Wie sag‘ ich es nur?
vom Krimiblogger
Gelegentlich erreichen mich E-Mails von neuen Autoren, die gerade ihren ersten Krimi veröffentlicht haben. Fast immer sind diese Vorstellungen mit der Bitte verbunden, das entsprechende Buch doch zu lesen und zu rezensieren. Freundlich wird dann noch darauf hingewiesen, bei wem ich ein Rezensionsexemplar bestellen kann. Die Verlage, in denen diese Bücher erscheinen, waren mir bis zu dem Zeitpunkt der E-Mail nicht bekannt. Oder es sind Verlage, die bisher nichts mit Krimi am Hut hatten – des Öfteren sogar Verlage, die bisher wissenschaftliche Texte veröffentlicht haben und sich nun in den Belletristikbereich wagen, ausgerechnet mit Krimi.
Diese Anfragen bringen mich immer wieder in einen Zwiespalt: Einerseits möchte ich natürlich neue Autoren für mich entdecken, andererseits zeigen meine Erfahrungen aus den letzten Jahren, dass da leider oft ziemlicher Unsinn veröffentlicht wird. Der Eindruck, dass wirklich jedes noch so unsäglich schlechte Buch gedruckt wird – und zwar in „richtigen“ Verlagen, also keine BOD- oder Zuschuss-Verlage – nimmt zu. Irgendwie scheint dort eine Kontrollinstanz weggebrochen zu sein. Ob das nun gut oder schlecht ist, will ich gar nicht beurteilen. Vielleicht schafft es so ja tatsächlich mal ein Autor ins Rampenlicht, der sonst vielleicht übersehen worden wäre. Andererseits schlage ich mich mit vielen schlecht geschriebenen und schlampig lektorierten Romanen rum und genau in dieser Masse droht ein unentdeckter, guter Autor unterzugehen.
Noch schwieriger wird es für mich, wenn mich eben diese hoffnungsfrohen Jungautoren anschreiben und um eine Kritik bitten. Denn es fällt mir wesentlich schwerer, ein Buch zu kritisieren, wenn ich den Autor kenne, und sei es auch nur durch eine E-Mail. Eigentlich ist das doch (auch) die Aufgabe eines Lektors.
Die zweite Schwierigkeit liegt in der Auswahl: Will ich für das angebotene Buch kostbare Lesezeit opfern, gar eine Kritik dazu verfassen? Da die Auswahl zu treffen, ist verdammt schwer. Manchmal höre ich auf mein Bauchgefühl. Nein, ich will keinen Krimi lesen, bei dem schon im Klappentext fett darauf hingewiesen wird, dass es sich um Kritik an der Globalisierung handelt und daher doch megaaktuell sei und alles enorm politisch und furchtbar wichtig. Wenn mich ein Buch nicht mehr überrascht, brauche ich es eigentlich auch nicht mehr zu lesen. Wie wenig doch in solchen Klappentexten auf Sprache geachtet wird – im doppelten Sinn. Weder werden die sprachlichen Fähigkeiten des neuen Autors erwähnt oder herausgestellt, noch sind diese Klappentext selbst wirklich gut geschrieben.
Doch das Bauchgefühl kann auch täuschen und vielleicht entgeht mir da ein neuer Krimi, dessen Lektüre sich lohnen würde. Schaue ich dann in meine Bücherregale, sehe ich viele hoffnungsfrohe Autoren und jungfräuliche Bücher, die seit Jahren ungelesen dort zu stauben. Deprimierend für mich und für die Autoren, die mir E-Mails schreiben.
Kommentare
Das von dir konstatierte (und leider nicht zu leugnende) Wegbrechen von Kontrollinstanzen, lieber Ludger, führt nicht allein dazu, dem Schrottigen und Schlampigen die Wege in die Buchhandlungen zu ebnen. Merkwürdigerweise bewirkt es auch, die GUTEN außen vor zu halten. Erschütterndstes Beispiel immer noch: der begnadete Geschichtenerzähler Peter J. Kraus („Geier“), der seit seinem Debüt versucht, weitere Krimis unterzubringen. Ohne Erfolg. Oder Jens Luckwaldts „Tod in Arkadien“, für mich eine der drei besten Neuerscheinungen des vergangenen Jahres. Erschien, nachdem der Autor reihenweise Absagen erhalten hatte, als BOD. Nicht zuletzt dank gewisser Internetrezensionen wurde inzwischen allerdings ein Verlag (be.bra) auf das Buch aufmerksam und wird es im Herbst herausbringen (das freut einen!). Oder „Tannöd“. Kleiner Verlag, Debütantin. Wurde schon VOR dem aktuellen Hype zum Verkaufserfolg, weil sich Kritiker nicht von der „Namenlosigkeit“ der Autorin abschrecken ließen und das Buch euphorisch besprachen.
Du hast natürlich Recht: In 99% der Fälle ist die Sichtung der betreffenden Krimis Zeitverschwendung. Aber wir sollten uns die Zeit dennoch nehmen, weil gerade unter den obwaltenden Umständen eben DOCH eine Perle in diesem ganzen Schmand zu finden sein könnte. Was du über die Klappentextsprache sagst, muss man selbstverständlich abnicken. Jo. So siehts aus. Traurig.
bye
dpr
Das Beispiel von Jens Luckwaldts „Tod in Arkadien“ ist schön, lieber dpr, leider aber vermutlich eine der wenigen Ausnahmen. Wenn es erst Rezensionen bedarf, damit ein Verlag auf einen Autor aufmerksam wird, dann stimmt da etwas nicht. Denn so wichtig Kritik auch ist, sie ist eigentlich die zweite Instanz im Literaturbetrieb, die erst aktiv wird, wenn ein Krimi bereits die Verlagshürden genommen hat.
Zu „Tannöd“ muss ich gleich auch nochmal etwas bloggen.
Liebe Grüße
Ludger
Klar, da stimmt etwas nicht, lieber Ludger. Anscheinend wird in den Lektoraten (die es, wie ich befürchte, nicht bei allen Verlagen gibt) nur nach Verkaufskriterien geschaut. Serienmord – Klasse, spielt auf Rügen oder im Allgäu – wunderbar, Kommissarin ist unheilbar krank – super. Diese Kriterien kommen aber nicht von irgendwo her, sondern aus dem Konsumverhalten der LeserInnen. Und das ist dann ein Teufelskreis. Gedruckt wird nur, was sich verkauft, verkauft wird nur das, was leicht zugänglich auf den Novitätentischen der Buchhandlungen rumliegt oder von publizistischen Lautsprechern in die Welt geblasen wird. Und da sollte man als Kritiker schon ein bisschen das Regulativ spielen. Meistens vergebliche Liebesmüh, aber, siehe „Arkadien“, manchmal hilfts denn doch. Und für good old Peter J. werd ich auch weiterhin öffentlich werben, die geistigen Grobmotoriker krieg ich schon klein…
bye
dpr
Jepp, volle Zustimmung, mein Lieber. Und den neuen Roman von Kraus sehe ich quasi schon vor mir 😉
Liebe Grüße
Ludger