Harry, hol’ schon mal den Wagen

vom Krimiblogger

Es ist Zeit für eines meiner Lieblingszitate: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“ Hanns Joachim Friedrichs sagte das einst und pochte damit auf journalistische Neutralität. Dazu gehört in meinen Augen zum Beispiel auch die Trennung der beruflichen Tätigkeit als Journalist von privatem Engagement. Zu schnell könnte es da ein – wie man in Schwaben sagt – „Geschmäckle“ geben. Doch in der bunten, schrillen und vor allem lauten Medienwelt scheint dies kaum noch jemanden zu interessieren. Zum Beispiel den Nachrichten-CvD (Chef vom Dienst) bei FOCUS Online.

Der heißt → Harry Luck und ist in seiner Freizeit → Hobby-Krimi-Autor. So ist es sicher kein Zufall, dass Harry Luck die sogenannte → FOCUS-Online-Mordkommission leitet. Schön, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann. Schön auch, wenn man für dieses Hobby eine eigene Vereinigung hat, die sich Syndikat nennt und in der sich ein Teil der deutschen Krimiautoren zusammengeschlossen hat. Schön auch, wenn man als verantwortlicher Nachrichten-CvD bei FOCUS Online einigen seiner ehrenwerten Mordskollegen kleine Jobs verschaffen kann. Zum Beispiel das Schreiben von Rezensionen. Seit Januar 2006 veröffentlichen bei FOCUS Online Oliver Bottini, Anne Chaplet, Horst Eckert, Henrike Heiland, Ralf Kramp, Manuela Martini und natürlich Harry Luck selbst Texte, die sie Rezensionen nennen. Gut. Wenn Kollegen über Kollegen schreiben, ist dies ja nichts Anrüchiges. Seltsam ist nur, dass alle FOCUS-Online-Mordkommissions-Mitglieder auch Mitglieder im Syndikat sind. Alles Zufall oder doch nur ehrenwerte Verbindungen?

Nun schreibt der Harry Luck nicht nur für die FOCUS-Online-Mordkommission, er berichtet zum Beispiel auch von der „Criminale“, die ja wiederum auch vom Syndikat organisiert wird. So hat der Harry Luck – sein Kürzel lautet „hal“ – gestern zum Beispiel einen → Artikel bei FOCUS Online ins Netz gestellt, der eine mordsmäßig tolle Überschrift hat

„Krimiautoren greifen Verleger an“

Wow! Die BILD hätte es nicht schöner formulieren können. In seinem Artikel erzählt der Harry Luck uns die traurige Geschichte (und das „traurig“ ist ohne Ironie gemeint) von der Elisabeth Herrmann, die sich mit ihrem „neuen“ Verleger herumschlagen muss, der sie „einzuschüchtern“ versucht, weil sie nicht mehr bei ihm verlegt werden will. Das ist eine sehr ernste Geschichte, zu deren Hintergründen ich im Folgenden eine kleine Zusammenfassung liefere. Das muss ich auch, denn aus der Geschichte, die uns der Harry Luck da erzählt, versteht man nicht, worum es eigentlich geht.

Im Februar 2007 wurde bekannt, dass der → Rotbuch-Verlag durch die bisherigen Eigentümer Irmela und Axel Rütters an die → Eulenspiegel-Verlagsgruppe verkauft wurde. Dies sorgte für reichlich Empörung bei den bisherigen Rotbuch-Autoren, schließlich wurden und werden in der Eulenspiegel-Verlagsgruppe Bücher auch von ehemaligen DDR-Größen wie Egon Krenz oder Markus Wolf verlegt. Bisherige Rotbuch-Autoren wie → Herta Müller oder → Thomas Brasch fühlen sich durch den Verkauf hintergangen und sehen sich, wie es → Peter Schneider im → SPIEGEL formulierte, „im Bett des Todfeinds.“

Der offene Protest einiger namhafter Rotbuch-Autoren führte dazu, dass Eulenspiegel-Verleger Matthias Oehme einigen der Autoren zusicherte, ihnen die Rechte an ihren bisherigen Rotbuch-Veröffentlichungen zurück zu geben. Schließlich, → so Oehme in der „taz“, wolle er „keinen Autor zwingen, im Verlag zu bleiben“. Wie komplex ein solcher Vorgang ist, zeigen die → Ausführen von Verleger Klaus Wagenbach im „Börsenblatt“, der erklärt, warum es 1973 bei der Gründung des Rotbuch-Verlags ein Kündigungsrecht der Autoren gab. Ob dies heute so noch gültig ist, scheint laut Wagenbach unklar zu sein und ein Fall für die Juristen. Da könnte es zum Beispiel darum gehen, ob in den jeweiligen Verträgen eines Rotbuch-Autors eine Kündigungsklausel steht. Jedenfalls zeigt Wagenbach, dass man an das Problem auch ganz ruhig und ohne Aufregung herangehen kann.

Dies ist kurz zusammen gefasst der Hintergrund einer Diskussion, die in der kleinen, und selten feinen Verlagswelt derzeit für Unruhe sorgt. Betroffen davon ist eben auch die Krimiautorin Elisabeth Herrmann, deren Roman „Das Kindermädchen“ 2005 bei Rotbuch erschienen ist. Wie viele andere Rotbuch-Autoren auch, möchte sie ihre Bücher nicht mehr in diesem Verlag veröffentlichen. Das ist verständlich. Letztlich aber ist das alles ein zwar juristisch komplexer, dennoch normaler Vorgang. Der ist für die betroffene Autorin nervenaufreibend und nicht schön, leider kommt so etwas dennoch manchmal vor. Irgendwie aber macht es sich gut, wenn eine Autorenvereinigung, von der man sonst selten hört, eine Resolution verabschiedet und laut „Solidarität!“ schreit. Schließlich hat der Verleger eine Kollegin bedroht. Wie diese Bedrohung genau aussah, erzählt uns der Harry Luck in seinem Artikel nicht.

Genauso wenig erklärt uns der Harry Luck warum, wie die Überschrift suggeriert, die Krimiautoren einen Verleger angreifen. Genau das tun sie nämlich nicht, sondern sie solidarisieren sich öffentlichkeitswirksam mit einer Kollegin, die nach ihren Aussagen angegriffen wurde. Diese Solidaritätserklärung wirkt allerdings so, als wolle man sich an die Aufregung um den Rotbuch-Verkauf einfach mal dran hängen. Zudem bleibt die Frage, ob eine etwas leisere, dezentere Herangehensweise für Frau Herrman nicht nützlicher und vor allem nervenschonender gewesen wäre. Vielleicht sollten ihr die „Syndikats“-Kollegen einfach einen guten Rechtsanwalt suchen und sie eher von der Öffentlichkeit abschotten, als sie auch noch durch unverständliche, journalistische Texte bei FOCUS Online ins Rampenlicht zu zerren. Und vielleicht sollte der Harry Luck einfach mal den Wagen holen.