Megamultimedialer Mist

vom Krimiblogger

Krimis sind nicht vom Aussterben bedroht, sie brauchen keinen Artenschutz und können sich ganz gut selbst behaupten. Dennoch möchte ich manchmal aufschreien gegen all den Schindluder, der mit Krimi getrieben wird. Jüngstes Beispiel: Die Rhein Site Story. Da erreicht mich eine nette und freundliche E-Mail aus dem Kulturbüro der Stadt Möchengladbach. Ein „ungewöhnliches Internet-Krimiprojekt“ habe man letzte Woche gestartet, 3.500 Leute haben es bereits in der ersten Woche besucht und ob ich nicht auch darauf hinweisen möchte.

Ja, kein Problem, denke ich mir. Also schaue ich mir das mal an. 3.500 Besucher können ja nicht irren. Ungewöhnliches kann ich auf den ersten Blick nicht entdecken. Zwei Krimiautorinnen – Jutta Profijt und Patricia Vohwinkel – sowie ein Krimiautor – Carsten Sebastian Henn – schreiben zusammen einen Fortsetzungskrimi, der häppchenweise im Netz veröffentlicht wird. Natürlich – weil es ja gerade megahip ist – als „Blog“. Begleitet werden die Autor/innen durch andere Künstler: Musiker liefern – ebenfalls häppchenweise – den vermeintlich passenden Soundtrack zur Story, Zeichner und Maler bebildern – genau, ebenfalls häppchenweise – die Geschichte. Alles also megamultimedial. Wer aber nun aufregende Flash-Animationen, spannende Interaktivität und sinnvollen Hypertext erwartet, wird auf der Seite reichlich enttäuscht. Die Umsetzung ist dröge, langweilig und anstrengend. Ein grauer Hintergrund, dazu eine reichlich überfrachtete Navigation und eben langweilige Texthäppchen. So, als habe es interaktive, multimediale Online- und Fortsetzungskrimis noch nie gegeben, wirkt der Aufbau wie eine Seite aus den Anfängen des Internets. Man klickt sich halt von Folge zu Folge und wer die Musik hören möchte, muss ebenfalls extra klicken. Klick, klick, klick. Alle Elemente – Text, Musik, Bild – kommen nicht wirklich zusammen, sondern dümpeln einsam vor sich hin.

So richtig versemmelt wurde zum Beispiel die Interaktivität. Die Texthäppchen der Autor/innen werden als Blog kredenzt, wer aber als Leser nun Lust hätte, zu den einzelnen Folgen seinen Senf abzugeben, der muss erst ins Forum springen. Klick, klick, klick, schon mal was von der Kommentarfunktion bei Blogs gelesen oder gehört?

Klick, klick, klick geht es weiter zur eigentlichen Story. 91 Folgen soll es geben zu „der grausamen Mordserie“, die sich während der Herren-Hockey-WM, die im September 2006 in Mönchengladbach stattfindet, ereignet. Da hat man sich im Kulturbüro mal richtig was Feines ausgedacht: Sport und Mord gehörten ja immer schon irgendwie zusammen (oder reimt es sich nur so schön?). Warum also nicht Kultur, Killer und Körperertüchtigung in einen Topf schmeißen und herauskommt ein Klick-Krimi. Warum nicht mit einem Fortsetzungskrimi Werbung für die Hockey-WM und die Stadt Mönchengladbach machen, die im Schatten des großen Fussballereignisses stehen? Ja, klar – das ist es: Krimi zieht immer. Krimi ist geiles Marketing. Spaß, Spannung und ein bisschen Splatter bieten Krimi und Sport, passt doch wunderbar.

Splatter gibt es in den bislang acht Folgen der Rhein Site Story gleich zu Anfang: Der Präsident des Deutschen Hockey Bundes steckt zur Hälfte im frisch betonierten Siegerpodest, im Auge hat er einen Pokal. Tödlich und todlangweilig – auch wenn einer der Anwesenden beim Anblick des Toten so weiß wird, „als hätte er eine Quarkmaske aufgelegt“. Die ermittelnde Kommissarin ist natürlich eine „Blondine“, die kurz nach der Entdeckung der Leiche mit der Torwart-Legende Kossitzke zusammenprallt und der dann auch gleich seinen Macho-Charme spielen lässt. Kurz: Hier wird richtig tief in die Klischeekiste gegriffen.

Was aber noch schlimmer ist: Hier werden Krimiversatzstücke zu dumm-dreister Werbung verhackstückt. Das hat natürlich mit echter Kriminalliteratur nichts zu tun. Was erstmal auch nicht weiter schlimm wäre, Werbung ist halt Werbung. Es wird verkürzt und überspitzt, ein Produkt soll an den Mann und die Frau gebracht werden. Doch ist ein Fortsetzungskrimi wirklich das richtige Mittel dafür? Ich denke, hier wird Krimi und Werbung Unrecht getan. Der Werbeeffekt verpufft aufgrund einer miserablen Umsetzung und einer strunzlangweiligen Fortsetzungsstory. Der Krimi (oder das, was manche Leute dafür halten) wird – nicht zum ersten Mal – vor einen Karren gespannt. Das ist megamultimedialer Mist, ausgedacht von Leuten, die weder von Werbung noch von Krimi etwas verstehen. Klick, klick, klick.