New York, der in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, hat über 50 Romane veröffentlicht, mehrere Krimiserien geschrieben und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Doch leider ist Block bei uns in Deutschland der große Durchbruch versagt geblieben. Ähnlich wie etwa bei seinem Kollegen Ed McBain mag die chaotische Veröffentlichung der Übersetzungen von Blocks Büchern ein Grund dafür sein, warum sein Werk heutzutage und hierzulande nur noch von einer kleinen Fan-Gemeinde gelesen und geliebt wird. Traurig, dass zur Zeit gerade mal zwei Romane von ihm auf Deutsch regulär im Buchhandel lieferbar sind. “Verluste“, ein Roman aus der Serie um den Privatdetektiv Matthew Scudder, ist vor einigen Wochen im kleine und feine Shayol-Verlag erschienen und eben “Abzocker“ – ein Frühwerk von Block. Der Roman, der 1961 unter dem Titel “Mona“ in der legendären Pulp-Reihe „Gold Medal“ erstmals erschien, wurde 2004 von den Herausgebern der US-amerikanischen Verlagsreihe “Hard Case Crime“ als erster Band ihrer Verlagsreihe ausgewählt, eine durchaus verdienstvolle und verdiente Ehre.

Denn natürlich gehört Blocks Roman unbedingt in diese Reihe harter Krimis: Geradlinig und zielgenau erzählt der Autor seine Geschichte vom Heiratsschwindler Joe Marlin und seine verhängnisvolle Liebe zur attraktiven und reichen Mona. Joe lernt sie in Atlantic City kennen, als er wieder einmal aus der einen in die nächste Stadt flüchten muss. Unbezahlte Rechnungen machen sich halt nicht gut in den Nobelhotels, in denen Joe abzusteigen pflegt. Um sich in Atlantic City eine neue und ansehnliche Identität zu zulegen, klaut er auf dem Bahnhof zwei Koffer. Damit quartiert er sich in ein Nobelhotel ein, wo ihm die schöne, vor allem aber reiche Mona über den Weg läuft. Da Joe ein Näschen für gut situierte Damen hat, könnte Mona sein nächstes Opfer werden. Wie es der Zufall will, gehören die Koffer, die Joe sich unter den Nagel gerissen hat, dem Ehemann von Mona. Und noch viel wichtiger: In einem der Koffer findet sich eine große Menge Heroin.

Joe grübelt noch darüber nach, was er mit dem Stoff anfangen soll, als Mona die Koffer ihres Mannes in Joes Kleiderschrank entdeckt. Gemeinsam hecken sie einen Plan aus: Joe soll Monas Ehegatten, der in New York mit Drogen das große Geld scheffelt, um die Ecke bringen. Wenn einige Zeit später Gras über die Sache gewachsen ist, wollen Mona und Joe gemeinsam das geerbte Geld des getöteten Gatten verprassen. Für Joe scheint der erste Teil des Plans auch gut zu laufen: Eines Morgens erschießt er Monas Mann hinterrücks und die Polizei, die in diesem Roman so gut wie gar nicht existiert, hat keinen blassen Schimmer, wer der Täter sein könnte. Joe hat die Spuren so geschickt gelegt, dass die Bullen schon bald den Drogengeschäften des Mordopfers auf die Schliche kommen. Dem perfekten Gangsterglück scheint also nichts im Wege zu stehen, als Joe sich nach Miami aufmacht, um dort Mona Wochen nach dem Mord zu treffen. Doch Mona kommt nicht – nicht weil sie nicht kann, sondern nicht will. Joe ist in eine hinterhältige Falle getappt und die lächerlichen dreitausend Dollar, die ihm Mona für den Mord an ihrem Mann schickt, können Joe nicht besänftigen, im Gegenteil. Er will sie ganz und er weiß, wie er sie sich holen kann…

Modernes Großstadtmärchen

Blocks reduziert seine lasterhafte Geschichte von Liebe, Abhängigkeit und Mord raffiniert auf zwei Menschen, die erst so etwas wie Liebe erfahren, ihren Egoismus aber nicht hinter sich lassen können und in einen Sog gegenseitiger Abhängigkeit fallen um schließlich selbst Opfer ihres unmoralischen Handelns zu werden. Schon hier zeigt sich Block als ein Meister der erzählerischen Ökonomie: Kein Wort zu viel, spannend erzählt und ausgerichtet auf einen überraschenden Schluss. Dabei kommt Block ohne Seitenstränge, verschiedene Zeitebenen oder breit getretene Charakterstudien aus, er ist vielmehr ein Erzähler des Moments. Nur der zählt – im Fortgang der Handlung, bei der Beschreibung seiner Figuren und vor allem in seiner Absicht, den Leser zu unterhalten. Schon in diesem frühen Roman wird deutlich, dass Block sein Handwerk der guten Kriminalerzählung perfekt beherrscht. Denn es ist natürlich vor allem Handwerk, das den Roman ausmacht – keine ausgeklügelte, mehrdimensionale Geschichte. Der Plot ist simpel, manchmal arg von Zufällen geprägt, aber dennoch spannend.

“Abzocker“ ist eine fesselnde Geschichte, die von Liebe und Tod erzählt – zwei klassische Themen der so genannten “Hochliteratur“. Glücklicherweise hat Block damit wenig am Hut, er erzählt seine Geschichte eher nach den Gesetzen der modernen Großstadtmärchen und der Unterhaltung. Klasse, dass wir Leser so etwas wieder entdecken und vor allem jetzt auch in einer überarbeiteten Übersetzung genießen können. Nachschub erbeten.

Lawrence Block: Abzocker . – Übersetzt von Ludwig Nagel. Übersetzung überarbeitet und nach dem Original ergänzt von Lisa Kuppler. – Berlin : Rotbuch Verlag, 2008
ISBN 978-3-86789-022-9
(Hard Case Crime; 002)

Originalausgabe bei Hard Case Crime:
Lawrence Block : Grifter’s Game – New York : Dorchester, 2004
ISBN 0-8439-5349-7
(Hard Case Crime; 001)
Ursprünglich erschienen unter dem Titel “Mona“. – Greenwich, CT: Fawcett Gold Medal, 1961

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Links:
→ “Politisch korrekt geht es da natürlich nicht immer zu” – Interview mit der Herausgeberin und Lektorin Lisa Kuppler zum Start der “Hard Case Crime”-Reihe in deutscher Übersetzung
→ Homepage von Lawrence Block
→ Bibliografie bei kaliber.38.de
→ hardcasecrime.de – Internetseite zur deutschen Reihe
→ hardcasecrime.com – Internetseite zur US-amerikansichen Reihe