Krimi retrospektiv: Die Krimi-Veranstaltungen des Jahres 2007

vom Krimiblogger

Mörder, Macher, Moderatoren – das Krimijahr 2007 war auch ein Jahr der Events, wie Veranstaltungen zeitgemäß heute genannt werden. Kaum ein Monat, in dem nicht irgendwo zum Krimi-Festival geladen wurde oder Krimi-Tage im Kulturkalender einer Stadt dick angestrichen waren. Ob Metropolen wie Berlin, München und Hamburg oder ländliche Regionen wie Eifel und Ostfriesland – im Land der Regionalgrimmis und Hochglanz-Blutschmonzetten bestimmte in vielen Orten munteres Vorlesen das kriminelle Kulturgeschehen. Und natürlich waren und sind da die Stimmen, die mit Recht vor einer „Eventisierung“ warnen. Denn wer auf die Festivals und Tage des Jahres 2007 zurück schaut, der wird schnell den Eindruck erhalten, dass öfter das Nebensächliche – ungewöhnliche Leseorte wie Pathologie oder Gerichtssäle, merkwürdige Kombinationen aus „Krimi + Essen“, „Krimi + Wein“, „Krimi + Dessous“ oder ein fröhlich-langweiliges Showprogramm – im Vordergrund stand als der kriminalliterarische Text. Es ist erstaunlich, dass Texte, die auch und manche sogar ausschließlich einen Unterhaltungsanspruch haben, durch zusätzliches, möglichst buntes und grelles Brimborium dem geneigten Publikum näher gebracht werden müssen. Liegt das an der Schwäche der Texte? Ganz bestimmt. Liegt es an der Ignoranz des Publikums, dessen Reizschwelle so hoch ist, dass es den Allerwertesten nur noch vom Sofa erhebt, wenn es jede Menge Gruselspaß in gruseliger Atmosphäre von gruseligen Autoren vorgetragen bekommt und dies durch besonders gruselige Moderationen zusammen geklascht wird? Auch möglich. Krimi, verkommen zum Entertainment-Monster, das auf öffentlichem Parkett nur als Super-Mega-Firlefanz-Event funktioniert? Nur ertragbar für einen, der auszog, das Gruseln zu lernen?

Glücklicherweise gab es auch in diesem Jahr Ausnahmen. Etwa diese wunderbar schräge Vorstellung, die Nury Vittachi im März während des Münchener Krimifestivals im Ampere ablieferte. Ein Moderator, der sich dezent im Hintergrund hielt, ein Schauspieler, der exzellent las und ein Autor, der keine Silbe aus seinem Buch vortrug, dafür aber einen glänzenden und unterhaltsamen Einblick in die Welt seines Fengshui-Detektivs Wong liefert. Eine One-Man-Literaturshow, die aber nur funktionierte, weil Vittachi seine Literatur lebt, zumindest vor Publikum. Ja, das war auch Unterhaltung – aber fest in der Literatur, die sie vermitteln will, verankert. Kein überflüssiger Firlefanz, keine Pathologie – einfach nur ein Mann, der gute Geschichten erzählt und so seine Zuhörer über zwei Stunden in Bann hält – welcher Autor schafft das schon?

Ebenfalls sehr schräg war der Abend mit Friedrich Ani und Oliver Bottini während des Hamburger Krimifestivals im November. Wer die Romane der beiden Autoren kennt, weiß, wovon eigentlich die Rede sein sollte. In den Krimis geht es um Existenzielles, um Gott suchende Ex-Mönche, die als Polizisten arbeiten, um Selbstmörder, sexuelle Gewalt, Dämonen bekämpfende Ex-Alkoholikerinnen, Balkankriege – das Elend der Welt geballt. Literatur, die – wie die Welt überhaupt – ohne Antidepressiva kaum zu ertragen ist. Was aber machen die beiden daraus? Setzen sich in die Kulissen eines Krimitheaters, die unfreiwillig komisch war, und lassen sich von einem Moderator, der an dem Abend den drögen Norddeutschen gibt, unsinnige Frage stellen und feiern ein Feuerwerk bayerischer Lausbubenstreiche ab. Dadaismus reloaded. Ja, sie haben aus ihren Büchern gelesen – und vielleicht war das der größte Fehler des Abends, denn ihre Bücher kann man auch immer noch zu Hause aufschlagen. Ihre gemeinsame Freakshow hingegen war in ihrer wunderbaren Absurdität klasse. Wer braucht da noch Wein oder Dessous?

Zwei Ausnahmeveranstaltungen, die so unerträgliche, egomanische Selbstdarsteller wie Ulrich Wickert – für seine Moderation der Eröffnungsveranstaltung des Hamburger Krimifestivals ist eine Ehrenplatzpatrone fällig – vergessen machen. Gerade weil sie sich von der Literatur für ein paar Stunden gelöst haben, trugen sie mehr zum Verständnis der Romane bei, als so mancher einschläfernder Autorenvortrag oder manche geistlose Frage-Antwort-Runde. Auf solche Lesungen freue ich mich im nächsten Jahr.

Mehr Krimi retrospektiv gibt es in den nächsten Tagen – dann lasse ich noch mal meine Begegnungen mit den Menschen Revue passieren, die ich in diesem Jahr zum Thema Krimi getroffen habe oder mich dieses Jahr besonders beeindruckt haben.