Krimiblog-Archiv

2005 – 2010

Glauser – Folge 7 – Die Auflösung

Danke für’s miträtseln, danke für diese wunderschöne Textcollage und ihre Interpretation. Hier kommt nun die Auflösung:


Text Nr. 1: Martin Arz: Das geschenkte Mädchen. Ein Fall für Pfeffer. Leda Verlag.

„Damit hatte er nicht gerechnet. Gewiss, man konnte ihm alles Mögliche vorwerfen – Habgier, Gerissenheit, Besserwisserei zum Beispiel. All das hätte ihm sogar geschmeichelt und wäre Balsam für seine Eitelkeit gewesen. Aber eins hatte er sich noch nie vorhalten lassen müssen: Naivität. Nein, naiv war Sönke Westphal noch nie gewesen. Der allerletzte Funken Naivität, den er einmal in sich gehabt haben mochte, war spätestens bei seiner Rückkehr aus Kamerun erloschen. Dachte Westphal jedenfalls bis zu diesem Augenblick, in dem er langsam vor sich hin verblutete.“


Text Nr. 2: Hildgunde Artmeier: Drachenfrau. Gmeiner Verlag.

„Sofort nach dem ersten Klingelzeichen öffnete er die Tür. »Bin gespannt, was du heute vorhast«, sagte er ohne Begrüßung, fasste sie am Arm und zog sie in die Wohnung. Die Tür fiel ins Schloss.
Als er sie an die Wand drängen und küssen wollte, drückte sie ihn von sich weg. »Lass dir Zeit. Heute habe ich was Besonderes vor. Es wird dir gefallen.«“


Text Nr. 3: Martina Borger & Maria Elisabeth Straub: Im Gehege. Diogenes Verlag.

„Vier vor halb, zum ersten Mal war er der letzte. Der Parkplatz war voll. Erst ganz hinten, neben der Bank unter der großen Kastanie, fand Jon noch einen Platz neben Kowalskis senfgelbem Passat-Kombi, dessen Heck schräg aus der Reihe herausragte. Nicht einmal anständig einparken konnte das dumme Schwein.“


Text Nr. 4: Robert Clausen: Als die Zeit im Sterben lag. Fischer Taschenbuch Verlag.

„Später würde ich die Begegnung als das sehen, was sie tatsächlich gewesen war. Der Anfang vom Ende einer Zeit, die zum Sterben verurteilt war.
Und Lenz sagte: »Philly, bist du da? Bist du tatsächlich da?«
Kein Mensch auf der Welt nannte mich noch Philly, aber vielleicht war für Lenz die Welt stehen geblieben? Wann hatte ich ihn das letzte Mal gesehen?“


Text Nr. 5: Anne Chaplet: Russisch Blut. Piper Verlag.

„Er nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und sah zu, wie ein Regentropfen in der Glut verdampfte. Ihm war warm, ein Gefühl, das von innen kam, nicht vom Wetter. Es war das Gefühl, nach einem langen Lauf endlich angekommen zu sein, die verdiente Siegerehrung vor Augen.“


Text Nr. 6: Christian von Ditfurth: Mit Blindheit geschlagen. Stachelmanns zweiter Fall. Kiepenheuer & Witsch.

„»Ziehnse die Vorhaut zurück.«
Er zog die Vorhaut zurück. Der große, hagere Uniformierte betrachtete das Glied des Gefangenen. Dann musste er sich nach vorn beugen und die Gesäßbacken auseinander ziehen. Der Uniformierte beäugte den After des Gefangenen. Dann musste der sich mit dem Gesicht an die Wand stellen.“


Text Nr. 7: Christian Schünemann: Der Frisör. Diogenes Verlag. Nominiert in der Kategorie „Debüt“

„Ich sah es Beas Gesicht an. Der Anruf war so dringend, als ginge es um Leben und Tod. Ich hörte die Stimme aus dem Telefon, hoch und schrill. Bea hatte den Hörer am Ohr und den Finger im Kalender.
»Das sieht ganz schlecht aus. Das ist unmöglich.« Bea bedauerte.“


Text Nr. 8: Thomas Kastura: Der rote Punkt. Goldmann Verlag.

„Das Ziehen in seinem Bauch ist fast verschwunden. Wenn er mit der Faust dagegenschlägt, spürt er noch ein leichtes Kribbeln. Als kröche ein Käfer in seinem Inneren umher. Als seien nicht alle Holzsplitter entfernt worden, die in der Wunde zurückgeblieben waren. Als steckten sie noch tief in ihm drin. „


Text Nr. 9: Norbert Klugmann: Rebenblut. Gmeiner Verlag.

„28 Meter in der Länge, 18 Meter breit. Der glänzende Fußboden aus bestem Parkett. Auf der Bühne standen die Requisiten bereit, links das Pult mit Mikrophon für den Auktionator, daneben die Tischreihe, auf der später die Flaschen stehen würden. Die Stuhlreihen füllten die Hälfte des Raums, auf den Plätzen lagen Ziffer-Tafeln, traditionelles Utensil der Bieter.“



Text Nr. 10: Edith Kneifl: Kinder der Medusa. Ullstein Verlag.

„Er hat sie im Visier. Was er sieht, erregt ihn.
Vollkommene Brüste, rund und fest. Eine zarte Taille. Ein knackiger Arsch. Straffe, wohlgeformte Schenkel, schlanke Waden. Die kurzgeschnittenen, strohblonden Haare vom Wind zerzaust. Das ebenmäßige Madonnengesicht zu einer hässlichen Grimasse verzerrt. Angst, Lust, Erregung und Ärger spiegeln sich in ihren Zügen wider.“


Vielen Dank Euch, mal sehen, ich grüble mal über etwas Neues nach.

Glauser – Folge 6 – Ein kleines Rätsel

Ein kleines Rätsel: Zehn Anfänge, zehn erste Abschnitte aus zehn unterschiedlichen Kriminalromanen, von zehn unterschiedlichen Autorinnen und Autoren. Gemeinsam ist allen Büchern, aus denen diese Anfangszitate stammen, dass sie auf der Liste der diesjährigen eingesandten Titel für den Glauser stehen. Das heißt, theoretische hätte jedes dieser Bücher nominiert werden können. Allerdings findet sich unter diesen Anfängen nur einer, der aus einem nominierten Roman stammt. Meine Fragen:

1. Welcher Anfang (bitte nur einen nennen) würde Dich oder Sie so reizen, dass Du/Sie dieses Buch sofort weiterlesen möchtest/möchten?
2. Welcher Anfang stammt aus dem nominierten Buch?

Bitte einfach die Textnummern per Kommentar abgeben. Alles klar? Dann geht’s los mit den Texten.


Text Nr. 1:

„Damit hatte er nicht gerechnet. Gewiss, man konnte ihm alles Mögliche vorwerfen – Habgier, Gerissenheit, Besserwisserei zum Beispiel. All das hätte ihm sogar geschmeichelt und wäre Balsam für seine Eitelkeit gewesen. Aber eins hatte er sich noch nie vorhalten lassen müssen: Naivität. Nein, naiv war Sönke Westphal noch nie gewesen. Der allerletzte Funken Naivität, den er einmal in sich gehabt haben mochte, war spätestens bei seiner Rückkehr aus Kamerun erloschen. Dachte Westphal jedenfalls bis zu diesem Augenblick, in dem er langsam vor sich hin verblutete.“


Text Nr. 2:

„Sofort nach dem ersten Klingelzeichen öffnete er die Tür. »Bin gespannt, was du heute vorhast«, sagte er ohne Begrüßung, fasste sie am Arm und zog sie in die Wohnung. Die Tür fiel ins Schloss.
Als er sie an die Wand drängen und küssen wollte, drückte sie ihn von sich weg. »Lass dir Zeit. Heute habe ich was Besonderes vor. Es wird dir gefallen.«“


Text Nr. 3:

„Vier vor halb, zum ersten Mal war er der letzte. Der Parkplatz war voll. Erst ganz hinten, neben der Bank unter der großen Kastanie, fand Jon noch einen Platz neben Kowalskis senfgelbem Passat-Kombi, dessen Heck schräg aus der Reihe herausragte. Nicht einmal anständig einparken konnte das dumme Schwein.“


Text Nr. 4:

„Später würde ich die Begegnung als das sehen, was sie tatsächlich gewesen war. Der Anfang vom Ende einer Zeit, die zum Sterben verurteilt war.
Und Lenz sagte: »Philly, bist du da? Bist du tatsächlich da?«
Kein Mensch auf der Welt nannte mich noch Philly, aber vielleicht war für Lenz die Welt stehen geblieben? Wann hatte ich ihn das letzte Mal gesehen?“


Text Nr. 5:

„Er nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und sah zu, wie ein Regentropfen in der Glut verdampfte. Ihm war warm, ein Gefühl, das von innen kam, nicht vom Wetter. Es war das Gefühl, nach einem langen Lauf endlich angekommen zu sein, die verdiente Siegerehrung vor Augen.“


Text Nr. 6:

„»Ziehnse die Vorhaut zurück.«
Er zog die Vorhaut zurück. Der große, hagere Uniformierte betrachtete das Glied des Gefangenen. Dann musste er sich nach vorn beugen und die Gesäßbacken auseinander ziehen. Der Uniformierte beäugte den After des Gefangenen. Dann musste der sich mit dem Gesicht an die Wand stellen.“


Text Nr. 7:

„Ich sah es Beas Gesicht an. Der Anruf war so dringend, als ginge es um Leben und Tod. Ich hörte die Stimme aus dem Telefon, hoch und schrill. Bea hatte den Hörer am Ohr und den Finger im Kalender.
»Das sieht ganz schlecht aus. Das ist unmöglich.« Bea bedauerte.“


Text Nr. 8:

„Das Ziehen in seinem Bauch ist fast verschwunden. Wenn er mit der Faust dagegenschlägt, spürt er noch ein leichtes Kribbeln. Als kröche ein Käfer in seinem Inneren umher. Als seien nicht alle Holzsplitter entfernt worden, die in der Wunde zurückgeblieben waren. Als steckten sie noch tief in ihm drin. „


Text Nr. 9:

„28 Meter in der Länge, 18 Meter breit. Der glänzende Fußboden aus bestem Parkett. Auf der Bühne standen die Requisiten bereit, links das Pult mit Mikrophon für den Auktionator, daneben die Tischreihe, auf der später die Flaschen stehen würden. Die Stuhlreihen füllten die Hälfte des Raums, auf den Plätzen lagen Ziffer-Tafeln, traditionelles Utensil der Bieter.“



Text Nr. 10:

„Er hat sie im Visier. Was er sieht, erregt ihn.
Vollkommene Brüste, rund und fest. Eine zarte Taille. Ein knackiger Arsch. Straffe, wohlgeformte Schenkel, schlanke Waden. Die kurzgeschnittenen, strohblonden Haare vom Wind zerzaust. Das ebenmäßige Madonnengesicht zu einer hässlichen Grimasse verzerrt. Angst, Lust, Erregung und Ärger spiegeln sich in ihren Zügen wider.“


Wer nochmal nachschauen möchte, findet hier die Nominees in den Kategorien Roman und Debüt.
Viel Spaß beim Rätsel. Auflösung kommt durch Euch oder in einigen Tagen von mir. Falls jemand alle Textstellen Autor/innen und Büchern zuordnen kann – lasst es mich wissen. Wäre natürlich nett, wenn sich die Glauser-Juroren daran nicht beteiligen, und zu gewinnen gibt es leider auch nichts (außer Leseerfahrung) sorry. 😉

Zehn Gebote für Krimiautoren

dpr vom Hinter-Net! hat einen schönen Kommentar gepostet, der hier zu finden ist.

Porträt eines Krimilesers

Da es ja immer noch kein Foto von mir auf dieser Seite gibt, bin ich mal eben schnell ins South Park Studio gedüst und habe mich ablichten lassen. Das Ergebnis kann man auf der beigefügten Abbildung bewundern.

Also, so sieht ein böser Krimileser aus, wenn ihm sein Buch nicht gefällt. Die können ziemlich gefährlich sein und man sollte ihnen auch nicht im Dunkeln begegnen.

Krimileser

Foto by South Park Studio

Killing Blogs – Der Blog Thriller

Killing Blogs

Das wurde aber auch Zeit: Endlich gibt es den ersten Thriller rund um ein Weblog! Das ganze nennt sich Killing Blogs und bislang sind zwei Kapitel zu lesen. Zu finden ist das alles beim Männerblog.

Glauser – Folge 5

Muss ich nun bittere Tränen in mein Kissen weinen? Marcus Starck versteht mich nicht. Das behauptet er in seinem letzten Blog-Eintrag mit dem Titel „Dabei wär’s so einfach…“. Also, lieber Marcus, weil es offenbar so schwierig ist, weil Du ja auch erst seit einem Jahr in der Glauser-Jury sitzt (dabei hinterlässt Du immer den Eindruck, als seiest Du ein gaaaanz alter Hase im Krimigeschäft und hättest Christie, Chandler und Hammett schon mit der Muttermilch aufgesogen), weil Du die Diskussionen zum Thema, die schon seit Jahren ausgefochten wurden (siehe zum Beispiel hier) offensichtlich nicht kennst, noch einmal eine Zusammenfassung.

1. Kritikpunkt: Mangelnde Transparenz
Ein Punkt, der schon lange in der Diskussion ist. Es geht dabei nicht so sehr um das Verfahren – das dürfte allen klar sein – es geht um die mehr als dürftigen Begründungen dafür, warum dieser oder jener Krimi nun in den Augen der Jury der „beste“ Krimi ist. Bislang gab es wenigstens im Vorfeld der Criminale schon die Gewinner und dazu eine kurze Begründung. Die bestand im letzten Jahr zum Beispiel aus dreiviertel Werbe- und Klappentext. Noch dürftiger sah es bei den Nominess aus: Warum wurden die jeweils fünf nominierten Titel überhaupt ausgewählt, warum sind sie qualitativ gut – kein Wort dazu, Fehlanzeige. Nochmal zum mitschreiben und mitdenken: Da sitzen Leute in der Jury, die ihr Geld mit Worten verdienen und sie sind nicht fähig, eine vernünftige Begründung – auch und gerade zu den Nominees – zu schreiben? Schämt Euch!

2. Kritikpunkt: Das Verfahren
So klar dieses Verfahren auch sein mag, es beruht darauf, dass die Verlage ihre Produkte – sprich die Bücher und Texte – bei der Jury einreichen. Pennt der Verlag (oder der Autor), hat sein Buch keine Chance. Beim DKP ist es eben anders: Da schaut die Jury selbst, welche Neuerscheinungen aus dem jeweiligen Jahr in Frage kommen. Damit wird eine Hürde schon einmal abgebaut.

3. Kritikpunkt: Qualität vs. Geschmack
Es wird von Syndikatsseite immer gerne darauf hingewiesen, dass der Glauser der „Oscar“ unter den deutschen Krimipreisen sei (dabei gibt es ja gerade mal drei oder vier). Also irgendwie wichtig. Warum schauen dann Millionen von Menschen weltweit die Oscar-Verleihung an und warum kommen gerade mal ein paar Hundert zur Criminale und warum schreiben die Zeitung irgendwo auf den letzten Seiten davon? Literaturpreise haben es schwer – selbst der Deutsche Bücherpreis wurde nach zwei Jahren wieder eingestampft. Woran liegt es? Mangelnde oder schlechte PR-Arbeit von Seiten des Syndikats? Sind die Leser zu dumm? Interessiert es nur einen harten Kern von Krimilesern? Selbst wenn dies so ist, warum geht man dann nicht auf die Fragen und Kritiken der Leser ein? Warum ziehen sich Leute wie Jan Zweyer oder Du jetzt auf den „Geschmack“ zurück? Du schreibst:

„Ah, ich verstehe, der Gewinner des Glausers trifft nicht Jedermanns Geschmack.
»So what?«

Ja eben, so what. Wenn es eh nur ein Geschmacksurteil ist, dann ist der Glauser nicht wichtiger als eine Lieblingsliste von begeisterten Krimilesern. Das Leser oft nach geschmäcklerischen Kriterien urteilen, finde ich zwar auch schade, aber man kann es ihnen nicht wirklich vorwerfen. Von einer Jury, die behauptet, den wichtigsten Krimipreis im deutschsprachigen Raum zu vergeben, erwarte wesentlich mehr als ein „Geschmacksurteil“. Damit diskreditiert Ihr Euch selbst.

Es gab in der Vergangenheit immer wieder Kritik, nicht nur von mir. Als Antwort bekam man immer die Floskeln: Syndikat ist wichtig, weil über 400 Mitglieder, Criminale ist die größte Veranstaltung – blah, blah blah. Ich kann es nicht mehr hören. Wie wäre es mit echter Textkritik – wenn Ihr Euch als Autoren zu einer Jury über Kollegen aufschwingt, dann sollte das doch möglich sein. Wie wäre es mit Selbstkritik in den eigenen Reihen? Mir erscheint das Syndikat wie eine Krimi-Kleingarten-Kolonie – spießig, lahmarschig, denkmalgeschützt und kritikresistent. Angeblich gibt es ja intern immer wieder Diskussionen – nur nach außen dringt davon nichts. Nach außen hin wird gefeiert und gejubelt – was ist man doch für eine tolle Truppe und wen scheren schon gute und wichtige Kriminalromane?

Glauser – Folge 4

Die Preise sind noch gar nicht vergeben, da gibt es (alle Jahre wieder möchte man sagen) eine Diskussion um den Friedrich-Glauser-Krimipreis. Verschwörungstheorien kursieren in Bezug auf die Nominierungen in der Kategorie Kurzgeschichte, der Grafit-Verlag ist eigentlich die deutsche Antwort auf die Cosa Nostra, der in geheimen Hinterzimmern die Jury besticht. Dazu kommt die Klage über mangelnde Transparenz (klar, die bösen Krimiautoren lassen sich nicht gerne in die Karten gucken). Alles altbekannte Thesen, denen – fast wie jedes Jahr – die üblichen Verdächtigen vom Syndikat reflexartig mit den bekannten Argumenten begegnen. Es werden eben nicht nur Syndikats-Mitglieder mit dem Glauser bedacht, sondern durchaus Krimiautorinnen und -autoren, die bislang nicht dieser Vereinigung angehörten. Auch in Australien hat man sich Gedanken gemacht und Marcus Starck – der in diesem Jahr in der Jury sitzt und dies immer wieder gerne betont – packt endlich aus: „Glauser — die schockierende Wahrheit!“ heißt sein Beitrag, der klar und deutlich macht – ja was eigentlich? Der Glauser ist unspektakulär, bedeutungslos und unwichtig. Keine Bestechungen (wie langweilig), keine Erpressungen, keine Drohungen. Sechs Juroren in den Kategorien Roman und Debüt, sowie sechs andere Juroren in der Kategorie Kurzgeschichte, lesen ganz harmlos vor sich hin, diskutieren danach miteinander um dann die jeweiligen Nominees und schließlich den Gewinner bekannt zu geben.

Zur Preisverleihung gibt’s eine nette Rede auf die Gewinner – das war es dann für dieses Jahr. Anfang Mai ist das ganze harmlose Spektakel vorbei, zusammen mit der Criminale.

Offenbar entgeht den Verantwortlichen des Syndiakts, welche Aussenwirkungen ihr künstliches Gehabe, ihre Wichtigtuerei auf den normalen Krimileser hat: Es interessiert ihn nicht. Wer hat wirklich noch die Gewinner der letzten Jahre auf der Reihe: Thomas Glavinic, Bernhard Jaumann, Gabriele Wolff? Haben ihre Bücher die Bestsellerlisten gestürmt? Ist der Glauser tatsächlich das „Qualitätsurteil“, als dass ihn die Syndikats-Leute gerne sehen würden? Ist es ein gutes Verkaufsargument für den Buchhandel? Oder ist es, wie Jan Zweyer bei Tom schreibt einfach nur eine „Meinung“, ein „Geschmacksurteil“? Im gleichen Beitrag lässt sich Jan Zweyer übrigens zu folgendem Statement hinreißen:

„… die verschiedenen Glauser-Entscheidungen sind eine Auszeichnung für die nach
u n s e r e r Meinung besten Beiträge zur Kriminalliteratur des Jahres. Keiner muss die Meinung der Jury teilen. Macht eure eigenen, individuellen Hitlisten, wenn ihr wollt.“

Eine Haltung gegenüber Lesern, die ich so auch noch nicht gelesen habe. Es geht hier nicht um ein Miteinander, es geht nicht darum, auf manche berechtigte Kritik der eh‘ wenigen, engagierten Leser einzugehen, es geht auch nicht um Selbstkritik beim Syndikat – es geht eigentlich nur um die eigene Präsenz und Arroganz. Wir, die Autoren, stellvertretend durch eine Jury, haben gesagt, dass sind die besten Krimis dieses Jahres. Wenn Euch das nicht passt, macht doch Eure eigenen Listen, veranstaltet angeblich dubiose Abstimmungen im Internet, aber kritisiert bloß nicht unsere Entscheidung! Das ist der Tiefpunkt jeglicher Kommunikation, es zeigt eine Arroganz gegenüber Lesern, die mir unverständlich ist. Zudem eine Haltung, wie sie von Autorenseite gerne den professionellen Krimikritikern vorgeworfen wird, die aber weit davon entfernt sind. Gute Kritiker versuchen wenigstens, ihren Lesern halbwegs argumentativ klar zu machen, warum dieses oder jenes Buch gut, weniger gut oder schlecht ist. Sie versuchen, klare Kriterien zur Beurteilung eines literarischen Textes anzulegen. Was machen die Krimiautoren laut Jan Zweyer: Sie geben ihren Geschmack wieder.

Seit Jahren begleite ich die Vergabe des Glausers, seit Jahren lese ich die Begründungen, seit Jahren versuche ich, daraus halbwegs nachvollziebare Argumente zu ziehen, um zu verstehen, warum dieses oder jenes Buch würdig ist, den Glauser zu bekommen. Seit Jahren kann ich – angesichts der Urteile – oft nur mit der Schulter zucken.

Das Syndikat ist – nur noch mal als Hinweis – eine Autorenvereinigung, die einmal im Jahr den Glauser vergibt und die Criminale veranstaltet. Eine ernom wichtige Truppe, von der man als Leser sonst wenig hört. Was tut sie sonst? Wie sieht die Pflege der Autoren aus, wie der Kontakt mit den Lesern? Wachen die Syndikatsleute einmal Anfang Januar auf, um dann über den Glauser abzustimmen, bleiben sie dann bis April halbwegs wach, um sich auf der Criminale in den nächsten Tiefschlaf zu saufen? Wo ist die Kontinuität, wo die Kommunikation? Eben – sie gibt es nur für die beteiligten Autoren, die Leser dürfen einmal im Jahr die Brotkrummen vom großen, kleinen Glauser-Spektakel ehrerbietig aufheben.

Das alles wäre nicht so wichtig und ärgerlich, würde es in diesem Lande eine gute und funktionierende Krimikultur geben. Die Amis und auch die Engländer haben zig Krimipreise, darunter auch Preise, die von Autor/innen an ihre Kolleg/innen vergeben werden, und das ist auch gut so. Dazu Zeitschriften, Foren, riesige Krimibuchhandlungen, diverse Treffen etc. Hier in Deutschland hat das Syndikat fast eine Monopolstellung in Sachen Krimi. Welche ernsthafte Alternative – für Leser – gibt es schon? Es gibt die verstreuten Besprechungen der professionellen Literaturkritiker, es gibt rund zehn ernstzunehmende Internetseiten, und ab und zu gibt es eine Tagung zum Thema. Mehr nicht. Kein Wunder also, dass sich die grauenvolle Öffentlichkeitsarbeit des Syndikats da in den Vordergrund spielen kann – es gibt eben keine wirkliche Alternative. Statt den Diskurs zu suchen, flüchten sich die Verantwortlichen beim Syndikat in die gängigen Floskeln: Über 400 Mitglieder, Tausende von Besuchern bei der Criminale, blah, blah, blah…. Über Qualität, Qualitätskriterien, über Entwicklungen, über Schreibstil, über Textarbeit kein einziges Wort. Für Autoren mag das Syndikat eine wichtige Einrichtung sein, genau wie der Glauser (schließlich gibt es Geld dafür) – den Lesern ist es weitgehend egal. Die behelfen sich mit gegenseitigen Tipps in Foren, diskutieren darüber oder veranstalten gemeinsame Leserunden. Das dabei oft der Geschmack im Vordergrund steht, keine Frage. Aber es herrscht ansatzweise so etwas wie eine Diskussionsbereitschaft und der Versuch, Kriterien und Qualität gemeinsam herauszuarbeiten. Sprich: Die Leser sind eigentlich schon viel weiter, als die Damen und Herren beim Syndikat. Die feiern sich lieber selbst und ihre Wichtigkeit mit unwichtigen Krimipreisen.

Schmunzeln – Folge 2 – Glauser – Folge 3

Bei Toms Krimitreff gibt’s einen wunderschönen Eintrag von einem völlig überzeugten Thomas. Es lebe die Verschwörung. 😉

Jägermeistergedanken

Mord im Zeichen des Zen
Oliver Bottini: Mord im Zeichen des Zen

Er ist der Shootingstar der deutschen Krimiszene im letzten Jahr gewesen. Oliver Bottini konnte mit seinem Debütroman „Mord im Zeichen des Zen“ reichlich Kritikerlob einheimsen und schaffte beim Deutschen Krimipreis 2005 den Sprung auf den dritten Platz. Der in München lebende Autor hatte bis zu seinem Krimidebüt bislang durch Sachbücher über Buddhismus auf sich aufmerksam gemacht. Nicht weiter verwunderlich also, dass die asiatische Religion auch in seinem ersten Krimi eine wichtige Rolle spielt.

Die Geschichte beginnt in der Nähe von Freiburg, an einem verschneiten Winterwochenende. Ein asiatischer Mönch, nur mit Kutte und Sandalen bekleidet, läuft durch die kalten und für ihn fremden Straßen von Liebau. Beobachtet wird er von dem Polizisten Hollerer, der am Kopf des Mönchs eine Wunde feststellt. Hollerer folgt dem geheimnisvollen Mönch auf seiner offenbar ziellosen Flucht. Einen Tag später wird Hollerer schwer verletzt im Schnee liegen, sein Kollege Niksch wird tot sein. Louise Bonì, Hauptkommissarin bei der Freiburger Kripo, wird Schuldgefühle haben: Weil sie ihre Kollegen der tödlichen Gefahr ausgesetzt hat, weil der verletzte Mönch verschwunden ist und weil sie im Abgrund der Verzweiflung lebt. Louise Bonì ist geschieden, hat vor einiger Zeit einen Kinderschänder erschossen und konnte dennoch das Leben seines Opfers nicht retten und Louise Bonì ist Alkoholikerin, getrieben von Jägermeistergedanken.

Spannende Gratwanderung

Am Ende des Romans wird es noch mehr Tote geben, eine Hilfsorganisation für Kinder wird als Kinderschänderbande enttarnt sein, Louise Bonì wird sich einer Entziehungskur unterziehen – nur der geheimnisvolle Mönch bleibt verschwunden. Bis dahin erzählt Oliver Bottini eine spannend-traurige und entlarvende Geschichte von Fremdheit, Entfremdung und Fremdenangst, in der doch immer wieder ein Funken Humor aufblitzt und somit das Drama erträglich macht. Seine Antiheldin Louise kommt jenseits der Krimiklischees von Powerermittlerinnen daher. Kein Waffenweib, keine Weltverbesserin – wie ihre Hippie-Mutter – aber auch kein Opfer der männlich dominierten Polizistenwelt. Die Männer weiß sie zu nehmen – nicht nur im Bett, sondern auch in ihrem Beruf. Obwohl krankgeschrieben, geht Louise verbissen auf Tätersuche, die sie ins nahe Frankreich führt. Hier besucht sie nicht nur ein Zen-Kloster, hier liefert sie sich auch eine rasante Verfolgungsjagd. Später schließlich darf sie – trotz der bürokratischen Widrigkeiten der grenzüberschreitenden Polizeiarbeit – dabei sein, wenn zumindest ein Teil der Kinderschänderbande festgenommen wird.

Bottini wirft in seinem Krimidebüt einen unsentimentalen, nüchternen Blick auf die Arbeit der Polizei und die Auswirkungen auf die Psyche der Polizisten. Scheidung, Alkoholismus, Krebserkrankung, Frustration, Angst – alles Begleiterscheinungen, die Verbrechensbekämpfung mit sich führt. Keine harten Helden, sondern Menschen aus Fleisch und Blut werden hier in einer wunderbaren Prosa beschrieben. Die schützt Bottini davor, ein Betroffenheitsepos zu kreieren. Die Gratwanderung zwischen Sentimentalität und Selbstmitleid auf der einen Seite sowie schauderhaften Verbrechen und kaltem Polizeialltag auf der anderen Seite ist dem Autor hervorragend gelungen. Die Vergleiche drängen sich auf: Eine saufende Bella Block gemischt mit einem frustrierten Kurt Wallander und doch greifen sie hier glücklicherweise nicht. Louise Bonì ist eine eigenständige Figur. Nicht so tough wie die Kollegin aus Hamburg, nicht so weinerlich wie der Held aus Schweden. Bonìs Weltschmerz ist ein tief sitzender, der uns Floskeln über die Schlechtigkeit der Welt erspart. Oliver Bottini hat das Portrait einer verletzten und doch kämpferischen Seele gezeichnet – das ist alles andere als belanglos. Seine Louise Bonì ist eine der überzeugendsten Frauenfiuren im deutsche Krimi seit langer Zeit – auf die angekündigte Fortsetzung darf man also gespannt sein.

Oliver Bottini: Mord im Zeichen des Zen / Kriminalroman. – Frankfurt am Main : Scherz, 2004
ISBN 3-502-61117-3

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» Homepage von Oliver Bottini

Gib‘ mir die Nacht – Rückblick

DJ at work by darja

Das Leben ist ein Wunschkonzert:
10 x Abba
10 x Robbie Williams
3 x „Save the Dance“, was sich dann als „Saftey Dance“ von Men Without Hats entpuppte
3 x „Ain’t No Mountain High Enough“
2 x „Nightbush City Limit“
2 x Rolling Stones
2 x Madonna
2 x Jamiroquai
2 x Nena
1 x Fats Domino
1 x Rock
1 x „Old School Pop“
1 x „nicht so was mainstreamiges…“
1 x „mehr so Disco-Sachen“
1 x „mehr so mit Soul“
1 x „so was cooles….“
1 x Depeche Mode
1 x Iggy Popp
1 x „nochmal was von Cure…“
1 x „Theme from New York, New York“
1 x „Femme like you“
1 x „der spielt sowieso, was er will…“
1 x „der spielt doch alles…“
….
Bin ich ’ne Jukebox, die Münzen schluckt und Platten spuckt?

Die Abteilung für leichte Tanz- und U-Musik hat sich gerade aus dem Bett gequält, nach gut vier Stunden Schlaf. Eine lange Nacht hatte ich erwartet und so kam es dann auch. Für den Musikgeschmack kann ich übrigens nichts. Der Süllberg wie immer fantastisch, Blankenese ein kleines Wintermärchen mit kostenlosen Blick auf eine im Nebel liegende Elbe. Der Stargast hatte übrigens einen sehr netten Gitarristen, der wunderbar spielte. Gegen 2 Uhr musste ich dann das verschwitzte Handtuch vom Stargast in Sicherungsverwahrung nehmen, weil eine Dame sich das gesichert hatte und nun gut verstaut wissen wollte. Service des Hauses.

Verwunderlich nur, dass die Dame vom Abendblatt offenbar auf einer etwas anderen Veranstaltung war. Stargast betrat die Bühne gegen 22 Uhr und das Lied über die Schönheiten des Alterns hat er auch nicht zum Besten gegeben.

Die Taxifahrer waren übrigens beide sehr nett.

Fotos geklaut bei Darja.
Nachtrag am Montag: Ich weiß, man soll nicht dreimal „übrigens“ schreiben, bitte um Verzeihung. Nach vier Stunden Schlaf ist mein Stil noch im Dämmerzustand.