Krimiblog-Archiv

2005 – 2010

Criminale in Farbe – Folge 8 – Von Tuten und Blasen

Die Jungs hatten es drauf: Eine furiose Mischung aus Mancini, „Star Wars“ und Liebesliedern bliesen und sangen Mnozil Brass aus Wien den Zuhörern im Kulturzentrum Arnsberg-Hüsten kräftig ins Ohr. Kein Bein, dass nicht mit wippte und immer wieder brandete begeisterter Zwischenapplaus auf. Doch die sechs Musiker aus Österreich setzt nicht nur auf kräftige Töne, sie tanzten, blödelten und schauspielerten wunderbar. Erfrischend, lustig und unterhaltend. Die Big Band des Landespolizeiorchesters NRW, weiterer Act des Abends, hatte es schwer, dagegen anzuspielen. Die Männer, die sonst für Recht und Ordnung sorgen, schlugen sich tapfer: Sie swingten locker, leicht und heizten dem Publikum gut ein. Falls es bislang Zweifel gab, beim „Tango Criminale“ wurde klar: Im Hochsauerland spielt die Musik. Nix mit verstaubten Blaskapellen und Schützenfestumzügen – Musik in einer umfassenden Bandbreite schallt zwischen den tausend Bergen.

Schrieb ich gerade „Tango Criminale“? Ach ja, die Musik war nur Beiwerk, Rahmenprogramm, bunte Abwechslung für den Ehrentag einer ehrenwerten Gesellschaft, die sich „Syndikat“ nennt. Zwischen 300 und 400 deutschsprachige Autorinnen und Autoren (die Zahlenangaben schwanken immer, je nachdem, wen man fragt) sollen in dieser Vereinigung organisiert sein. Einziges Ziel: Die Organisation der jährlich stattfindenden Criminale, dem größten, europäischen Krimifestival. Abschluß dieses Festivals ist – langjährige Krimifans wissen es – die Verleihung des Friedrich-Glauser-Krimipreises, der in den Kategorien Kurzgeschichte, Debütkrimi und Roman vergeben wird. Dazu kommt noch der Hansjörg-Martin-Preis für den besten Kinder- oder Jugendkrimi eines Jahres. Diesmal sollte es besonders spannend sein: Handelt es sich doch angeblich um den „Oscar“ der deutschsprachigen Krimibranche. (Kleine Nebenfrage: Weiß die Academy of Motion Picture Arts and Sciences eigentlich, dass das Syndikat sich mal eben den „Oscar“ für ihre Krimis einverleibt hat? Wenn mich nicht alles täuscht, mag die ehrwürdige Akademie es gar nicht, wenn der Begriff „Oscar“ in einem anderen Zusammenhang als mit ihren Filmpreisen verwendet wird. Aber im Syndikat wird’s genügend krimischreibende Juristen geben, die das besser beurteilen können…)

Um die Spannung auf die Spitze zu treiben (Krimiautor/innen sollten dies können), wurden die Preisträger erst während der Verleihung bekannt gegeben. Nur das die gute Ingrid Noll den Ehrenglauser für ihr Lebenswerk bekommen würde, das stand schon Wochen vorher fest. Die anderen Nominierten mussten also angespannt und aufgeregt im Publikum sitzen. Mussten sie das wirklich? Dummerweise ging die Pressemitteilung mit den Siegern schon früher raus. Zwar war sie mit einer Sperrfrist versehen, das heißt, die darin enthaltenen Informationen dürfen erst ab einem bestimmten Zeitpunkt veröffentlicht werden, doch einem Gerücht zufolge hielt sich eine Nachrichtenagentur nicht daran und posaunte die Gewinner schon vor der Sperrfrist raus. Kann passieren – doch dieses Gerücht führte wiederum zu einer interessanten Diskussion. Ein namhafter Verleger hielt dieses Vorgehen für nicht angemessen (Verleger drücken sich gepflegt aus, man hätte auch albern sagen können). „Die nehmen sich zu wichtig – dies ist nicht der Oscar“, diesmal im Originalzitat. Woraufhin ihm eine sympathische Zeitungsredakteurin Zustimmung signalisierte und lapidar erklärte: „Was soll ich am Montag mit dieser Meldung? Die interessiert dann keinen mehr. Heute, am Samstag, hätte es in der Zeitung stehen sollen.“

Tja, was soll man am Montag mit dieser Meldung – eine durchaus berechtigte Frage. Und wer ist eigentlich Friedrich Glauser? Nun, wer nicht bis Montag warten möchte, bekommt die Sieger von mir hier kurz um die Ohren gehauen – was ungefähr dem Verfahren auf dem „Tango Criminale“ entspricht:


Hansjörg-Martin-Preis: Sabine Ludwig für „Die Nacht in der Mr. Singh verschwand“
Kurzgeschichte: Gunter Gerlach für „Hochzeit in Voerde“
Debüt: Stefan Slupetzky für „Der Fall des Lemming“
Roman: Hansjörg Schneider für „Hunkeler macht Sachen“

Jetzt wissen wir mehr, das Geheimnis ist endlich gelüftet. Aber halt: So ganz einfallslos ist das Syndikat ja nicht. Zu jeder und jedem Preisträger/in gab es eine – mal kürzere, mal längere – Laudatio, in der die Jury ihr Urteil begründete. Nachlesen kann man dies irgendwann sicher auf der Homepage des Syndikats. Wie war das mit der Meldung am Montag, die niemanden mehr interessiert? Selbst im Publikum trat bei der Verlesung der Begründung Schweigen ein (man ist ja höflich), dann wurde brav geklascht und sehnsüchtig die nächste Musik erwartet. Die war spannender, frischer und einfallsreicher, als die müde vorgetragenen Lobpreisungen von Kollegen auf Kollegen.

Was bleibt also als Fazit? Zweierlei: Der Hochsauerlandkreis und die Menschen, die für ihn arbeiten, haben sich reichlich Mühe gegeben, viel Zeit und Kraft investiert und organisatorisch gute Arbeit geleistet. Nur so als Randbemerkung: Das ganze Spektakel hat den Kreis 95.000 Euro Steuer- und Sponsorengelder gekostet (unter anderem dafür, dass es sich rund 160 Krimiautor/innen für zwei, drei Tage haben gut gehen lassen) . Für den HSK eine hoffentlich gute Investition, weil damit reichlich Werbung für die Region verbunden ist. Zudem hat man sich kulturell von einer interessante Seite gezeigt, gastfreundlich, offen und mit sauerländischem Charme. Die berühmten zwei Fliegen. Der eigens ausgeschriebene Jugendwettbewerb soll übrigens weiter bestehen – eine gute Entscheidung. Das Syndikat hingegen hat sich einmal mehr von seiner lahmen, langweiligen und selbstherrlichen Art gezeigt. Eine Vereinigung, deren einziger Verdienst (nach außen hin) es ist, einmal im Jahr ein solches Festival zu organisieren (mit finanz- und tatkräftiger Hilfe der Gastgeberregion), die für sich in Anspruch nimmt, den deutschsprachigen Krimi zu repräsentieren, die lieb- und kraftlos Krimipreise vergibt, hat sich in meinen Augen disqualifiziert und überlebt. Angesichts knapper Haushaltskassen, angesichts der Sparzwänge gerade im Kulturbereich sollten sich die verantwortlichen Politiker durchaus überlegen, ob sie 160 Autor/innen mal ein paar schöne Tage gönnen, oder ob das Geld nicht in nähere und qualitativ bessere Projekte (wie zum Beispiel einem Jugendschreibwettbewerb, wie ihn der HSK nun fortsetzten möchte) stecken wollen. Interessante Krimilesungen kann man auch anders organisieren – dafür braucht’s kein Syndikat.

Eindrücke
Mnozil Brass
Die Stars des Abends waren nicht die Krimiautoren, sondern Mnozil Brass.

Big Band
Sie swingten locker mit: Die Big Band des Landespolizeiorchesters NRW

Slupetzky Noll
Preisträger unter sich: Stefan Slupetzky und Ingrid Noll

Ludwig Schneider
Noch mehr Preisträger: Sabine Ludwig und Hansjörg Schneider

Ingrid Noll
Charmante Dame mit Mordgelüsten: Ingrid Noll mit ihrem Ehrenglauser

Criminale in Farbe – Folge 7 – Blaues Blut

Schloss AlmeWir trafen uns am Büchertisch. „Aus welchem Roman wird den hier gelesen“ fragte mich der Reporter der Lokalzeitung. „Wie heißen die? Wie schreibt man Chaplet? Malachy Hyde sind zwei? Moment, ich muss das mal mitschreiben…“ Auf meine Nachfrage, ob er keine Pressemappe erhalten habe, kam die lapidare Antwort: „Ach, die haben mich vor ‘ner halben Stunde angerufen. Fahr’ da mal hin, Fritz, und schreib’ uns 60 Zeilen.“ Hilfsbereit gab ich dem guten Mann meine Pressemappe, damit er die Autorinnen auch mit richtigem Namen veröffentlicht. „Haben Sie schon mal etwas von den Autorinnen gelesen?“ meine etwas naive Frage, weil ich ja immer davon ausgehe, dass sich Journalisten auf Pressetermine vorbereiten. Aber in 30 Minuten ist das wohl nicht zu schaffen. Kollege Reporter schaute mich etwas verdutzt an, fing an zu lachen und meinte: „Ich lese nur Jerry Cotton und Sauerland-Krimis.“

Anne Chaplet und das Autorinnen-Duo Malachy Hyde war dem guten Mann also vollkommen fremd, dafür kannte er die anwesenden Lokalmatadoren: Den netten Buchhändler, der die rund 30 Gäste mit Wein bewirtete. Natürlich auch den Graf und die Gräfin, auf deren Privatschloss in Alme die Lesung „Mörderisches im Schloss“ am frühen Freitagabend statt fand. Alte Mauern, 1790 erbaut, mit eigener Land- und Baumwirtschaft drum herum, einem schönen Hof und einem im schlichten Stil umgestalteten Stall, in dem die Leser und Leserinnen auf die drei Autorinnen trafen. Hier also lasen zunächst Ilka Stitz und Karola Hagemann, die zusammen das Duo Malachy Hyde bilden, aus ihrem Roman „Wisse, dass Du sterblich bist“. Ein historischer Kriminalroman, angesiedelt im alten Pergamon, der zur Zeit von Marcus Antonius spielt. Dieser römische Feldherr bildet auch das historische Gerüst der Erzählung. Nach einer guten halbe Stunde las dann Anne Chaplet – alias Cora Stephan – aus ihrem letzten Roman „Russisch Blut“, der in einem alten Schloss im Osten Deutschlands spielt. Eine Lesung, die zwischen Heiterkeit und Ernst schwankte, schließlich bietet die Autorin in ihrem Roman zum Teil harte Kost. Zwar gebe es reale Vorbilder, zum Beispiel das Schloss Blankenburg, aber es ist halt ein Roman, betonte Anne Chaplet mehrfach.

Nach der Lesung entwickelte sich dann ein Gespräch, natürlich mit den üblichen Fragen (Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Kann man davon leben?). Geduldig und freundlich gingen alle drei Autorinnen auf die Fragen ein, lieferten sich ab und zu auch ein kleines Zwischengespräch, wodurch sich die Atmosphäre deutlich auflockerte. Nach gut eineinhalb Stunden war die Lesung auch schon vorbei. Leser, Leserinnen (die waren in der Mehrzahl) und Autorinnen hatten offenbar ihren Spaß gehabt. Nur der Zeitungsreporter, der war nicht mehr da.

Eindrücke
Karola Hagemann, Ilka Stizt, Anne Chaplet und Hausherrin
Gruppenfoto mit echtem blauem Blut: Die Autorinnen Karola Hagemann, Ilka Stitz und Anne Chaplet (vordere Reihe), Buchhändler und das Grafenehepaar (hintere Reihe)

Statue
Er musste draußen auf dem Hof bleiben.

Stallungen
Was ereignete sich hinter diesen Mauern?

Tod einer Heldin

Da sprachen vor zwei Tagen deutsche Krimiautorinnen und -autoren über ihre Figuren und ob sie manchen Charakter auch gerne mal ins Jenseits befördern, wenn ihnen die jeweilige Figur zu nervig wird – siehe da, in den USA wird zu einem ganz ähnlichen Fall heftig diskutiert. Nicht über deutsche Krimis, sondern über das neuste Werk von Elizabeth George „With No One As Witness“. Aufmerksam geworden bin ich durch den Beitrag „Bad (?) News (?) für Elizabeth-George-Fans“ bei der Krimi-Couch. Was war geschehen? Elizabeth George killt in ihrem letzten Roman eine Figur (nicht Lynley, nicht Havers), die offenbar vielen Leserinnen ans Herz gewachsen ist. Die Folge: Hunderte von Kleenex-Tüchern wurden voll geweint und dringender Gesprächsbedarf wurde angemeldet. Selbst der reale Tod eine Enkels im Irak scheint die gleiche Bedeutung zu haben wie der Tod einer fiktiven Heldin bei Elizabeth George. Also, liebe Krimiautorinnen und -autoren: Passt gut auf, was ihr mit Euren Figuren macht. So einfach abmurksen ist nicht!

KrimiWelt-Bestenliste Mai

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Ganz frisch auf dem Laptop, die KrimiWelt-Bestenliste für den Monat Mai 2005. Hier nur die Listung, alle weiteren Infos gibt es in gut sortierter Weise bei Arte.

Die KrimiWelt-Bestenliste ist eine Kooperation von ARTE, Nordwest Radio und Die Welt.

1. Fred Vargas: Der vierzehnte Stein (Neu!)
2. David Peace: 1974 (Neu!)
3. Arne Dahl: Tiefer Schmerz (Vormonat 1. Platz)
3. Guillermo Martínez: Die Pythagoras-Morde (Neu!)
4. Leonardo Padura: Labyrinth der Masken (Vormonat 6. Platz)
5. Reginald Hill: Der Wald des Vergessens (Neu!)
6. Oliver Bottini: Mord im Zeichen des Zen (Vormonat 4. Platz)
7. Reginald Hill: Die Launen des Todes (Neu!)
8. Martin Cruz Smith: Treue Genossen (Neu!)
9. Joe R. Lansdale Die Wälder am Fluss (Vormonat 5. Platz)

Ein weiterer Bericht von der Criminale folgt übrigens morgen, die Lesung mit Anne Chaplet und Malachy Hyde in einem kleinen, verträumten Privatschloss in Alme…

Criminale in Farbe – Folge 6 – Ich liebe dich, ich töte dich.

Michael Molsner Silvia Kaffkei
Was macht eine gute Krimilesung aus? Autorinnen und Autoren, die eine gute Geschichte zu erzählen haben? Professionelle Sprecherinnen und Sprecher, die den Geschichten den richtigen Ton verleihen? Ein kompetenter Moderator, der interessante Fragen stellt? Wohlklingende Intermezzi, bei denen die Zuhörer das gerade Gehörte sacken lassen können? Eine Mischung aus all dem gab es bei der WDR 5 Kriminacht in der Kulturschmiede Arnsberg am 28. April. Im Rahmen der Criminale 2005 zeichnete der Sender seine berühmt-berüchtigte „Telefonische Mordsberatung“ auf, die erst im August gesendet wird. Motto des Abends: „Ich liebe dich, ich töte dich. Krimiautoren und ihre Figuren“. Die verantwortliche Redakteurin Petra Brandl-Kirsch zeigte schon bei der Auswahl der Autorinnen und Autoren ein sicheres Gespür für Spannung: Sabine Deitmer, Silvia Kaffke, Michael Molsner und Oliver Bottini – unterschiedlicher konnten die Besetzung nicht sein.

Da war die „Mutter aller Mörderinnen“ Sabine Deitmer, die mit ihrem letzten Roman „Scharfe Stiche“ für den Glauser nominiert ist und im Gespräch immer wieder mit einer selbstironischen Note überraschte. Silvia Kaffke, die in ihrem dritten Roman „Totenstill“ einmal mehr die Geschichte eines Serienmörders erzählt, diesmal in der Variante des „Copycat“, also eines Serienmörders, der Morde kopiert. Michael Molsner, gelernter Journalist und schon lange eine feste Größe in der deutschen Krimiszene. In seinem aktuellen Roman „Starker Zauber“ thematisiert er ein merkwürdiges, rechtliches Problem. Darf man in den USA einen verurteilten Mörder hinrichten, in dessen Brust das transplantierte Herz eines unschuldigen Deutschen schlägt? Schließlich Oliver Bottini, der mit seinem Debütroman „Mord im Zeichen des Zen“ die Krimiüberraschung des letzten Winters war.

Thomas Hackenberg„Jede Geschichte hat ihre eigene Logik“

Zusammen mit dem Moderator Thomas Hackenberg gaben die Autorinnen und Autoren Einblicke in ihre Arbeit. Wie entstehen Figuren? Welche Beziehung bauen ihre Erfinder zu ihnen auf? Gibt es reale Vorbilder? Um diese Fragen kreisten die Gespräche. Zunächst klärte Sabine Deitmer darüber auf, warum in ihrem Krimi „Scharfe Stiche“, in dem es um den Mord an einem Schönheitschirurgen geht und mit dem sie auf die negativen Seiten des Schönheitswahn aufmerksam machen möchte, ein Schweinekopf auseinander genommen wird. Die Autorin selbst hat es ausprobiert und gab den anwesenden Hausfrauen den wohlgemeinten Tipp „Verarbeiten Sie einen Schweinekopf frisch!“. Doch trotz aller Kuriosität, Deitmer sieht sich durchaus als eine Autorin, die neben einer spannenden Geschichte auch etwas vermitteln will, ohne erhobenen Zeigefinger. Sie findet es skandalös, wie verharmlosend mit dem Thema Schönheitschirurgie umgegangen wird, ohne, dass auf die Gefahren und Folgen eines solchen operativen Eingriffs eingegangen wird. Das sie ihren Roman deshalb in zwei Perspektiven erzählt – aus der Sicht der Mörderin und der Kommissarin – paßt ebenso dazu wie die Sympathie, die sie für ihre Mörderin entwickelt. Wer ist Opfer, wer ist Täter – eine Frage, die Deitmer in ihrem Roman auszuloten versucht.

Wesentlich nüchterner geht Michael Molsner an seine Geschichten heran. Distanz zu seinen Figuren sei ihm wichtig, wenn ihm dies auch nicht immer gelänge, wie der Autor einräumt. Seine Vorlagen findet er in realen Kriminalfällen. Dabei geht er von den Figuren aus. „Jede Geschichte hat ihre eigene Logik und kann während des Schreibens eine Bedeutung annehmen, die ich gar nicht will“ – so Molsner, der nicht, wie zum Beispiel Agatha Christie, seine Romane zunächst am Plot aufhängt. Es sind die Figuren und wenn er reale Menschen trifft, die zu einem Plot passen könnten, arbeitet er sie in seine Geschichten ein. Das seine Figuren dabei eine eigene Dynamik, eine eigene Integrität entwickeln, sei nicht von der Hand zu weisen.

Wesentlich rabiater zeigt sich Silvia Kaffke, die sich in ihren Krimis auch schon mal an unsympathischen Menschen rächt und sie – fiktiv – um die Ecke bringt. Allerdings so verfremdet, dass wohl nur die unmittelbar Betroffenen dies erkennen könnten. Ihre Hauptfigur Barbara entstand bereits 1996 und wurzelt aus einer Begegnung einer völlig „fertigen“ Frau mit einem Polizisten in einer Kneipe. Seitdem hat sie sich intensiv mit den Profilern beschäftigt, die bei der deutschen Polizei Fallanalytiker heißen. Barbara habe, bis zu der Verfilmung von „Messerscharf“ eigentlich keinen festgeschriebenen Lebenslauf gehabt – sie habe die Autorin einfach gepackt und sich so entwickelt. Erst in Vorbereitung zum Film habe sie, während langer Gespräche mit dem Drehbuchautor, der Figur eine längere Biografie verpaßt. Ob Frauen blutrünstiger schreiben als Männer, kann Kaffke auch nicht endgültig beantworten. Sie selbst sieht aber, dass wir in der Realität nicht weit von Gewalt, Verbrechen und Abgründen entfernt sind. Wer kennt nicht jemanden, der jemanden kennt, der Opfer eines Verbrechens geworden ist?

Sabine Deitmer Oliver Bottini
„Die Problemlöser der Nation“

Oliver Bottini, als jüngster Autor in der Runde, wird vom Moderator natürlich mit der Frage konfrontiert, die er schön öfters beantworten musste: Warum wählte er als Mann eine alkoholkranke, mit zahlreichen Problemen belastete Frau als Protagonistin? Der Autor sieht seine Louise Bonì als eine Alternative zu den zahlreichen, männlichen Helden in Kriminalromanen. Er kenne so viele Krimis, in denen Männer eine Rolle spielten, dass ein weiterer Mann sicher nicht sehr originell gewesen wäre. Zudem beschäftigt ihn auch die Geschlechterproblematik, die im Buch „Mord im Zeichen des Zen“ behandelt wird. Ob er seine Hauptfigur wirklich von Anfang an als Alkoholikerin angelegt habe, könne er gar nicht so direkt beantworten. Bottini betont aber, dass seine Recherche bei der Polizei zu einer ernüchternden Bilanz geführt habe. Einer der befragten Kommissar bei der Polizei sagte zu ihm: „Wir werden von allen als Problemlöser der Nation gesehen. Dabei haben wir alle selbst Probleme, wie jeder andere auch.“ Auf die Nachfrage, ob seine so stark angelegte Figur Bonì vielleicht auch eine Gefahr für den Krimi ist – weil sie alleine eine Geschichte tragen würde – verneint Bottini dies.

Zum Gelingen des Abends trugen aber nicht nur die befragten Autorinnen und Autoren bei. Die Abwechslung aus Musik – gespielt von dem vortrefflichen Trio „The Art of Jazz“ – Werkstattgespräch und professioneller Lesung – vorgetragen von Gudrun Schachtschneider und Detlef Dickmann – sorgte für kurzweilige zwei Stunden. Das Publikum selbst wurde nicht in die Diskussion einbezogen, was allerdings nicht weiter tragisch war, denn im Anschluß hatte man genügend Zeit, die Autorinnen und Autoren direkt zu befragen. Einziger Wehrmutstropfen war, dass unter den Autorinnen und Autoren nur wenig Gespräch, wenig Interaktion aufkam. Dennoch: Solche profunden und klugen Krimilesungen wünsche ich mir mehr.

Criminale in Farbe – Folge 5 – Figuren

Ein guter, ein spannender, ein erfolgreicher Abend – ja, so war’s heute bei der WDR 5 Kriminacht in der Kulturschmiede Arnsberg. Wirklich, gute Gespräche, interessante Autorinnen und Autoren. Schreibe ich alles morgen zusammen, weil ich totmüde bin, noch gucken muss, ob die Bilder etwas geworden sind. Nur eines: Wenn alle Veranstaltungen bei der Criminale so ablaufen, dann sage ich kein kritisches Wort mehr. Ich befürchte aber, der heutige Abend wird wohl eher die Ausnahme gewesen sein (vielleicht ja auch nicht). Und Silvia Kaffke und ich, wir werden uns auch in Zukunft anzicken 😉 Morgen mehr.

Entzauberter Heimatroman

PilzekriegDie Diskussion um die „Schlechten Zeiten“ des Kriminalromans haben mich an eine Besprechung erinnert, die ich vor gut zwei Jahren geschrieben habe. Es ging um Roger M. Fiedlers Roman „Pilzekrieg“ – in meinen Augen ein schönes Beispiel, wie ein Autor die „Heimatisierung“ des deutschen Krimis gekonnt auf die Schippe nimmt. Der Roman erschien kurz vor der Criminale im Westerwald und war alles andere als Werbung für die Region. Im Sauerland ist man leider noch nicht soweit, daher ein kurzer Rückblick

Der Heimatroman hat in deutschen Landen eine lange, oftmals auch zweifelhafte Tradition. In Form des Regional-Krimis feiert er seit den 90er Jahren eine fröhliche Wiederauferstehung. Selbstverständlich würde sich kaum ein Autor dieses Subgenres in der Nähe jener unseligen Blut- und Bodenliteratur sehen, die Heimatdichter wie etwa Hans Grimm („Volk ohne Raum“, 1926) auf dem Gewissen haben. Nein, viele Regio-Krimis geben sich lieber links und erzählen harmlose, kriminelle Geschichten aus der Nachbarschaft.

Dennoch sind sie oft nicht gefeit vor Verklärung heimatlicher Gefühle. Distanz ist in diesem Subgenre, das so sehr von der Nähe lebt, nicht immer gegeben. Angebliche Charakteristika von Land und Leuten werden nur selten ironisch gebrochen. Anders bei Roger M. Fiedler. Ihm ist mit seinem „Pilzekrieg“ etwas gelungen, was nur wenige Regio-Schreiber zu Stande bringen: Die Entzauberung des Heimatromans.

Fiedlers Krimi kommt sprachlich modern daher: Mit wechselnden Perspektiven und in vielen Brüchen erzählt der Autor die Geschichte vom dicken Einzelgänger Knooth, der sich wegen einer Magenoperation in den Westerwald begibt. Doch statt in die Klinik zu gehen, flüchtet sich Knooth aus Angst vor der Operation in den Wald und übernachtet dort in freier Natur. Fiedler beschreibt seinen Knooth mit viel Innenschau und Reflexionen. Ähnlich verfährt er auch mit seinem zweiten Helden, dem pensionierten Postbeamten Backes, seines Zeichens leidenschaftlicher Pilzesammler. Voller Zorn muss Backes feststellen, dass ihm ein Unbekannter seine geliebten Morcheln vor der Nase wegschnappt.

Lug und Betrug

Auch sonst geschehen merkwürdige Dinge im Wald: Knooth trifft auf den mysteriösen „Kreuzemaler“, der die Wegbeschreibungen nachzeichnet. Schließlich finden Waldarbeiter eine grausam entstellte Leiche. Unvermittelt sieht sich Knooth mit einem Kriminalfall konfrontiert, dessen Lösung auch mit ihm und seiner Familie zu tun hat und dessen Wurzeln bis zu einer Hexenverbrennung reichen. Eine Hexenverbrennung, die noch gar nicht so lange zurückliegt.

Fiedler fasziniert durch sein Spiel mit Mythen. Der Wald – deutscher Mythos schlechthin – als Schauplatz von abscheulichen Verbrechen ist von ihm geschickt gewählt. Die eingearbeiteten Zitate aus historischen Dokumenten, zum Teil bissig kommentiert, sorgen für einen vorgeblich realistischen Hintergrund, sind aber Teil des grandios angelegten Lug und Betrugs, mit dem Fiedler seine Leser geschickt auf falsche Fährten lockt. Hexenjagd, Okkultismus, verwunschene Orte – all das wird von Fiedler als Vorwand angelegt, hinter dem sich handfeste Interessen und persönliche Schuld verbergen lassen. Im Laufe der Erzählung lässt Fiedler diese Idylle durch seinen kautzigen Knooth demaskieren, ohne dass er ihn dabei zum uneigennützigen Helden stilisiert. Knooth geht es letztlich um seine eigene Haut und seinen dicken Bauch.

Durchzogen ist der Roman von einer dumpfen, aufgeheizten Sommerstimmung, die alles andere als Werbung für den Westerwald ist. Nein, „Pilzekrieg“ eignet sich nicht als billige Heimatliteratur noch als Literaturtipp vom örtlichen Fremdenverkehrsamt. Es ist eine aufklärerische Abrechnung mit Land und Leuten – spitzfindig, klug und sehr lesenswert.

Fiedler, Roger M.: Pilzekrieg. – Hamburg : Rotbuch Verlag, 2003
ISBN 3-434-54043-1

Criminale in Farbe – Folge 4 – Blut & Bier

Leinwand

„Halten Sie sich die Ohren zu!“ – gleich am Anfang ein gut gemeinter Rat der Moderatorin Michaela Padberg. Sie, die sonst die Zuschauer der WDR-Lokalzeit Südwestfalen am Bildschirm begrüsst, führte durch den Eröffnungsabend der 19. Criminale in der Stadthalle in Meschede. Das Zuhalten der Ohren war von der charmanten Moderatorin zwar auf die Musik gemünzt, weil Sinfonieorchester und Schlagwerkensemble der Musikschule Hochsauerlandkreis recht laut würden, aber eigentlich waren die Musiker die Stars des Abends.

Für klangvolle und kräftige Töne sorgten zudem Kinder- und Jugendchöre der Musikschule Hochsauerlandkreis, der Männerchor Arnsberg 1880 und die wunderbare Solistin Bo Shannon, mit der Lizenz zum Singen. Die musikalische Bandbreite reichte von der „Toccata“ (Bach/Stokowski) über eine Samba bis hin zum „O Fortuna“ aus Orffs „Carmina Burana“. Fortuna meinte es musikalisch wirklich gut mit uns im Publikum, denn hervorragend präsentierte Bo Shannon ein Medley aus Titelmusiken zu James-Bond-Filmen. Wer sich hier die Ohren zuhielt, verpaßte den Höhepunkt des Abends.

„Sauerländer sind die Sizilianer Westfalens“

Aber: Ich war ja nicht auf einem Musikfestival, sondern auf der Eröffnung eines Krimifestivals. Worte, meine Lieben, gab es zwar auch reichlich – aber die waren weder kraft- noch wertvoll. Das die Honoratioren und Sponsoren brave und warme Worte ins und ans Publikum richteten, gehört wohl mit zum Ritual. (Ohren zu!) Franz-Josef Leikop, Landrat des HSK, machte unter dem Motto „Blut und Bier“ klar, worum es bei der diesjährigen Criminale gehen soll. Ein wenig skurrile Morde hier, ein wenig Small-Talk dort und jede Menge Bier, davon gibt es ja bekanntlich genug im Sauerland. Fast wäre ich versucht zu sagen, der gute Mann hätte sich vertan und meinte vielleicht „Blut und Boden“ – so, wie er reichlich die Werbetrommel für die sauerländischen Berge, Wiesen und Täler rührte – aber das wäre dann doch zu vermessen. Nein, Landrat Leikop und die herbeigeeilten, zahlungskräftigen Sponsoren wollten vor allem eins: Für das Sauerland werben und die rund 160 Krimiautorinnen und -autoren sollen dabei Hilfe leisten. Inspiration fänden sie schließlich genügend, zum Beispiel könnten sie sich ja mal mit dem Thema Wirtschaftskriminalität beschäftigen, so der Vorschlag von Peter Wagner, der die Sparkassen des HSK vertrat. Offenbar weiß der Mann, wovon er spricht.

Einem anderen Sponsoren fiel ein so schönes Zitat ein, dass ich glatt vergessen habe, mir aufzuschreiben von wem es stammt. Erwähnt sei es trotzdem: „Sauerländer sind die Sizilianer Westfalens“. Wer hätte es gedacht, Mafiamethoden zwischen Meschede und Marsberg. Wahnsinn! Noch wahnsinniger schien der Mensch vom Ministerium für Städtebau, Wohnen, Kultur und Sport. Er machte gleich zwei wichtige Merkmale der diesjährigen Criminale aus: Regional- und Bildungspolitik. Das mit der Regionalpolitik hatte ja schon der Landrat gesagt, die Bildungspolitik hingegen musste natürlich der Mann von der Kultur erklären. 19 der rund 70 Lesungen finden in Schulen statt und sind nicht öffentlich. Deutsche Krimiautor/innen bringen also den PISA-geplagten Schülern und Schülerinnen Lesen und Schreiben bei. Da werden die ganz schön staunen und bei der nächsten PISA-Studie werden die sauerländischen Schulen im Fach Deutsch ganz weit vorne liegen. Wetten?

Wo bleibt der Krimi?

Lassen wir das Schwadronieren über Bildung – wir sind ja zum Vergnügen hier. Das stellte sich allerdings eher selten ein. Ein lieblos zusammengeklatschter Film, zerstückelt in zwei Teile, sollte wohl Lust auf das Sauerland machen. Damit es wenigsten etwas mit Grimmi zu tun hatte, verfassten die Bürgermeister der beteiligten Städte das Drehbuch dazu: „Prohaska – Schnee und Kanonen“ hieß der Streifen. Eine verschwundene Schneekanone, ein ungepflegter Privatdetektiv mit Namen Prohaska sowie die Bürgermeister selbst spielten darin eine gewichtige Rolle. Vermutlich hätten die Videogruppen der ortsansässigen Schulen weit Besseres auf die Leinwand gebracht. Wenn die Bürgermeister ihre Haushaltsbücher so führen wie dieses Drehbuch, dann gute Nacht, armes Sauerland…

Ach ja, dann war da noch ein sogenanntes Gespräch, bei dem Kathrin Heinrichs, Krimiautorin, und Horst Eckert, Noch-Sprecher des Syndikats, klar herausstellten, wie wichtig doch die Criminale ist. Wie kuschelig es doch im Syndiakt zu geht, wo sich alle lieb haben, es keinen Konkurrenzkampf gibt und die Leser und Leserinnen abgöttisch geliebt werden. Und natürlich sind die Geschmäcker verschieden und natürlich werden Newcomer und Bestsellerautoren (gibt es die eigentlich im Syndikat?) alle gleich behandelt und überhaupt ist alles ganz, ganz toll! Vom Krimi – also so dem echten und wichtigen – habe ich übrigens nichts gehört und gesichtet. Hatte sich vermutlich in den sauerländischen Bergen versteckt. Ich folgte dann dem Rat der Moderatorin und habe mir die Ohren zugehalten – bis mich die Musik erlöste.

Eindrücke
Bo Shannon
Mit der Lizenz zum Singen: Bo Shannon

Landrat
„Die Criminale 2005 ist eröffnet!“

Talkshow
Talkshow

Streicher
Sie sorgten für Schwung.

Bo Shannon
„Wo ist der Krimi?“

Criminale in Farbe – Folge 3 – Böser Bube

CriminaleUnser geschätzter Lehrer der Crime-School, dpr, kann einem aber auch alles vermiesen. Was für ein böser Bube! Just an dem Tag, an dem hier im verregneten, grünen Hochsauerland das Gipfeltreffen der deutschsprachigen Krimi-Elite startet, zitiert er in seinem Beitrag „Bad Times“ den guten Friedrich Ani:

„Manche Krimiautoren hätten keinerlei literarischen Anspruch und würden es gerade mal schaffen, „die Hauptsätze einigermaßen hinzukriegen“. Der deutsche Krimi müsse „noch einen großen Schub bekommen, um relevant zu werden“. Er vermisst den „literarischen Übermut“ der Autoren, die kein anderes Ziel hätten, „als einen Mordfall relativ verzwickt aufzubrezeln“, sagt Ani.“

Wie soll ich denn nun vorurteilsfrei die Veranstaltungen der Criminale besuchen? Für welche Lesungen soll ich mich denn jetzt noch entscheiden? „Mörderisches im Schloss“ mit Anne Chaplet und Malachy Hyde in Alme (am Freitag) oder doch lieber die Gourmet-Lesung in Brilon mit Mathias Christiansen, Horst Eckert und Anke Gebert (ebenfalls Freitag)? Mensch, Lehrer dpr, Du kannst es einem aber auch schwer machen. Klaglos ertrage ich das schlechte Wetter (Bahamas wären ’ne prima Alternative), das Gedudel von WDR 4 (Lieblingssender aller Muttis) und die sturen Sauerländer. Aber genug: Ich muss zur Criminale. Über meine Ausbeute werde ich berichten.

Criminale in Farbe – Folge 2 – Grüne Lunge

WaldwegGrüne Lunge

Das Hochsauerland ist grün – keine politische Aussage so kurz vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Politisch würde man wohl eher schwarz sehen, denn die Mehrheit der Menschen in dem 2.000 Quadratkilometer großen Gebiet wählt immer noch CDU und ist durch und durch katholisch. Grün zeigt sich vor allem die Natur im sogenannten Land der Tausend Berge. Dunkle Nadelwälder auf steilen Bergen bestimmen das Bild. Die „grüne Lunge“ des Ruhrgebiets, das nur gut eine Autostunde entfernt liegt, ist ein beliebtes Naherholungsgebiet, sowohl im Sommer wie auch im Winter. Die Hochsauerländer wissen dies: Der Fremdenverkehr ist eine wichtige wirtschaftliche Einnahmequelle. Die meisten Beschäftigten im HSK finden sich allerdings im Sozial- und Gesundheitswesen, was vermutlich auch an den zahlreichen Kurorten liegt, die mit gesunder, frischer Luft und klarem Wasser werben. Gut durchatmen kann man hier immer noch.

Kulturell erscheint das Land immer noch als Diaspora. Heimat zählt hier mehr als moderner Schnickschnack. Jährlicher Höhepunkt in den vielen kleinen Dörfern rund um den Kahlen Asten sind die Schützenfeste, bei denen mit frischem sauerländischen Bier, zum Beispiel Warsteiner oder Krombacher, und zünftiger Blasmusik gefeiert wird. Kino, Theater, Musik – jenseits der Blaskapelle – gibt es zwar auch, aber echte Sauerländer feiern lieber in ihren Vereinen. Vor allem das Sportangebot ist groß: Ob mit schnellen Rädern auf einer Biker-Tour über Stock und Stein, ob Nordic-Walking durch die rauhe Berglandschaft oder Ski-Langlauf im Winter – wer Sport liebt, dürfte sich hier wohl fühlen. So verfügt allein die kleine Stadt Winterberg über eine Kunsteisbahn, eine Bobbahn (wo eine gewisser Stefan R. aus K. seine Wok-WM einmal im Jahr zelebriert) eine Skisprung-Schanze (die sich allerdings nicht mit der im nahen Willingen messen kann) sowie zahlreiche Ski-Loipen und Ski-Lifte. Spöttisch wird die kleine Stadt deshalb auch gerne das „Sankt Moritz des Sauerlandes“ genannt. Nur so edel geht es hier nicht zu: Man liebt die Natur und das Natürliche. Teuere Pelze und Klunker werden nur selten gesichtet, sind es doch vor allem Familien, die hier einen Kurzurlaub einlegen.

Mehr Mord und Totschlag

Noch ein WaldwegDie Bewohner dieser herben Waldlandschaft gelten als stur und maulfaul. Ein Vorurteil mag man da denken, doch es ist in der Tat nicht so leicht, mit einem echten Sauerländer ins Gespräch zukommen. Fremde und Fremdes werden argwöhnisch beäugt. Der Gastfreundschaft tut dies allerdings keinen Abbruch – schließlich wissen die Menschen, wem sie ihren bescheidenen Wohlstand zu verdanken haben. Wer es schafft, ein gewisses Vertrauen zu den Einheimischen aufzubauen, wird bald schon ein Stein im Brett haben und immer gerne gesehen. Am ehesten öffnet man Mund und Herz eines Sauerländers bei einem Bier in einer der vielen Kneipen – hier spielt das Leben außerhalb von Arbeit und Alltag.

Schaut man einmal auf den kriminellen Hintergrund der Gastgeberregion der diesjährigen Criminale, dann wird schnell klar, dass es hinter der ländlichen Idylle Lug und Betrug, Böses, Verbrechen, Mord und Totschlag lauern. Die Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2004 weist etwa einen Anstieg bei den Gewaltverbrechen nach. Zwei Mordversuche, ein vollendeter Mord sowie fünf Totschlagsfälle zählt die Polizei auf. Auch bei Sexualdelikten und dem Missbrauch von Kindern gab es leider eine Steigerung. Jugendkriminalität und Kriminalität bei Spätaussiedlern sind weitere Probleme, die der Polizei zu schaffen machen. Ob die deutschsprachigen Krimiautorinnen und -autoren hier neue Motive und Ideen für ihre Romane finden werden?

Vielleicht werden sie sich aber auch einfach nur an der schönen Landschaft freuen, die sauerländische Gastfreundschaft genießen und der einheimischen Küche frönen. Kräftige Fleischgerichte, wie Kassler, Sauerbraten und Mettwürstchen stehen hier ebenso auf der Karte wie Grünkohl, Sauerkraut und Kartoffeln. Gut gestärkt dürfen sie sich dann auf Besuchstour begeben: Wälder und Wiesen rund um den Kahlen Asten, der historische Altstadtkern in Arnsberg oder putzige Dörfer mit Fachwerkbauten rund um Olsberg – zu entdecken gibt es sicher einiges.