Krimi retrospektiv: Lob & Hudel, Pauken & Trompeten 2007

vom Krimiblogger

„Dreh‘ Dich nicht um! Schau‘ nicht zurück!“ – zum Jahreswechsel verstoße ich gerne gegen diese Krimigebote. Noch einmal lasse ich – natürlich ganz persönlich – Revue passieren, welche Bücher mich im Jahr 2007 beeindruckten und welche an meinen Nerven sägten.

Lob & Hudel:
Eine Entdeckung im Herbst war für mich Giwi Margwelaschwilis „Officer Pembry“. Ein Buch jenseits aller Genregrenzen, das Krimi, Thriller Science-Fiction, literarisches Spiel und Kulturkritik grandios vereint. Wie sich der echte Officer Pembry mit Hilfe des Beamten Meinleser von der Prospektiven Kriminalpolizei gegen die eigene Ermordung durch Hannibal Lecter wappnet, die in dem hundert Jahre alten Roman „Das Schweigen der Lämmer“ so detailliert beschrieben und vorweg genommen ist, das ist ein tolles Spiel mit Fiktion und Realität. Wer in Zukunft (!) über „realistische Kriminalliteratur“ nachdenkt, kommt um die phantastische und spielerisch-ernste Gedankenwelt des Ontotextologen Margwelaschwili eigentlich nicht herum.

Spielerisch auf ganz andere Weise verfährt Gilbert Adair in seinem zweiten Evadne-Mount-Roman „Ein stilvoller Mord in Elstree“. Wie schon im Vorgänger „Mord auf ffolkes Manor“ nähert sich Adair mit einem liebevollen und gleichzeitig sehr kritischen Blick der Grand Dame des Kriminalromans, Agatha Christie. Wie ein hervorragender Stilist hier aus Liebe zum klassischen Kriminalroman über seinen schriftstellerischen Schatten springt, das ist großes Kino. Womit gleich das Stichwort gefallen ist, denn der Roman spielt in der der englischen Filmwelt und da gibt es dann gleich auch noch ein wunderschönes und schräges Portrait des Schreckenmeisters Alfred Hitchcock. Eine Klasse für sich.

Ein dritter Spieler, wieder anders. Pablo De Santis, geprägt durch Autoren wie Kafka, Borges oder Casares, inszenierte mit seinem Roman „Die sechste Laterne“ eine glanzvolle Liebeserklärung an die Macht und Magie der Einbildungskraft. Das ist großartige Krimnalliteratur über Literatur.

Nicht vergessen werden sollte der schön gestaltete Katalog „anders denken – Krähen-Krimis und Zeitprobleme: der Nest-Verlag von Karl Anders“, der zur gleichnamigen Ausstellung erschienen ist. Die Kriminalliteratur in Deutschland entdeckt ihre Wurzeln und dieser Katalog ist dabei eine lustvolle Hilfe.

Pauken & Trompeten
Zu den Nervensägen des kriminalliterarischen Betriebs gehört zweifelsohne Stefan Maelck. Sein Roman „Tödliche Zugabe“, in dem es irgendwie auch um den Mord an Musikern geht, ist einfach nur dumpfbackiges Geschreibsel, jenseits jeder Schmerzgrenze. Maelcks krampfhafter Versuch, auf Kosten der Opfer des Amoklaufs von Erfurt lustig zu sein, ist nicht einmal mehr peinlich, es ist einfach nur dumm. Im Vergleich zu dem Roman von Stefan Maelck ist Mario Barth intellektuelle Unterhaltung – ehrlich.

Dagegen wirkt Marcel Feiges Roman „Wut“ ja geradezu noch niedlich. Feige, der sich unter anderem als Biograph von Nina Hagen einen Namen gemacht hat, tappt in seinem ersten Thriller in so ziemlich jedes Klischeenäpfchen, das schon hundert andere Autoren auch nicht ausgelassen haben. Er hat es bestimmt gut gemeint, sollte aber in Zukunft keine Thriller schreiben, die Berliner U-Bahn, Obdachlosigkeit, Klimawandel und perverse Serienkiller unter einen Hut bringen wollen.

Als Beispiel für die zahlreichen Designerkrimis und -thriller, die mir 2007 unter die Augen gekommen sind, sei Gillian Flynns „Cry Baby“ genannt. Ihr Frauen-, Familien- und Psycho-Roman ist mehr Produkt als Buch. Mit Literatur – selbst mit schlechter – hat das gar nichts mehr zu tun. Das ist Hochglanzelend pur. Ungefähr so tragisch wie Britney Spears.

Auf ein gutes, spannendes und aufregendes 2008!