Schämen

vom Krimiblogger

Ein Krankenhaus irgendwo im Hochsauerland, Herbst 1986. Meine Zivi-Zeit. Innere Station Männer. Krebskranke, Alkoholiker, hochgradig Schwerstbehinderte, alte Menschen, abgeschoben zum Sterben – oder weil die Familie gerade mal auf Urlaub musste. Ärzte haben das mitgemacht. Elend, wenig Hoffnung. Ganz anders auf der Chirurgie-Station: Da gab es viele junge Patienten, viele mit einem Knochenbruch, ein harmloser Blinddarm. So etwas. Ein paar Tage, manchmal ein paar Wochen – und schon ging es ihnen wieder besser. Hoffnung. Leben.

Zu den unangenehmsten Jobs als Zivi zählte das Putzen der Leichenhalle. Das wurde immer am Morgen gemacht. Die regulären Putzkolonne brauchte da nicht rein. Ein kleiner Kellerraum, mit einer Anfahrtsrampe für die Leichenwagen. Manchmal hattest Du Glück, und keiner lag da. Manchmal lag da ein älterer Menschen, gestorben an was auch immer. Abgedeckt natürlich. Warten auf den Bestatter. An einem Abend dann die Leiche eines jungen Unfallopfers. Gerücht: Der hat sich selbst tot gefahren. Zack! Vor den Baum. “Willst Du den mal sehen?“ fragte mich der ältere Krankenpfleger. Ich war gerade 20 – ungefähr so alt wie der Tote. Schwanken zwischen Neugier und Widerwillen. Nein, eigentlich will ich das nicht. Aber wie sieht ein Unfallopfer aus? “Er schaut gar nicht so schlimm aus.“

Ich bin mitgegangen, runter in den Keller, ich habe ihn gesehen. Ich schäme mich bis heute. Seinen Namen weiß ich nicht, habe ich nie gewusst.

Sterben ist eine Riesenschweinerei.