Krimi-Nostalgie und nackte Zahlen
vom Krimiblogger
Es scheinen längst vergangene Zeiten zu sein. Zufällig bin ich beim Surfen auf einen älteren Artikel aus der „Zeit“ gestoßen. → „Blut und Leichen zu kleinen Preisen“ heißt der, wurde von Ingeborg Zaunitzer-Haase geschrieben und ist 1971 erschienen. Eine zeitgenössische Bestandsaufnahme der Kriminalliteratur und ein kleiner Einblick in die Arbeit von Richard K. Flesch, dem damaligen Krimilektor bei Rowohlt, gerne auch als „Leichen-Flesch“ betitelt. Ach, was findet sich da:
„Überhaupt sind „Bestseller“ wie die Krimis des US-Autors Harry Kemelmann (Auflage über 250 000) oder des schwarzhäutigen Amerikaners Chester Himes (etwa 140 000) in dieser Branche selten. Meist drängen sich Erstauflagen unter 20 000 Stück in Kiosks und Buchhandlungen; Zweitauflagen sind schon Ausnahmen. Rororo druckt beispielsweise zuerst rund 17 500 Stück eines Titels, Goldmann „macht“ um die 15 000, Ullstein startet mit knappen 20 000 und Heyne findet seine Kostenrechnung bei etwa 16 000 Exemplaren.“
Und dann solche Einschätzungen, die wie ein fernes Echo klingen:
Heyne leidet zur Zeit ein wenig unter Profilneurose. Georges Simenons Kommissar Maigret bringt keine Massenumsätze. So wird viel mit neuen Autoren gearbeitet wie John Mac Donald, Robert Crawford, Michel Lebrun. Reihenchef Werner Müller-Reymann meint: „Wir leiden unter der Crux aller Verlage: Die Zeit der großen Kriminalautoren scheint vorbei zu sein.“
In Wahrheit ist nicht die Zeit, sondern die Gelegenheit vorbei: Als mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch das Ende des Lizenzverbots anbrach, gab es für Krimiverlage selige Zeiten. „Wir hatten einen halben Meter Carter Brown“, erinnert sich Jutta Wannemacher, „heute sind die Reserven so gut wie aufgebraucht.“
So versucht Ullstein sich zu behelfen, indem in Doppelbänden ein bekannter mit einem noch unbekannten Autor zusammengebunden wird. „Aber“, sagt Frau Wannemacher, „Newcomer zu lancieren, ist ein schwieriges Geschäft.“
Es gibt auch nackte Zahlen:
„Von den Autorenhonoraren in der Taschenkrimibranche ist noch kein Schreiber reich geworden. Relativ am besten bezahlt Heyne: Seine Krimiautoren bekommen ungefähr 2400 bis 2700 Mark für 160 bis 180 Druckseiten. Dieses Honorar deckt eine Garantieauflage um‘ 20 000 Stück.
Goldmann pflegt ausländischen Autoren durchschnittlich 1350 für 15 000 gedruckte Exemplare zu zahlen. Geht das Buch so gut, daß sich ein Nachdruck lohnt — der bei mindestens 5000 Exemplaren liegt — so erhält der Autor weitere 8 bis 9 Pfennig für jedes Stück, das die Erstauflage von 15 000 überschreitet. Es gibt aber auch — meist unbekannte, deutsche — Autoren, die mit erheblich geringeren Honoraren vorlieb nehmen müssen. Einem jungen Mann beispielsweise, der kürzlich sein „Erstlingswerk“ offerierte, bot Goldmann für 260 Schreibmaschinenseiten ganze 500 Mark.
Ullstein zahlt seinen Krimiautoren rund 2100 Mark für bis zu 30 000 gedruckte Exemplare. Rowohlt-Honorare dürften etwa in der gleichen Größenordnung liegen. Desch gibt fünf Prozent des Verkaufspreises und zahlt bei Vertragsabschluß einen Vorschuß von tausend Mark. Faustregel und Durchschnitt aller Krimiverlage: 1500 Mark Honorar für je 15 000 Druckexemplare. Zahlungsweise: erste Hälfte bei Vertragsabschluß, Zweite Hälfte bei Erscheinen des Buches. Nebenrechte wie Einnahmen für Fernsehbearbeitungen oder Zeitungsvorabdrucke werden meist etwa im Verhältnis 50 : 50 oder 40 : 60 zwischen Verlag und Autor geteilt. Diese Nebenrechte gewinnen als Einnahmequelle ständig an Bedeutung.“
Dann gibt es noch einen schönen, langen Exkurs über ausländische Krimis, Übersetzungen, Agenturen und Titelfindungen. Krimimachen war eben schon damals kein leichtes Geschäft.
Kommentare
[…] hat Ludger Menke da einen interessanten Text […]
Interessant, interessant! Aber: Wie findet man so ein Dokument zufällig beim Surfen? 😉
Tja, wenn ich jetzt noch genau wüsste, wonach ich gestern gesucht habe, als ich dieses alte Schätzchen gefunden habe, lieber Lars. Ich weiß es wirklich nicht mehr, es muss eine Phrase gewesen sein.
Liebe Grüße
Ludger
Bastei zahlt 850.- pro Heftroman. Ich dachte immer, das sei sehr wenig, aber wenn ich lese, was Ullstein oder Rowohlt zahlen, sieht das ja ganz anders aus. Immerhin schreibt man einen Heftroman viel schneller und mit wesentlich weniger Anstrengung als ein richtiges Buch.
Noch ein Wort zu Simmenon: Der kaufte sich von seinen ersten Honoraren (damals noch als Groschenheftautor) gleich ein Hausboot, mit dem er fröhlich über die französischen Kanäle und Flüsse schipperte. Überhaupt hat es ihm ja nie am Gelde gemangelt. Da hatte er also eine schöne Motivation, einen guten Maigretroman nach dem anderen zu schreiben.
Irgendwer wird mit Krimis schon Gewinne machen und ein gutes Einkommen erzielen. Bloss gehören die Autoren wohl kaum zu diesen glücklichen Auserwählten. In den Chef- und Managementetagen wird es dafür sicher die obligaten Spitzenverdiener geben. Bevor man über die Qualität der heutigen Krimis lamentiert, sollte man an diese geschäftlichen Hintergründe denken. Sicher gibt es einen (wie auch immer zu definierenden) Zusammenhang zwischen der Qualität der Arbeit und der Qualität der Honorierung und Anerkennung.
Hallo Ulli,
„Bevor man über die Qualität der heutigen Krimis lamentiert, sollte man an diese geschäftlichen Hintergründe denken. Sicher gibt es einen (wie auch immer zu definierenden) Zusammenhang zwischen der Qualität der Arbeit und der Qualität der Honorierung und Anerkennung.“
Ich glaube nicht, dass literarische Qualität von Kriminalromanen nur deshalb schlechter oder besser wird, weil die Autoren schlechter oder besser bezahlt werden. Demnach müssten Designer-Autorinnen wie Elisabeth George, Tess Gerritsen oder wie sie alle heißen einen Hungerlohn bekommen. Tun sie aber nicht.
Gute Literatur und gutes Geld sind offenbar oft einfach ein Glücksfall. Und vergessen wir nicht die vielen kleinen Verlage, die mühselig junge Autoren pflegen.
Liebe Grüße
Ludger
Hallo Ludger,
natürlich sehe ich keinen simplen Zusammenhang zwischen der Höhe der Honorare und der Qualität der Romane. Ich denke aber, dass beim Geschäft mit Büchern – und darum geht es ja für Verlage – die Dinge ähnlich schief laufen wie auf vielen anderen Ebenen unserer Gesellschaft: In den unteren Ebenen der Branche kommt einfach kaum noch was an. Größere Verlage erzielen sicher ganz gute Gewinne, sonst würden sie ja nicht immer wieder neue Bücher herausbringen. Aber werden die Autoren auch angemessen an diesen Gewinnen beteiligt?
Kleine Verlage nehme ich hierbei aus. Ich selbst habe ja bei „Königshausen und Neumann“ das „Berliner Blut“ publiziert, das du damals rezensiert hattest, und dieser Verlag arbeitet sehr fair.
Herzliche Grüße aus Berlin
Ulli
Hallo Ulli,
als Außenstehender kann ich da nur wenig sagen. Der Text ist ja nun auch soch 37 Jahre alt. Ich glaube aber, dass auch damals eher wenige Autoren von ihrem Schreiben leben konnten. Ob sich da wirklich soviel geändert hat?
Auffällig sind jedenfalls die Auflagenzahlen. Welches Buch bekommt noch eine Startauflage von 17 .500 Stück?
Liebe Grüße
Ludger
Noch ein ZEIT-Artikel zum Thema Schreiber-Honorare:
„Schreiben macht arm“, von Gabriele Bärtels, DIE ZEIT, 01.11.2007, Nr. 45.
Frau Bärtels hat die bittere Wahrheit sehr schön beschrieben!
Moin Ulli,
interessanter Hinweis, den Artikel gibt’s auch online und zwar → hier.