Jenseits der Harmonie-Heulbojen

vom Krimiblogger

Abschied ohne KüsseAllan Guthrie: Abschied ohne Küsse

Der Schotte Allan Guthrie ist so etwas wie das Wunderkind der englischen Krimiszene. Als sein erster Roman “Two-Way Split“ 2004 bei dem kleinen Verlag “Point Blank Press“ veröffentlicht wurde, arbeitete Allan Guthrie als Buchhändler in einer Filiale von “Waterstone’s “, einer britischen Buchhandelskette, in Edinburgh. Kein geringerer als Ian Rankin empfahl damals seinen Lesern, sie sollten doch zu “Waterstone’s“ gehen, nach Allan Guthrie Ausschau halten und dann seinen Roman kaufen.

Bis zu diesem Punkt hatte der 1965 geborene Guthrie eine Ochsentour hinter sich. Seinen Debütroman hatte er bereits 2001 unter dem Titel “Blithe Psychopaths“ für den “Debut Dagger“ der CWA, der britischen Vereinigung von Kriminalschriftstellern, eingereicht. In dieser Kategorie werden nur unveröffentlichte Romane angenommen und Guthries Text schaffte es sogar auf die Shortlist. Doch einen Verlag konnte er dafür nicht finden.

Erst drei Jahre später publizierte der kleine Verlag “Point Blank Press“ den Roman. All das hätte man in Großbritannien vielleicht gar nicht mitbekommen – denn “Point Blank Press“ ist ein US-amerikanischer Verlag – wäre da eben nicht die beherzte Kaufempfehlung von Ian Rankin gewesen. Das ein schottischer Autor wie Allan Guthrie nicht gleich bei einem britischen Verlag unter kam, war für den guten Rankin einfach nur “shocking“. Auch Guthries zweiter Roman landete zunächst erst einmal in den USA: Die Erstausgabe von “Kiss her goodbye“ erschien 2005 als achter Band in der damals noch recht jungen “Hard Case Crime“-Reihe. Einige Monate später erschien dann auch eine britische Ausgabe des Buches und seit einigen Wochen liegt “Kiss her goodbye“ nun auch in deutscher Übersetzung vor. Denn Guthries Roman “Abschied ohne Küsse“, wie der deutsche Titel lautet, hat die Ehre, die deutsche Version der erfolgreichen “Hard Case Crime“-Reihe zu eröffnen.

Das hier ein “Zweitling“ zum “Erstling“ wird, ist eine kluge Wahl, schließlich schlägt Guthrie in seinem harten Krimi die Töne an, die man von nun an hoffentlich auch wieder öfter in deutschen Buchhandlungen hören kann: Schüsse, Schläge und Schreie. Guthries Geschichte vom Schlägertypen Joe Hope, der in Edinburgh für den fiesen Kredithai Cooper als brachialer Schuldeneintreiber Angst und Schrecken verbreitet, ist ein knallhartes Spiel mit dem, was einst mal den Hardboiled-Krimi ausmachte. Das Schicksal von Joe Hope, der erst seine Tochter durch Selbstmord verliert, sich auf die Suche nach den Gründen macht und deshalb auf die Orkney-Inseln fliegt, wo seine Tochter zuletzt lebte, dann seine nicht gerade geliebte Frau Ruth durch Mord verliert und schließlich von der Polizei als mutmaßlicher Täter verhaftet wird, ist an sich nicht wirklich neu. Auch die entsprechende Sprache – “Wichser“, “Mösenschnorchel“ oder “Fotzentauchen“ sind nicht unbedingt Begriffe aus der Hochliteratur – kennt man aus ähnlichen Werken. Was Guthries Roman so interessant und spannend werden lässt, ist der abgründige, gleichzeitig aber auch unverfälschte Spaß, den der Autor beim Schreiben seines Krimis gehabt haben muss und der sich auf den Leser überträgt

Viele bunte Klötze

Düster ist in diesem Roman nicht wirklich etwas, weil man Joe Hope, seine Freundin, die Nutte Tina oder den übereifrigen Detective Sergeant Monkmann, nicht ernst nehmen muss. Auch Suizid und Mord dienen hier endlich einmal wieder nur dazu, durchgeknallte Figuren aufeinander los zu lassen, eine reichlich hanebüchene Handlung zum unvermeidlichen Showdown zu treiben und vor allem schräge Dialoge für sich sprechen zu lassen. Nein, dies ist natürlich keine Krimi-“Kunst“, es ist auch nicht in irgendeinem Sinne “literarisch“, wie es das deutsche Feuilleton so gerne für den Kriminalroman hätte. Selbst der soziologische Hintergrund – etwa die Armut in Edinburgh – geht einem bei der Lektüre letztlich am Arsch vorbei. Hier zählt nur eins: Die Guten kämpfen gegen die Bösen und dabei sind die Guten nur die etwas weniger Bösen, die richtigen Bösen sind aber Oberarschlöcher und beide hauen sich ordentlich einen auf die Glocke. Jeder betrügt hier jeden und natürlich überlebt nur der, der stark oder hinterlistig genug ist. Darwin hätte vermutlich seine schiere Freude gehabt. Sozialdarwinisten hätte daran vermutlich ihre Freude. Das alles ist nichts anderes als grandios hinterfotzige Unterhaltung.

Allan Guthrie erfindet keinesfalls den “Hardboiled“ neu, von “Noir“ wollen wir erst gar nicht reden. Der Schotte gibt sich hier einfach nur als ein großes Spielkind, das mit den vielen bunten Klötzen der Krimigeschichte ein schiefes und hässliches Haus baut, um es am Ende mit viel Krach zum Einstürzen zu bringen und dabei eine unbändige Freude verspürt und versprüht. Selten habe ich einen so “sinnlosen“ Roman gelesen und trotzdem dabei mordsmäßigen Spaß und herrliche Schadenfreude gehabt. Nennt es wie Ihr wollt – Rückbesinnung, Tradition, Genrepflege – oder noch besser: Behaltet diese beschissenen Etiketten einfach für Euch. Für mich war das Lesen von “Abschied ohne Küsse“ endlich wieder das, was Krimilesen früher mal ausgemacht hat: Ein einfaches, folgenloses Vergnügen – jenseits der Harmonie-Heulbojen im kriminalliterarischen Hermeneutik-Gebiet.

Allan Guthrie: Abschied ohne Küsse / Übersetzt von Gerold Hens. – Berlin : Rotbuch Verlag, 2008
ISBN 978-3-86789-024-3
(Hard Case Crime; 001)

US-Amerikanische Ausgabe:
Allan Guthrie: Kiss Her Goodbye. – New York : Dorchester, 2005.
ISBN 0-8439-5355-1
(Hard Case Crime; 008)

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Links:
→ “Politisch korrekt geht es da natürlich nicht immer zu” – Interview mit der Herausgeberin und Lektorin Lisa Kuppler zum Start der “Hard Case Crime”-Reihe in deutscher Übersetzung
→ Homepage von Allan Guthrie
→ hardcasecrime.de – Internetseite zur deutschen Reihe
→ hardcasecrime.com – Internetseite zur US-amerikansichen Reihe